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(HEIM)KINO<br />
<strong>#173</strong> | DEZ ’19 & JAN ’20<br />
42<br />
UDO<br />
UNMASKED<br />
Ohne Hut, selten mit Brille: Die filmische Biografie von Udo Lindenberg konzentriert sich auf den Beginn<br />
seiner Karriere – und eine Zeit, als Rockmusik die deutsche Sprache lernte. (rec)<br />
Spätestens seit dem Kassen- und Oscar-Erfolg von «Bohemian Rhapsody»<br />
ist in der Filmindustrie wieder ein Fieber ausgebrochen – und das<br />
einzige Rezept dagegen ist more cowbell mehr Musik-Biopics! Gefühlt<br />
jeder, der schon mal vor mehr als 10’000 Leuten ans Mikrofon getreten<br />
ist, kriegt demnächst das eigene Leben verfilmt; in Planung sind unter<br />
anderem Grossproduktionen zu Boy George, David Bowie, Céline Dion<br />
und, äh, Michael Jackson – was kann da schon schief gehen. Nichtsdestotrotz:<br />
Eine sichere Bank sind solche Streifen nicht, erst recht bei den<br />
glühendsten Fans jener Acts. «Bohemian Rhapsody» mag eine opulent<br />
inszenierte «Greatest Hits»-Show geworden sein, gleichzeitig biegt sich<br />
der Film die Geschichte von Queen und das Leben von Freddie Mercury<br />
im Speziellen etwas gar sehr zurecht für die maximale Ego-Schmeichelei<br />
der verbleibenden Bandmitglieder (und Co-Produzenten) Brian May und<br />
Roger Taylor.<br />
Natürlich soll eine Musikbiografie kein trüber Faktenhagel sein; künstlerische<br />
Freiheiten und erzählerische Kniffe sind ein probates Mittel, um die<br />
aussergewöhnlichen Karrieren ihrer Subjekte unterhaltsam abzubilden<br />
- «Rocketman» gelang es beispielsweise auf fantastische Weise, Elton<br />
Johns Universum einzufangen. Auch, weil der Film einen ungeschönten<br />
Blick in die Abgründe warf, aus denen seine Höhenflüge überhaupt erst<br />
erfolgen konnten. Die Frage, was einen Künstler zu seinem Werk bewegt<br />
hat – und wie dieses Werk wiederum die Welt bewegte – sollte stets im<br />
Mittelpunkt stehen.<br />
Ein Leben wie das von Udo Lindenberg liefert dabei gewiss Potential<br />
für eine Menge spannender Antworten. <strong>Mag</strong> ihn speziell ein jüngeres<br />
Publikum insbesondere als jenen Schlapphut-und-Sonnenbrillen-Onkel<br />
kennen, der ab und zu ein paar nur schwer verständliche Schnoddrigkeiten<br />
über den Zustand der Welt abgibt, konzentriert sich «Lindenberg!<br />
Mach dein Ding» auf jene Zeit, als ein junger Mann aus der deutschen<br />
Vorstadt-Pampa noch ganz am Anfang einer Karriere stand, in deren<br />
Verlauf ganz Grosses entstehen würde. So wurde aus dem gefragten<br />
Jazz-Schlagzeuger ein gewitzter Sänger, der dem Rock das Deutsch<br />
beibrachte zu einer Zeit, als lediglich die «Schlageraffen» in dieser Sprache<br />
trällern durften. Und mag sich Hasselhoff noch so mit dem Mauerfall<br />
schmücken: Es war die Musik von Lindenberg, die Ost- und Westdeutschland<br />
noch längst vor der Wiedervereinigung zusammenschweisste. «Lindenberg!<br />
Mach dein Ding» erzählt damit nicht<br />
nur den Aufbruch eines Session-Musikers zur<br />
Pop-Ikone, sondern den eines ganzen Landes in<br />
turbulenten, hoffnungsvollen Zeiten.<br />
HUT AB!<br />
LINDENBERG!<br />
MACH DEIN DING<br />
VON HERMINE HUNTGEBURTH<br />
MIT JAN BÜLOW, DETLEV BUCK, RUBY O. FEE<br />
Hamburger Kiez, libysche Wüste, ein geteiltes<br />
Berlin – und da hat er noch nicht mal sein<br />
erstes Solo-Konzert gespielt: Das Leben von<br />
Udo Lindenberg bietet Stoff und Kulissen für<br />
mindestens zwei weitere Filme. Es sind diese<br />
aufregenden Stationen und ein ausgezeichneter<br />
Hauptdarsteller (Jan Bülow), welche die<br />
manchmal etwas gar klischierte «Sex, Drogen,<br />
Rock und Roll»-Inszenierung von der, no shit,<br />
«Bibi Blocksberg»-Regisseurin wett machen.<br />
Selbst Non-Fans kommen da womöglich auf<br />
den Geschmack, das Genie Lindenbergs beim<br />
zweiten Hinhören doch noch zu entdecken.<br />
wwwvv<br />
Ab 23.1. im Kino