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VATER- UND MUTTER-<br />
SCHAFTSURLAUB<br />
Am 18. Oktober 2017 hatte der Bundesrat die Initiative<br />
«Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen<br />
der ganzen Familie» dem Parlament zur Ablehnung empfohlen.<br />
Als Hauptgrund führte er das Mehr an Kosten auf,<br />
welche die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beeinträchtigen<br />
würden. Am selben Tag fasste der Bundesrat<br />
den Entschluss, das Projekt «Sion 2026» – die Schweizerische<br />
Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2026<br />
– zu unterstützen, und zwar mit einem Budget von rund<br />
einer Milliarde Franken. Die Frage wurde laut, für wen der<br />
Bundesrat eigentlich Politik mache – für Mütter, Väter, Kinder<br />
und Familien oder für Olympia-Sponsoren und Sportmillionäre.<br />
Wie ging diese Geschichte weiter? Was können<br />
wir in Zukunft erwarten? Und wie schlägt sich die Schweiz<br />
im Ländervergleich?<br />
Bislang war einzig der Mutterschaftsurlaub gesetzlich<br />
geregelt. Ist eine erwerbstätige Frau neun Monate vor<br />
der Geburt bei der AHV versichert und hat während fünf<br />
Monaten ihrer Schwangerschaft gearbeitet, so erhält<br />
sie einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 98 Tagen<br />
(14 Wochen) und 80 Prozent des Lohnes in der Form<br />
von Taggeldern. Väter hingegen erlaubte die gesetzliche<br />
Regelung 1-2 Tage, beim Bund angestellte erhielten<br />
deren zehn. Die Initiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub<br />
– zum Nutzen der ganzen Familie» verlangte<br />
vier Wochen Vaterschaftsurlaub. Unterstützt wurde der<br />
Vorstoss von vier Dachverbänden (Travail.Suisse, Männer.<br />
ch als Dachverband von Mütter- und Väterorganisationen,<br />
Alliance F und Pro Familia Schweiz) sowie über 160 Organisationen.<br />
Vielen Politikerinnen und Politikern waren<br />
die vier Wochen jedoch zu viel. Da aber auch ein Tag zu<br />
wenig ist, kam es zu einem Gegenentwurf von zwei Wochen<br />
Vaterschaftsurlaub. Im Mai 2019 hat der Ständerat<br />
entgegen der Empfehlung des Bundesrates diesen mit 26<br />
zu 16 Stimmen angenommen. Im September 2019 folgte<br />
der Nationalrat mit 129 zu 62 Stimmen. Daraufhin hat das<br />
Komitee seine Initiative zurückgezogen und vom Bundesrat<br />
die Umsetzung des neuen Gesetzes innert neun Monaten<br />
(per 1. Juni 2020) gefordert. Zu den weiteren Gegnerinnen<br />
und Gegnern des Vaterschaftsurlaubs gehören vor<br />
allem SVP-Parteiangehörige, einzelne FDP-Räte sowie die<br />
Wirtschaftsverbände. Indes war sogar die Finanzkommission<br />
des Nationalrates der Auffassung, dass die durch den<br />
zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub zusätzlich entstehenden<br />
Kosten von jährlich ca. 229 Millionen Franken tragbar<br />
seien.<br />
<strong>#173</strong> | DEZ ’19 & JAN ’20<br />
17<br />
Grafiken von Luisa Bider mit flourish.studio<br />
Doch mit den gewonnenen zwei Wochen ist das Thema<br />
noch nicht vom Tisch. Die Rede ist von einer gemeinsamen<br />
Elternzeit. Bereits 2016 wurde diesbezüglich schon<br />
ein Vorstoss gemacht. Die vier Dachorganisationen haben<br />
derzeit jedoch noch unterschiedliche Vorstellungen der<br />
genauen Dauer einer solchen. Fest steht jedoch, dass es<br />
fix reservierte Anteile für beide Elternteile gäbe (bei Müttern<br />
mindestens 14 Wochen) und einen Teil, der unter den<br />
Eltern nach eigenem Willen aufgeteilt werden könne. Dies<br />
ist bereits schon in Schweden, Dänemark und Frankreich<br />
der Fall. Hier haben Väter neben der Elternzeit das Recht<br />
auf weitere Freistellungstage. In England beläuft sich der<br />
Vaterschaftsurlaub auf zwei Wochen, in Spanien auf 13<br />
Tage beim ersten, bzw. 15 Tage ab dem zweiten Kind. In<br />
Deutschland und Österreich gibt es dagegen keinen gesetzlichen<br />
Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub. Noch<br />
schlechter geregelt ist es in den USA. Hier existiert nicht<br />
einmal ein gesetzlich geregelter Mutterschaftsurlaub. Das<br />
führt dazu, dass viele Mütter bereits zwei Wochen nach<br />
der Geburt auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. In der<br />
Schweiz ist das Müttern frühestens acht Wochen nach der<br />
Geburt erlaubt. (vhu)