advantage Nr 1 März 2019
Vorteil in Wirtschaft und Leben
Vorteil in Wirtschaft und Leben
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50 <strong>advantage</strong><br />
<strong>advantage</strong> 51<br />
——— I n t e r v i e w ———<br />
Achtsamkeit<br />
in hoher Dosis<br />
Dr. Ernst Benischke MBA, Ärztlicher Leiter, Geschäftsführer<br />
und Visionär des Allgemein öffentlichen Krankenhauses<br />
des Deutschen Ordens in Friesach spricht über Zukunft,<br />
Herausforderungen und Nachhaltigkeit.<br />
Die heilsame Wirkung des<br />
Lachens wird durch den Verein<br />
„Humormedizin“ seit einem Jahr<br />
erfolgreich praktiziert.<br />
Foto: DOKH Friesach<br />
Wir wollen die Gesundheitsdrehscheibe<br />
des Nordens werden. Foto: DOKH Friesach<br />
—————————————<br />
„Es ist längst an der<br />
Zeit, den Primärversorgungszentren<br />
grünes Licht<br />
zu geben.“<br />
—————————————<br />
<strong>advantage</strong>: Sie kommunizieren ganz<br />
offensiv den Begriff „Innovation“ für<br />
das DOKH. Was darf man konkret<br />
darunter verstehen?<br />
Dr. Ernst Benischke: Das DOKH Friesach<br />
befindet sich gemäß den Vorgaben des<br />
Regionalen Strukturplanes 2020 in einer<br />
Veränderungsphase. Wir haben darauf im<br />
Herbst 2017 reagiert und vor allem auf der<br />
Abteilung Chirurgie vermehrt auf das<br />
Erb ringen von tagesklinischen Leistungen<br />
umgestellt. Die Abteilung wird <strong>2019</strong> neben<br />
der wichtigen Basisversorgung vornehmlich<br />
wochenklinische und tagesklinische Leistungen<br />
erbringen, also Operationen durchführen,<br />
die kurze Spitalsaufenthalte implizieren.<br />
Diese Leistungen nehmen stark zu.<br />
Daher erfolgte auch der Zubau des tagesklinischen<br />
Traktes, der fast autonom vom stationären<br />
Krankenhausgeschehen im Oktober<br />
<strong>2019</strong> eröffnet wird. Unser Konzept der<br />
ganzheit lichen Versorgung auf Basis christlicher<br />
Werte, einer Extraportion Menschlichkeit<br />
und Achtsamkeit durch unsere<br />
Ärzte, Pflegeteams, Sportwissenschaftler,<br />
Humormediziner und Seelsorger, die<br />
gelebte Verantwortung für Umwelt und<br />
Gesellschaft, das Zusammen spiel von Schulund<br />
Alternativmedizin, innovative Behandlungsmethoden<br />
sowie spezielle Therapien<br />
unterscheiden uns grundlegend von<br />
anderen. Wir investieren in ein Kaltplasmagerät<br />
zur besseren Heilung von chronischen<br />
Wunden, in ein neues Operationsmikroskop<br />
für die Unfall chirurgie, einer neuen<br />
Endoskopieausstattung auf der Internen<br />
Abteilung und wir werden die Hotelkomponente<br />
durch den Umbau der Sonderklassezimmer<br />
weiter ausbauen. Wir entwickeln<br />
aber ebenso in punkto Nachhaltigkeit<br />
unseren innovativen Weg, um die<br />
Sustainable Development Goals der Vereinten<br />
Nationen zu erreichen, die wir uns vorgenommen<br />
haben. Wir haben uns die Ziele,<br />
beim Personal, bei der Infrastruktur, bei<br />
definierten Projekten mit Partnern,<br />
Vereinen und NGO’s gesteckt. Damit<br />
öffnet das Management das Krankenhaus<br />
der Öffentlichkeit auf vielfältige Weise und<br />
dies be gleitet uns auf unserem Weg zur<br />
Gesundheitsdrehscheibe des Nordens.<br />
Seit Jänner <strong>2019</strong> bieten Sie im<br />
Bezirk St. Veit an der Glan eine<br />
mobile Versorgung an. Was<br />
bedeutet „Ambulante Geriatrische<br />
Remobilisation“?<br />
Geriatrische Remobilisation, die bisher nur<br />
im Krankenhaus durchgeführt wurde, wird<br />
ambulant im Wohnumfeld des betroffenen<br />
Patienten angeboten. Mobile Teams, bestehend<br />
aus Ärzten, Physiotherapeuten, klinischen<br />
Psychologen und Mitarbeitern des<br />
sozialen Dienstes kommen nach Hause und<br />
versorgen den Patienten über einen gewissen<br />
Zeitraum und bemühen sich, seine Defizite<br />
zu verbessern. Zusammengefasst wird also<br />
versucht, die Krankenhauseinweisung zu<br />
vermeiden, den stationären Aufenthalt zu<br />
verkürzen und die allgemeine Pflegebedürftigkeit<br />
hinauszuzögern.<br />
Das Gesundheitssystem ist im<br />
Umbruch. Worauf müssen sich<br />
Krankenhäuser der Zukunft<br />
einstellen?<br />
Die Zentralisierung von Leistungen wird<br />
schnell vorangehen. Die Spitäler der<br />
Zukunft werden für Ihren Leistungskatalog<br />
hohe Spezialisierungsgrade aufweisen. Nicht<br />
jedes Krankenhaus kann alles anbieten,<br />
daher werden Kooperationen zwischen den<br />
Häusern immer wichtiger. Da spielt auch<br />
der Fachärztemangel eine Rolle. Ein digitaler<br />
Austausch zwischen Ärzten in geographisch<br />
getrennten Anstalten wird zunehmend<br />
wichtiger werden. Auch die Pflegeberufe<br />
werden sich wandeln und immer mehr<br />
Aufgaben übertragen bekommen.<br />
Ihr Appell an die öffentliche Hand?<br />
Mehr Mut, schnellere Entscheidungen,<br />
öfters über den Tellerrand hinausblicken.<br />
Wir hören immer: Die Ärzte gehen nach<br />
Deutschland. Aber warum tun sie das und<br />
wie können wir diese Abwanderungen aufhalten?<br />
Seitens der öffentlichen Hand gibt<br />
es dazu keine einheitlichen Konzepte. Wir<br />
brauchen eine deutliche Ansiedlung von<br />
Jungärzten. Ich leitete 4 Jahre eine Klinik in<br />
Norddeutschland. Dabei bekommt man<br />
tiefe Einblicke in das deutsche Gesundheitssystem.<br />
Viele Entwicklungen, gute und<br />
schlechte, kommen erst Jahre später in<br />
Österreich zur Anwendung. Beispiel Primärversorgungszentren:<br />
In Deutschland werden<br />
selbige vor den Spitälern eingesetzt, um dem<br />
Patienten den direkten Zugang zur Spitalsambulanz<br />
zu erschweren. In Kärnten werden<br />
erst jetzt mögliche Verträge ausgehandelt<br />
und die Bewerbungsverfahren können<br />
nicht beginnen. Dabei wäre es von größter<br />
Wichtigkeit, den Patientenstrom endlich zu<br />
leiten und die Patientenflut in die Spitalsambulanzen<br />
zu stoppen. Ich habe den Eindruck,<br />
dass einige Entscheider Angst haben,<br />
den ersten Schritt zu tun. Außerdem darf<br />
das Gesundheitssystem nicht immer nur als<br />
Thema mit „Sparpotential“ gesehen werden.<br />
Es ist ja in Wahrheit ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor,<br />
der stetig wächst.<br />
Zurzeit ist die Angst rund um<br />
Krankheiten wie Masern, Röteln,<br />
Mumps etc. wieder omnipräsent. Wie<br />
stehen Sie persönlich zur Impfpflicht?<br />
Pflichten oder Sanktionen sehe ich kritisch.<br />
Wichtig ist, zum richtigen Zeitpunkt die<br />
Zielgruppe zu informieren und über die teilweise<br />
großen Risiken des „Nicht geschützt<br />
seins“ aufzuklären. Welche dramatischen<br />
Auswirkungen nicht geimpft zu sein auf sich<br />
selbst, aber auch auf die Umwelt haben<br />
kann, konnten wir bei der jüngsten Masernfällen<br />
sehen. Daher muss auch auf die<br />
Selbstverantwortung, die Auswirkung auf<br />
Mitmenschen verstärkt eingegangen werden.<br />
Die moralische Pflicht ist hier deutlich<br />
anzusprechen. Elektronische Impfpässe<br />
könnten verschiedensten Gesundheitseinrichtungen<br />
einen besseren Überblick über<br />
den Impfstatus geben, aber das sind<br />
politische Entscheidungen, die eben baldigst<br />
zu treffen sind. Die Gesellschaft braucht ein<br />
gelebtes Miteinander und mehr allgemeine<br />
Achtsamkeit auf allen Ebenen. Nur so wird<br />
eine lebenswerte Zukunft für die nächsten<br />
Generationen möglich sein. |