Platzhirsch_1_2019
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Gesellschafter, Event-Veranstalter, rastloser<br />
Forscher, radikaler Denker, Visionär, Individualist,<br />
Dandy … mit hellwachem Blick, die<br />
Augen umringt von Lachfältchen. Verbinder<br />
zwischen den unterschiedlichsten Wissensgebieten<br />
und Erfahrungen (im Stile eines<br />
Steve Jobs) ... Meister im Denken und im Lösen<br />
von Herausforderungen. Ein Rastloser,<br />
der achtmal seinen Wohnort wechselte. Der<br />
dreimal einen Neuanfang wagte – mit Mitte<br />
30, Mitte 50 und noch einmal mit ca. 60 Jahren.<br />
Dessen Leben sich zwischen Triumph<br />
und Scheitern, zwischen Existenzangst und<br />
grenzenlosem Luxus bewegte.<br />
Leonardo rüttelte an Tabus. Er und die<br />
Gefährten seiner Epoche ließen sich einfach<br />
nicht gefallen, dass die Erde eine Scheibe<br />
sein sollte. Er malte die Mona Lisa, weil er<br />
wie kein anderer Gesichter, deren Muskeln,<br />
Nerven und Proportionen studiert hatte.<br />
Er schuf das große Werk „Das letzte<br />
Abendmahl“ – möglicherweise, weil er der<br />
Kirche zugewandt war – vielleicht auch, weil<br />
Frühstück zu früh für ihn war.<br />
Leonardo galt als bedingungslos neugierig.<br />
Ein Umstand, der mich an meinen alten<br />
Freund und Mentor Herman Kunkler erinnert.<br />
Der mir auf seinem 90. Geburtstag erzählt<br />
hat, das es eine Flasche Portwein war,<br />
die uns 1998 zusammengeführt hat. Damals<br />
gab es in Rhede-Krechting eine kleine Weingarage<br />
mit dem Namen „Wein 26,4“. Das<br />
war nicht die ideale Trinktemperatur eines<br />
Rotweins, das war die Quadratmeterzahl unserer<br />
Verkaufs- und Verkostungsfläche. Hermann<br />
hatte sich dorthin aufgemacht, weil er<br />
gehört hatte, dass es dort u.a. ganz passable<br />
Portweine geben würde. Getrieben von seiner<br />
Neugier auf das Leben.<br />
Zurück zu Leonardo, er war ein Meister<br />
des Notizen-Machens. Gut 6.000 von einst<br />
wohl über 10.000 Manuskriptseiten von ihm<br />
sind erhalten.<br />
Manchmal auf riesigen Bögen, oft in<br />
Notizbüchern, kleiner als ein Handteller.<br />
Dort hat er alles niedergeschrieben, was<br />
ihm durch den Kopf ging. Ideen und Träume,<br />
Theorien über den Ursprung der Welt,<br />
Pläne für Bücher, selbst Einkaufslisten.<br />
Vermutlich trug er seine Notizbücher am<br />
Gürtel. Jedenfalls muss er sie ständig mit<br />
sich geführt haben, damit sich kein Gedanke<br />
verflüchtigen konnte – schließlich hatte<br />
er ja kein iPhone und kein Evernote, lieber<br />
Thorsten Jekel.<br />
1994 ersteigerte Bill Gates den Codex<br />
Leicester für 30,8 Millionen US-Dollar. Das<br />
ist eine gebundene Sammlung von Blättern<br />
mit wissenschaftlichen Schriften, Notizen,<br />
Skizzen und Zeichnungen von Leonardo.<br />
Der Kodex enthält 18 Blätter, die jeweils in<br />
der Mitte gefaltet und beidseitig beschrieben<br />
sind. Ein insgesamt 72-seitiges Manuskript,<br />
im Format 22 x 28 cm – das (bislang) teuerste<br />
aller Zeiten.<br />
Unsere nicht ganz ernst gemeinten<br />
Learnings:<br />
• Umtriebige Menschen müssen nicht<br />
zwingend ADHS haben. Vielleicht<br />
sind sie kleine, mittlere oder große<br />
Universalgelehrte – nach denen die<br />
Arbeitswelt und unsere Gesellschaft<br />
dürsten.<br />
• Notizen zu machen, kann sich auszahlen.<br />
• Werft den PLATZHIRSCH nicht weg.<br />
Der hat 100 Seiten, im Format 23 x<br />
29,7 cm. Der könnte in 500 Jahren<br />
42,8 Millionen wert sein – wobei<br />
das größere Format noch nicht mitkalkuliert<br />
wurde. (rb)