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BERLIN 11<br />
Von<br />
ANDREASFÖRSTER<br />
Berlin – Die 2017 in der<br />
Schweiz gegründete Envion<br />
AG galt als eines der vielversprechendsten<br />
Start-ups in<br />
der Krypto-Szene, der digitalen<br />
Finanzwelt. Inzwischen<br />
ist das Projekt gescheitert.<br />
Der <strong>Berliner</strong> Gründer und<br />
sein Geschäftsführer sind zerstritten,<br />
werfen sich gegenseitig<br />
in Strafanzeigen Betrug<br />
und Untreue vor.<br />
Das <strong>Berliner</strong> Landgericht versucht<br />
gerade in einem Zivilprozess<br />
zu klären, wer vonden Envion-Machern<br />
die mit hohen<br />
Rendite-Versprechen eingesammelten<br />
Anlegerbeträge von<br />
insgesamt 100 Millionen Dollar<br />
zurückzahlen muss. Und die<br />
Staatsanwaltschaft ermittelt<br />
wegen Betrugsverdachts. Die<br />
Geschäftsräume von Ex-Envion-Geschäftsführer<br />
Matthias<br />
Wöstmann und seinem Berater,<br />
Anwalt Thomas van Aubel, wurden<br />
durchsucht. Die Frage, wen<br />
die Schuld am Scheitern des<br />
Projektes trifft, ist damit aber<br />
längst nicht geklärt.<br />
Was von Envion übrig blieb,<br />
war ein Schiffscontainer, der<br />
einst noch in einer Spandauer<br />
Industriehalle stand. Erwar der<br />
Prototyp einer scheinbaren genialen<br />
Geschäftsidee. Denn im<br />
Container waren Dutzende<br />
Computer, mit denen Bitcoins<br />
produziert werden sollten.<br />
Das Herstellen einer solchen<br />
Kryptowährung mit Computern<br />
ist nicht kompliziert, aber energieintensiv.<br />
Wenn man aber einen<br />
Container als mobile Fabrik<br />
besitzt, schafft man ihn einfach<br />
dorthin, wo überschüssiger<br />
Strom verfügbar ist, und<br />
schließt ihn direkt ans Netz an.<br />
Das funktioniert etwa bei nicht<br />
voll ausgelasteten Solar-, Windoder<br />
Wasserkraftwerken. So<br />
könnten extrem hohe Gewinne<br />
erzielt werden – die Envion-<br />
Macher versprachen Renditen<br />
bis zu 161 Prozent!<br />
Als die Firma 2017 den bislang<br />
größten virtuellen Börsengang<br />
(Initial Coin Offering, ICO)<br />
Deutschlands<br />
startete, wurde<br />
das ein voller Erfolg:<br />
Innerhalb eines<br />
Monats sammelte<br />
Envion von Investoren<br />
weltweit<br />
rund 100 Millionen Dollar<br />
ein. Die Anleger erhielten<br />
keine Aktien, sondern virtuelle<br />
Münzen. Für diese sogenannten<br />
Token – so das Versprechen<br />
der Envion –werden<br />
Investoren später einen bestimmten<br />
Anteil am Profit bekommen,<br />
der durch das Bitcoin-<br />
Schürfen in den Containern erzielt<br />
wird.<br />
Das Versprechen wurde nicht<br />
eingehalten. Von den 100 Millionen<br />
Dollar ist nur knapp die<br />
Hälfte noch da. Jeder Token,<br />
„Envion war<br />
keine Fake-<br />
Firma. Die<br />
Technologie<br />
funktionierte.“<br />
der einst für einen Dollar ausgegeben<br />
wurde, ist heute nur noch<br />
zwölf Cent wert. Und auch die<br />
im schweizerischen Baar ansässige<br />
Envion AG, die nie einen<br />
Euro Umsatz erzielte, ist längst<br />
aufgelöst worden.<br />
Der Niedergang des Projekts<br />
begann nach dem Ende des Börsengangs.<br />
Kaum waren die 100<br />
Millionen Dollar da, zerstritten<br />
sich Firmengründer Michael<br />
Luckow und Geschäftsführer<br />
Wöstmann. Kern der Auseinandersetzung<br />
ist die geradezu<br />
handstreichartige Übernahme<br />
der Envion AG durch Wöstmann<br />
und den von ihm als Berater<br />
in die Firma geholten Anwalt<br />
van Aubel.<br />
Ermöglicht wurde der Coup,<br />
dass Luckow seine Envion-Aktien<br />
zeitweilig an den Geschäftsführer<br />
übertrug, mit der Option,<br />
sie nach dem Börsengang wieder<br />
zurückzuerhalten. Wöstmann<br />
aber nutzte seine Position<br />
als plötzlicher Mehrheitsaktionär<br />
dazu, im Januar 2018 eine<br />
unabgesprochene Kapitalerhöhung<br />
durchzuführen.<br />
Die<br />
Folge: Die Zahl der Envion-Aktien<br />
stieg massiv an. Anschließend<br />
übertrug Wöstmann wie<br />
vereinbart die „ausgeliehenen“<br />
Aktien an Luckow zurück –die<br />
aber nun nicht mehr wie vorher<br />
81 Prozent des Aktienkapitals<br />
entsprachen, sondern nur noch<br />
31 Prozent. Weil Wöstmann und<br />
van Aubel aber die neuen Aktien<br />
erworben hatten, hatten sie nun<br />
das Sagen bei Envion.<br />
An eine Zusammenarbeit war<br />
nicht mehr zu denken. Luckow<br />
warf Wöstmann vor, ihm die<br />
Firma gestohlen zu haben. Der<br />
kontert mit der Unterstellung,<br />
der Envion-Gründer habe beim<br />
ICO mehr Token produziert als<br />
vereinbart. Zunächst redete<br />
man noch miteinander, sogar<br />
ein Psychiater wurde für eine<br />
Mediation eingeschaltet. Aber<br />
dann überzogen sich beide Seiten<br />
mit Klagen.<br />
Den Schweizer Aufsichtsbehörden<br />
blieben die Vorgänge<br />
um die Envion AG nicht verborgen.<br />
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht<br />
Finma erklärte<br />
im März 2019 schließlich den<br />
ICO-Börsengang für illegal.<br />
Fünf Monate zuvor hatte das<br />
Kantonsgericht Zug die Auflösung<br />
der Envion AG verfügt.<br />
In einem aber sind sich die beiden<br />
Streithähne einig: Ihre Idee<br />
der mobilen Bitcoin-Fabriken<br />
hat eine Zukunft. Gründer Luckow<br />
ist überzeugt, dass man<br />
mit den eingesammelten 100<br />
Millionen Dollar bis zu 1000<br />
Container in etwa sechs Monaten<br />
hätte bauen können. Mit einer<br />
Produktionsfirma in Tschechien<br />
sei dies bereits vorbereitet<br />
gewesen, sagt er. Auch sein Widersacher<br />
Wöstmann glaubt<br />
dies, sagte der Neuen Zürcher<br />
Zeitung: „Envion war keine Fake-Firma.<br />
Die Technologie<br />
funktionierte.“<br />
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