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DAS LETZTE WORT<br />

JENS VOIGT<br />

Der Verlust großer Namen für die Tour lässt Jens fragen, wer Gelb gewinnen wird.<br />

© Getty Images<br />

Der Monat Juni hat bei mir<br />

mehr Fragen als Antworten<br />

über das große Rennen aufgeworfen,<br />

das ihr gerade alle anschauen<br />

werdet – die Tour de France.<br />

Ich war ein wenig verwirrt von der<br />

Abwesenheit so vieler großer Namen<br />

der Sprinter. Marcel Kittel befindet<br />

sich im selbst gewählten Exil, und<br />

wer weiß, was seine Zukunft bringt?<br />

André Greipel ist zwar dabei, scheint<br />

seine Beine für sein neues Team in<br />

dieser Saison aber noch nicht gefunden<br />

zu haben, und Mark Cavendish<br />

befindet sich nach der Überwindung<br />

des Epstein-Barr-Virus nicht im Aufgebot<br />

seines Teams.<br />

Ich weiß, dass die Genannten bereits<br />

als die alte Garde angesehen<br />

werden, aber bei diesen drei Fahrern<br />

sprechen wir von über 55 Etappensiegen<br />

in den letzten Jahren und<br />

über aufregende Schlachten.<br />

Die Helden meiner Jugend (darf<br />

ich das in meinem Alter sagen?)<br />

beginnen zu gehen und ich bin ein<br />

wenig traurig darüber. Natürlich<br />

gewinnt Peter Sagan immer noch,<br />

aber ich habe ihn noch nie als reinen<br />

Sprinter gesehen. Er ist einfach ein<br />

Weltklasse-Radfahrer. Obwohl er in<br />

diesem Jahr bisher nicht das letzte<br />

Prozent hatte, um ihn zu dem perfekten<br />

und spektakulären Fahrer zu<br />

machen, der er in den letzten fünf<br />

oder sechs Jahren war. Das ist normal<br />

und menschlich – nach so vielen<br />

Jahren auf höchstem Level verlangsamen<br />

sich Körper und Geist ein<br />

wenig. Vielleicht braucht er etwas<br />

mehr Konzentration, aber dieser<br />

Etappensieg bei der Tour de Suisse<br />

hat mir gezeigt, dass er vielleicht das<br />

Engagement und die Motivation finden<br />

kann, auch weiterhin ein Superstar<br />

zu sein. Wer weiß? Vielleicht<br />

hat er das bei der Tour schon gezeigt,<br />

wenn ihr das hier lest.<br />

Wir hatten eine ähnliche Situation<br />

bei den Klassementfahrern. Alle,<br />

die im Giro heftig gekämpft haben,<br />

ruhen sich jetzt aus, außer Vincenzo<br />

Nibali, der gesagt hat, dass diese<br />

Tour für Etappensiege und das Bergtrikot<br />

anstelle des Klassements<br />

stünde. Chris Froome stürzte beim<br />

Critérium du Dauphiné, und Tom<br />

Dumoulin zog sich mit seiner anhaltenden<br />

Knieverletzung von der Tour<br />

zurück. Selbst der Titelverteidiger<br />

Geraint Thomas zeigte bisher nicht<br />

die nötige Form.<br />

Was ist mit den Gewinnern?<br />

Als ich sah, wie Egan Bernal in der<br />

Schweiz gewann, war ich überzeugt,<br />

dass er auch die Tour leicht gewinnen<br />

könnte. Er ist jung und die ersten<br />

Vier der letztjährigen Tour sind<br />

entweder nicht beim Rennen oder<br />

nicht in Topform.<br />

Bei der Dauphiné öffnete sich<br />

die Tür für meinen alten Freund<br />

und Teamkollegen Jakob Fuglsang,<br />

der das Rennen zum zweiten Mal<br />

ICH ERINNERE MICH, ALS JAKOB ENDE<br />

20<strong>08</strong> NACH DEM SIEG BEI DER DÄNEMARK-<br />

RUNDFAHRT ZU MEINEM TEAM CSC KAM.<br />

ER BESASS UNGESCHLIFFENES TALENT<br />

UND EINEN MUTIGEN RENNSTIL.<br />

gewann. Was für ein tolles Jahr er<br />

hat. Er erreichte die Podien bei allen<br />

Ardennenklassikern, gekrönt<br />

durch den Sieg in Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

und eben nun auch die<br />

Dauphiné.<br />

Ich erinnere mich, als Jakob Ende<br />

20<strong>08</strong> nach dem Sieg bei der Dänemark-Rundfahrt<br />

zu meinem Team<br />

CSC kam. Er besaß ungeschliffenes<br />

Talent und einen mutigen Rennstil.<br />

Er zeigte nie Angst vor großen Namen<br />

und hatte immer ein kleines<br />

Lächeln auf den Lippen. Und er ist<br />

ein starker Fahrer in den Bergen und<br />

beim Zeitfahren.<br />

Nachdem er die Dauphiné gewonnen<br />

hat, wurde er natürlich zu einem<br />

Jens’ ehemaliger Teamkollege<br />

Fuglsang holte sich seinen zweiten<br />

Gesamtsieg bei der Dauphiné.<br />

Favoriten für die Tour. Bisher schien<br />

bei ihm bei der großen Schleife in<br />

Frankreich immer etwas schief zu<br />

gehen – entweder im Kopf oder in<br />

den Beinen –, aber ich drücke ihm<br />

die Daumen für dieses Jahr.<br />

Jens Voigt beendete seine Profi -<br />

karriere 2014 nach 18 Jahren.<br />

Der Berliner war einer der angriffslustigsten<br />

und beliebtesten Fahrer<br />

im Peloton. Unter anderem hielt er<br />

für 42 Tage den Stundenweltrekord.<br />

98 PROCYCLING | AUGUST <strong>2019</strong>

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