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Berliner Kurier 17.09.2019

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HINTERGRUND<br />

Wagnisse und<br />

Unwägbarkeiten<br />

LautUmfragen hatdas<br />

Einheitsdenkmal vordem<br />

Schlosskeine Mehrheit.<br />

Der Baugrund ist heikel.<br />

Docheinflussreiche politische<br />

Kreise drängen zum<br />

Bau –trotz ernster Einwände<br />

vonDenkmal- und<br />

Naturschützern. Am 9. Oktober<br />

läuft die Baugenehmigung<br />

aus. Ausdem Büro<br />

vonKulturstaatsministerin<br />

Grütters hörtman von<br />

Unwägbarkeiten eines<br />

beispiellosen Baus.<br />

Die Fundamentierung<br />

des Kaiser-<br />

Wilhelm-<br />

Nationaldenkmals:<br />

Schon zur<br />

Erbauungszeit<br />

galten die<br />

Gewölbe als<br />

Meisterleistung<br />

des<br />

Ingenieurbaus.<br />

Von<br />

MARITTA TKALEC<br />

Berlin hat schon manches<br />

in den Sumpf gesetzt,<br />

zum Beispiel den Münzturm,<br />

den König Friedrich I.<br />

am Schloss haben wollte. Das<br />

Bauwerk stand mit 60 Metern<br />

Höhe halb fertig da, als ein<br />

Notabriss 1706 den Einsturz<br />

abwendete. Baumeister Andreas<br />

Schlüter hatte den wabbeligen<br />

Untergrund am Spreeufer<br />

zu wenig beachtet –„bodenlos<br />

und uncorrigible“ sei der, urteilte<br />

ein Zeitgenosse.<br />

Ein paar Schritte von diesem<br />

Ort entfernt soll im Herbst Baubeginn<br />

sein für das Einheitsund<br />

Freiheitsdenkmal, gedacht<br />

zum Ruhme jener DDR-Bürger,<br />

die 1989 anderswo Revolution<br />

gemacht hatten. Die Schöpfer<br />

vom Büro Milla &Partner planen,<br />

eine schwankende Schale<br />

auf dem instabilen Grund zu<br />

platzieren. Johannes Milla ist<br />

optimistisch: „Alle Planungen,<br />

Vorbereitungen unsererseits<br />

sind gut vorangeschritten“, teilt<br />

er mit. „Alles bedacht, berechnet,<br />

TÜV-zertifiziert“, sagte er<br />

schon 2018 im Interview.<br />

Als 1895/96 die Fundamentierung<br />

des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals<br />

ins Werk gesetzt<br />

wurde, blieb man vorsichtig:<br />

„Die Gründung des Denkmals<br />

an dieser Stelle und unter den<br />

obwaltenden Verhältnissen erwies<br />

sich als eine so vorwiegend<br />

wasserbau-technische Aufgabe,<br />

dass die Reichsregierung Entwurf<br />

und Ausführung des ganzen<br />

Unterbaues der preußischen<br />

Wasserbau Verwaltung<br />

übertrug“, berichtete zur Halbzeit<br />

der Arbeiten der Geheime<br />

Regierungs- und Baurat Georg<br />

Eger im Zentralblatt für die<br />

Bauverwaltung. Fester Baugrund<br />

fand sich demnach zwölf<br />

Meter unter der Erdoberfläche<br />

und sechs Meter unter Niedrigwasser.<br />

1500 Grundpfähle wurden<br />

eingerammt. Ursprünglich hatte<br />

man beabsichtigt, „in voller<br />

Ausdehnung des Bauwerkes eine<br />

Betonplatte auf Grundpfähle<br />

Einheitswippe:<br />

Es ist bodenlos!<br />

Alte Bauberichte<br />

beschreiben den<br />

instabilen Grund unter<br />

dem Sockel für das<br />

Nationaldenkmal als<br />

Herausforderung. Ist der<br />

Boden vor dem Schloss<br />

tragfähig genug?<br />

zu legen und den ganzen Raum<br />

darüber bis zur Plattformhöhe<br />

theils mit Mauerwerk theils mit<br />

Sparbeton zu füllen“. Hiervon<br />

habe man Abstand genommen,<br />

schrieb Eger, stattdessen Pfeiler<br />

und Wölbungen errichtet –wegen<br />

der Kosten, doch vor allem<br />

zur „Verminderung der Mauermassen“,<br />

also wegen des auf<br />

dem schwierigen Grund lastenden<br />

Gewichts.<br />

Der ganze Fußboden wurde<br />

auf Wölbungen gelegt, deren<br />

Einzelpfeiler großenteils auf einer<br />

gemeinschaftlichen, durchschnittlich<br />

zwei Meter starken,<br />

auf Grundpfeilern ruhenden<br />

Betonplatte stehen. Man behielt<br />

aus alter Erfahrung das Wichtigste<br />

im Blick: „Das Bauwerk<br />

sicher gründen, und auch die<br />

unbelasteten Theile der Plattform<br />

gegen Bewegungen und<br />

Sackungen unbedingt zu sichern.“<br />

Die Fundamentgewölbe<br />

maßen etwa 76 mal 38 Meter.<br />

Die Pfähle wurden „meist<br />

senkrecht fünf bis sieben Meter<br />

tief unter Betonunterkante in<br />

den Grund gerammt, führte<br />

Eger aus, und reichen oben 60<br />

bis 80 Zentimeter in den Beton<br />

hinein; den auftretenden Belastungen<br />

entsprechend kommt<br />

auf jeden Pfahl eine größte Beanspruchung<br />

von rund 25 000<br />

Kilogramm. Zur Aufnahme<br />

schräg gerichteter Gewölbedrücke<br />

sind nach Erfordernis geneigt<br />

stehende Pfahlreihen angeordnet.“<br />

Beim Einrammen<br />

der Pfähle hielten Trichter oder<br />

Spundwände das Wasser zurück.<br />

Der Sockel ragt mehrere Meter<br />

in den Spreekanal hinein.<br />

Wie beim Bau des Bode-Museums<br />

wurde die Fläche der<br />

Spreeinsel künstlich erweitert.<br />

Durch den überwölbten Unterbau<br />

fließen Reste des ehemaligen<br />

Mühlengrabens bis zur<br />

Mündung in den Spreekanal<br />

unter dem Denkmal.<br />

Diesen komplizierten Umständen<br />

entsprechend sind<br />

„dem Verlauf der Druckkräfte<br />

entsprechend Bögen und Gewölbe<br />

so gestaltet, dass eine<br />

Druckbeanspruchung von 15<br />

Kilogramm im Ziegelmauerwerk<br />

und von 4,4 Kilogramm<br />

im Beton nirgends überschritten<br />

ist“, schrieb Eger im Fachblatt.<br />

Die Räume unter den<br />

Wölbungen seien über dem Betonbett<br />

bis zur Hochwasserlinie<br />

mit Sand ausgeschüttet und<br />

durch einen verschließbaren<br />

Schacht von oben aus zugänglich.<br />

Die Spree hatte 1895 ungewöhnliches<br />

Hochwasser geführt<br />

–zusätzliche Schwierigkeit<br />

für die Fundamentarbeiten<br />

im tiefmorastigen Ufergelände.

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