Platzhirsch_1_2019
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„KEINE NOTE, DIE DU SPIELST, IST FALSCH, ERST DIE NOTE, DIE DU<br />
DANACH SPIELST, MACHT SIE RICHTIG ODER FALSCH.“<br />
MILES DAVIS<br />
getragen, dass da noch Bewegung ins Spiel<br />
kommt. Ende Juni 2011 war dann klar, hier<br />
bewegt sich überhaupt nichts mehr. Am 26.<br />
Juli 2011 habe ich dann beim Amtsgericht<br />
Baden-Baden den Antrag auf Eröffnung<br />
eines vorläufigen Insolvenzverfahrens gestellt.<br />
#4 Wo liegt das Motiv einer Bank, sich mit<br />
den kalkulierbaren 5% aus der Insolvenzmasse<br />
zu begnügen, statt aktiv an einem Restrukturierungskonzept<br />
mitzuarbeiten?<br />
Ich habe es damals überhaupt nicht verstanden.<br />
Ich denke aber, dass es mit der<br />
Eigenkapitalhinterlegung der Banken zu<br />
tun hatte. Wir waren ja nicht die Einzigen,<br />
es ging vielen Kunden ähnlich, zur<br />
damaligen Zeit.<br />
#5 Bert, wir sprechen hier über eine 41-jährige<br />
Unternehmensgeschichte. Du hast das<br />
Unternehmen von deinem Vater übernommen.<br />
Wie ist dein Vater damit klar gekommen?<br />
Extrem schwer. Er war zu der Zeit immer<br />
noch sehr dicht dran am Unternehmen. Für<br />
ihn war es genauso ein traumatisches Erlebnis.<br />
Das war sein Kind – ich nehme den<br />
Begriff sehr bewusst, weil es einfach so ist,<br />
in einem typischen Familienunternehmen.<br />
Da sitzt das Unternehmen immer mit am<br />
Tisch, fährt mit in den Urlaub, etc. Es ist<br />
kein biologisches, aber zumindest ein mentales<br />
Familienmitglied.<br />
#6 Du hast von einem hohen emotionalen<br />
Stress in dieser Krise geschrieben. Ich lese da<br />
eine Melange aus Existenzängsten, Wut, Zweifel,<br />
Einsamkeit, Überforderung. Jedes dieses Gefühle<br />
ist an sich schon sehr dramatisch. Wie hält<br />
man das aus, wie kommt man da durch?<br />
Dafür reicht die Zeit dieses Interviews<br />
nicht. Gerne erzähle ich darüber in eurer<br />
Veranstaltung am 21.11.<strong>2019</strong>.<br />
#7 Okay, letztendlich hast du in unserem<br />
Vorgespräch den ausschlaggebenden Punkt,<br />
das Motiv für dieses Veranstaltung „Kann<br />
denn Scheitern Sünde sein?“ geliefert. Ich zitiere<br />
dich: „Wie würde es unserer Gesellschaft<br />
gehen, wenn wir Menschen mit Insolvenzerfahrung<br />
nicht stigmatisieren, sondern bewusst<br />
integrieren?“<br />
So ist es. Ich freue mich, dass ihr den Ball<br />
aufgenommen habt. Ich war im Dezember<br />
2015 zum ersten Mal auf einer sogenannten<br />
Fuck-Up-Night in Stuttgart eingeladen. Das<br />
ist mittlerweile ein weltweit etabliertes Veranstaltungsformat,<br />
wo Menschen über ihre<br />
Brüche und Niederlagen berichten. In Stuttgart<br />
waren 40-50 Menschen. Deren Durchschnittsalter<br />
schätze ich auf fünfundzwanzig<br />
Jahre. Wir hatten nach meinem Vortag eine<br />
so spannende Diskussion, dass es bei mir<br />
Klick gemacht hat. Hey, da gibt es junge Leute,<br />
die kennen dich nicht. Die sind an deiner<br />
Geschichte, an deiner Reflektion, an deinen<br />
Erkenntnissen interessiert. Was wäre, wenn<br />
deine Erfahrung einen Sinn machen würde,<br />
wenn mehr Menschen davon profitieren<br />
könnten? Wenn diese Menschen Anstöße<br />
bekommen, für die eigene Reflektion.<br />
#8 Und daraus ist ein Buchprojekt erwachsen.<br />
Ich zitiere aus den Rezensionen: „Das beste<br />
Buch zum Thema Scheitern auf dem deutschen<br />
Markt.“ „Die Attraktivität des Buches liegt darin,<br />
dass Overlack es sich versagt, aus seinen<br />
Erfahrungen gemeingültige Beraterweisheiten<br />
abzuleiten.“ „Er vergleicht seine ehrlich erzählte<br />
Geschichte konsequent mit dem, was die<br />
Wissenschaft zu dem Thema Lernen aus Krisen<br />
zu sagen hat.“<br />
Ich weiß, dass du mit dem Titel nicht glücklich<br />
bist. Aber es gibt keinen Begriff, der die<br />
Emotionalität des Scheiterns in sechs Buchstaben<br />
verpackt.<br />
#9 Dann ist das so. Und wenn man am<br />
Klappentext vorbei ist, wird es richtig toll.<br />
(Schmunzeln.)<br />
Ich zitiere dich nochmal: „Ich dachte, ich könnte<br />
es alleine schaffen. Ich verzichte auf einen<br />
Berater.“ Was war dein Motiv, keinen Berater<br />
hinzuzuziehen? War es Eitelkeit? Waren es<br />
die Kosten?<br />
Es war schlichtweg genau diese Mischung.<br />
Nenn es Eitelkeit, für mich war es die Überzeugung.<br />
Ich kann das, ich kann das auch<br />
alleine. Und ja, es waren auch die Kosten.<br />
Da werden 1.500 bis 2.000 Euro am Tag<br />
aufgerufen, und du denkst dir, wie lange<br />
muss ich dafür arbeiten. Und das mit dieser<br />
angespannten Kostendecke. Ich bin vom<br />
Denken her immer schon generalistisch<br />
ausgelegt gewesen – ich habe mich in die<br />
Breite interessiert und nicht in die Tiefe.<br />
Dieses gesunde Halbwissen zu haben, ist<br />
für einen Generalisten ein Vorteil. In dieser<br />
Situation, wo du Spezialwissen brauchst,<br />
war es für mich ein Nachteil, so zu denken.<br />
Da kannst du mit deinem Allgemeinwissen<br />
das Spezialistenwissen nicht kompensieren.<br />
Wir freuen uns auf die Veranstaltung, am 21.<br />
November <strong>2019</strong>, mit Bert Overlack – dem heutigen<br />
Coach, Berater, Autor, Keynote-Speaker,<br />
Kulturstrategen und einer der sympathisch<br />
glaubwürdigsten Menschen, die ich kenne.<br />
(rb)<br />
bert.overlack GmbH<br />
Baldenaustraße 56, 76437 Rastatt<br />
Fon: +49 (0) 7222 933037<br />
www.bertoverlack.de<br />
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