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unser-hiddesen-2019-01

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Freizeit • Kultur • Literatur<br />

im Vorfeld nicht erkennen, ob sie später zu einem Gewitter<br />

werden. Ein erstes Alarmzeichen ist es, wenn sie beginnen,<br />

blumenkohlartig in die Höhe quellen.<br />

Wenn der Bielstein Feuer speit<br />

Lippes Gewitterzentrum ist Hiddesen<br />

- von Robin Jähne<br />

Es lag bereits in der Luft: Der Tag war warm gewesen, am<br />

Abend hatte die Sonne das Hermannsdenkmal in rotes Licht<br />

getaucht. Dann aber zogen zügig dunkle Wolken herbei. Ein<br />

dumpfes Grollen, dann zuckten die erste Blitze hell über den<br />

düsteren Himmel.<br />

An diesem Abend jedoch waren es besondere Blitze: Aus der<br />

Spitze des Bielstein-Senders heraus schossen die Blitze hoch<br />

bis in die Wolken und zogen ihre kilometerlange Lichtspur<br />

entlang des Teutoburger Waldes bis nach Steinheim hin.<br />

„Superblitze“ werden sie genannt. Aus der Entfernung sehen<br />

sie aus wie der Buchstabe „V“ oder ein „Y“, mit krakeliger<br />

Schrift in den Himmel gemalt. Dieses Aussehen verrät dem<br />

Fachmann, dass es sich um Positiv-Aufwärtsblitze handelt.<br />

Der Bielstein-Sender bietet sich mit seinen 300 Metern Höhe<br />

geradezu als Startpunkt an. Seitenäste solcher Blitze können<br />

sogar noch viele Kilometer entfernt in die Erde einschlagen.<br />

In der Vorstellung der Griechen warf ihr Gott Zeus seine<br />

Donnerkeile gen Erde, um allzu vorwitzigen Sterblichen einen<br />

Denkzettel zu verpassen. Die Germanen glaubten, es sei<br />

Thor, der gegen boshafte Riesen kämpfe, wobei die Funken<br />

seines Hammers als Blitze zu Boden fallen. Erst 1752 enttarnte<br />

Benjamin Franklin die elektrische Natur des Blitzes.<br />

Was bei Gewitter über <strong>unser</strong>en Teutoburger Wald zieht,<br />

kann gewaltige Energien besitzen. In Gewitterwolken ballen<br />

sich oft Tausende Tonnen Wasser und es gibt Aufwinde mit<br />

mehreren hundert Stundenkilometern, die sogar kiloschwere<br />

Eisbrocken in der Luft halten können.<br />

Doch wie funktionieren Gewitter eigentlich?<br />

Am Anfang steht meist ein harmloses Wölkchen, das unscheinbar<br />

über den blauen Himmel zieht. Jeder Laie wird es<br />

als vollkommen harmlos einstufen, jeder Fotograf freut sich<br />

über das dekorative Objekt am Firmament.<br />

Doch Wolken können hinterlistig sein.<br />

Bei den sprichwörtlichen „Schönwetterwolken“ kann man<br />

Wichtig für ein ordentliches Gewitter ist neben der Aufwärtsbewegung<br />

der wärmeren Luft außerdem noch, dass<br />

sie auf ihrem Weg nach oben schnell genug abkühlt und<br />

nicht zu trocken ist. Werden diese Bedingungen erfüllt,<br />

nennt der Wetterfrosch die Atmosphäre „labil“. Wenn dann<br />

einmal eine Aufwärtsbewegung angestoßen ist, ist sie nicht<br />

mehr aufzuhalten. Ein bestimmter Wolkentyp, die so genannten<br />

Altocumulus-Wolken, die aussehen wie gerupfte<br />

Wattebäusche, weisen darauf hin. Allerdings haben sie eine<br />

boshafte Eigenschaft: Sie entstehen innerhalb von Minuten<br />

und verschwinden genauso schnell wieder. Dann lacht die<br />

Sonne erneut fröhlich vom blauen Himmel. Und niemand<br />

ahnt, dass ein Gewitter droht.<br />

Was in einer solch labilen Atmosphäre passiert, lässt sich<br />

am besten mit dem häufigsten Gewittertyp erklären, dem<br />

Hitzegewitter:<br />

Die Sonne erwärmt den Boden, der die Wärme an die unterste<br />

Luftschicht weitergibt. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit<br />

aus der Umgebung aufnehmen als kalte.<br />

Die in Luft gebundene Feuchtigkeit ist normalerweise unsichtbar.<br />

Sie tritt erst in Erscheinung, wenn sie zu Wassertröpfchen<br />

kondensiert. Am Boden würden wir diese Tröpfchen<br />

Nebel nennen. Oben am Himmel wird aus einem Rudel<br />

solcher Tröpfchen eine Wolke. In Form von Blasen steigt die<br />

feuchte Warmluft durch die höhere, kältere Luft empor wie<br />

Heißluftballone. Wenn diese feuchte Warmluftblase von<br />

außen abkühlt, wird das enthaltene Wasser wieder ausgeschwitzt<br />

und kondensiert zu besagten kleinen Tröpfchen.<br />

Die in der Luftfeuchtigkeit steckende Wärmeenergie wird<br />

dabei innerhalb der Wolke wieder frei – Die Wolke beheizt<br />

sich gewissermaßen selbst und kann weiter steigen, sich<br />

aufblähen und immer mehr Feuchtigkeit kondensieren. So<br />

entsteht die typische, schnell wachsende schneeweiße Blumenkohlform<br />

der Wolke am Himmel.<br />

Wenn diese Blumenkohl-Wolke nun oben ausfranst, wird es<br />

gefährlich, die harmlose Schönwetterwolke hat sich in eine<br />

Gewitterwolke verwandelt. In Höhen von acht bis 12 Kilometern<br />

wurden aus den Wassertröpfchen kleine Eiskristalle,<br />

die immer höher gewirbelt werden. Doch dann, als Grenzschicht<br />

zum nächsten Stockwerk <strong>unser</strong>er Atmosphäre liegt<br />

die Tropopause als Temperatur- und Feuchtigkeitsschranke<br />

wie eine Schicht Öl auf Wasser. Die normale Gewitterwolke<br />

wird hier am weiteren Aufsteigen gehindert. Darunter breitet<br />

sich der vereiste Teil der Gewitterwolke nach allen Seiten<br />

aus. Aus der Ferne sieht die Wolke dann aus wie ein riesiger<br />

Amboss.<br />

Während die Eiskristalle entstehen, bilden sich in den Gewitterwolken<br />

getrennte Bereiche mit positiver und negativer<br />

Ladung, wie in einer Autobatterie. Der Unterschied<br />

zwischen Plus und Minus beträgt jedoch nicht nur zwölf<br />

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Unser Hiddesen / Juni - Juli <strong>2<strong>01</strong>9</strong>

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