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RCKSTR Mag. #173

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Wie könnte man es jemals vergessen, das erste<br />

Konzert? Bei Laurent Aeberli, eine Hälfte des<br />

Zürcher Duos Laurent & Max, war es eine Show<br />

von Green Day in Basel. «Ich muss da ungefähr elf Jahre<br />

alt gewesen sein und war mit Schulfreunden aus dem<br />

Gymnasium da», erzählt er. «Ich weiss noch, dass<br />

die Band zu diesem Triumphmarsch eingelaufen<br />

kam. Danach spielten sie gleich ‹American<br />

Idiot› und die Leute sind reihenweise umgefallen,<br />

weil es eine riesige Welle nach<br />

hinten gab.» Für die meisten kommt das<br />

erste «richtige» Konzerterlebnis im Teenageralter<br />

– doch wenn man mal ehrlich<br />

ist, geht die musikalische Sozialisation<br />

schon viel früher los, und zwar im Kinderalter.<br />

LAURENT & MAX<br />

Kindermusik gab es schon immer. In Deutschland ist Rolf Zuckowski<br />

so etwas wie der Vater aller Kinderlieder, in der Schweiz standen<br />

Schtärneföifi rund 20 Jahre lang für eine Mischung aus Rock, Pop,<br />

Jazz und Salsa-Klängen. Doch mittlerweile gibt es massenweise gutes<br />

neues Zeug. Also nicht traditionelle Kindermusik mit Blockflöte<br />

und nervtötenden Refrains. Auch nicht «Schni-Schna-Schnappi» oder<br />

der Titelsong von «Bob der Baumeister», von denen man Ohrenbluten<br />

kriegt, wenn die lieben Kleinen sie in Dauerschleife hören, sondern<br />

richtig coole Sachen. Echte Musik, nur eben auf Kinderohren<br />

zugeschnitten.<br />

Genau solcher Musik haben sich Laurent & Max verschrieben. Angefangen<br />

hat alles vor neun Jahren.»„Max und ich organisieren in Zürich<br />

jedes Jahr das Lauterfestival», erzählt Aeberli. «Bei der dritten<br />

Ausgabe stellten wir fest, dass alle unsere Kollegen spielen, nur wir<br />

nicht. Also haben wir beschlossen, selbst auch aufzutreten. Es gab<br />

aber nur noch einen Slot nachmittags draussen. Und weil zu der Zeit<br />

vor allem Eltern mit ihren Kindern kommen, haben wir drei Kinderlieder<br />

geschrieben und aufgeführt.» Dafür texteten Laurent<br />

Aeberli (Gesang und Cajon) und Max Kämmerling<br />

(Gesang und Gitarre) kurzerhand bekannte<br />

Hits um: «Let It Be» von den Beatles wurde<br />

zu «S'Znünibrot», «Born To Be Wild» von<br />

Steppenwolf zu «S'Mami häts gseit» und «Sweet Home Alabama» von Lynyrd<br />

Skynyrd zu «D'Zweierreihe» – allesamt versehen mit frechen Mundarttexten.<br />

«Wir wollten, dass die Musik nicht nur den Kindern gefällt, und<br />

wir dachten, wenn wir die Erwachsenen mit den Melodien abholen, die<br />

sie kennen und früher vielleicht mochten, dann haben wir sie auch im<br />

Sack», so Aeberli. «Gleichzeitig werden die Jüngeren an die Hits von früher<br />

herangeführt. Weil es unsere Songs ja damals noch nicht zu kaufen<br />

gab, war unsere Hoffnung, dass die Eltern den Kindern Zuhause dann die<br />

Originale zeigen und so eine Art Dynamik entsteht.»<br />

Greatest Hits, generationenübergreifend<br />

Tatsächlich kam der Auftritt von Laurent und Max so gut an, dass sie beschlossen,<br />

weiterzumachen. Sie spielten auf Sommerfesten, in Schulen,<br />

auf Partys, bei Freunden oder auch richtigen Musiklokalen. 2018 erschien<br />

schliesslich ihr erstes Album «Greatest Hits». Ihrem Konzept, grosse Hits<br />

kindgerecht neu zu interpretieren, sind sie darauf treu geblieben, allerdings<br />

gesellen sich zu alten Klassikern von Queen, ABBA und den Rolling<br />

Stones auch aktuelle Songs von Miley Cyrus, Lady Gaga, Faber und Birdy.<br />

Die Zielgruppe von Laurent und Max ist im Grundschulalter – irgendwo<br />

zwischen der vierten und sechsten Klasse. «Neulich haben wir aber auch<br />

als Support von Faber gespielt und da waren gar keine Kinder im Publikum»,<br />

erzählt Aeberli. Ihre Show kam trotzdem an. «Unser Anspruch<br />

ist eben, nicht nur Dödelmusik zu machen. Wir sagen auch immer, wir<br />

spielen ganz normale Konzerte. Es gab schon Momente, wo uns der Veranstalter<br />

dafür kritisiert hat, dass wir zu wenig Animation gemacht haben,<br />

also Sachen wie Tanzen oder Mitklatschen. Aber wir machen keinen<br />

Zirkus, wir machen Musik.»<br />

Laurent & Max sind damit keineswegs alleine. Unter dem Namen D!E<br />

GÄNG macht Ohrbooten-Sänger Ben Pavlidis zusammen mit seiner Tochter<br />

und ihren Freunden sowie Gästen wie Johnny Strange (Culcha Candela)<br />

und Robert Gwisdek (Käptn Peng) eingängige Reggae-Musik fürs Kinderzimmer.<br />

Für moderne Kinderlieder – von ruhig bis rockig, von albern<br />

bis anspruchsvoll – steht auch die Compilation-Reihe «Unter meinem<br />

Bett». Mittlerweile gibt es fünf Teile, zu den bisher vertretenen Musikern<br />

gehören Ärzte-Drummer Bela B, Dokter Renz von Fettes Brot, Das Bo,<br />

Clueso, Pohlmann, Andreas Dorau, Olli Schulz, Gisbert zu Knyphausen,<br />

Enno Bunger und Deniz Jaspersen von Herrenmagazin. Und dann sind<br />

da noch Deine Freunde aus Hamburg – die Überflieger in Sachen coole<br />

Kindermusik. Seit 2012 schreiben sie Kinderlieder mit feinsten Beats und<br />

einer grossen Portion Wortwitz.<br />

Und am Ende bleiben die Eltern<br />

Auch bei Deine Freunde fing alles ganz zufällig an. Florian Sump, früher<br />

Mitglied der Gruppe Echt, arbeitete damals als Erzieher und wollte einen<br />

Song für die Kinder in seiner Kita aufnehmen. Dafür besuchte er das<br />

Studio des Musikproduzenten Markus Pauli, seines Zeichens Live-DJ von<br />

Fettes Brot. Gemeinsam mit dem späteren Tigerenten-Club-Moderator<br />

Lukas Nimscheck spielten sie das Lied «Schokolade» ein. Mit dem Ergebnis<br />

waren sie so zufrieden, dass sie beschlossen eine Band zu gründen.<br />

«Wir haben schon gedacht, dass das vielleicht ein paar Leute ganz lustig<br />

finden würden, aber es gab nie das Konzept Weltherrschaft – und da sind<br />

wir ja jetzt kurz davor», lacht Lukas Nimscheck.<br />

In der Tat füllen Deine Freunde in Deutschland inzwischen die grössten<br />

Hallen und wurden gerade auch als Juroren für die neue Staffel von «The<br />

Voice Kids» bestätigt. Der Grund für ihren Erfolg: Deine Freunde heben in<br />

ihren Songs nicht den Zeigefinger, sondern verbünden sich mit den Kids.<br />

Es geht nicht darum, die Kinder zu erziehen, sondern ihre Gefühle und<br />

ihren Alltag mit viel Wortwitz abzubilden. Das gilt auch für ihr fünftes<br />

Album «Helikopter», das gerade erschienen ist. Irgendwo zwischen lässigem<br />

Hip-Hop, eingängigem Pop, Elektro-Sounds á la Deichkind, Autotune-Effekten<br />

wie bei Rapper RIN und Falko-Sprechgesang rappen die drei<br />

von nervigen Eltern, die ständig Fotos machen wollen («Cheese»), von<br />

schlechten Aprilscherzen («April, April») und angsteinflössenden Hausmeistern<br />

(«Wenn der Hausmeister kommt»). Wie schaffen sie es, die Kinder<br />

in ihrer Lebenswelt abzuholen? „Das meiste sind echt Erinnerungen.<br />

<strong>#173</strong> | DEZ ’19 & JAN ’20<br />

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