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BERLINER KURIER, Sonnabend, 14. Dezember 2019<br />
In der Halle ist es immer<br />
26 Grad warm und fast<br />
alle Gäste laufen in<br />
Badekleidung herum.<br />
Mit 44 Euro für Erwachsene<br />
ist die Tageskarte knapp doppelt<br />
so teuer wie in Brandenburgs<br />
vielen Thermen. Die sind<br />
meist 14 Stunden geöffnet, hier<br />
sind es 24. Das Angebot ist auch<br />
deutlich größer. Es gibt riesige<br />
Rutschen, Zelte zum Übernachten<br />
und Ballonfahrten.<br />
Doch gibt es auch ganz klar eine<br />
Negativ-Seite. Von Anfang<br />
an müssen sich die Betreiber<br />
damit auseinandersetzen, dass<br />
sie von einigen als Umweltsünder<br />
angesehen werden. Denn<br />
die riesige Luftschiffhalle ist<br />
für die jetzigen Zwecke eigentlich<br />
viel zu hoch. Es wird sehr<br />
viel Energie benötigt, um die<br />
gewaltige Luftmenge auch im<br />
tiefsten Winter auf 26 Grad zu<br />
beheizen. Die Betreiber argumentieren<br />
in Zeiten der sogenannten<br />
Flugscham damit, dass<br />
ein Besuch in der Tropenhalle<br />
deutlich umweltfreundlicher<br />
ist, als mal schnell für ein verlängertes<br />
Wochenende nach<br />
Mallorca zu fliegen –wie noch<br />
vor kurzem üblich. „Wir lassen<br />
gerade unseren Kohlendioxid-<br />
Fingerabdruck ermitteln“, sagt<br />
Sprecher Möller. „Wir haben<br />
Plastik aus dem Sortiment genommen<br />
und Einweggeschirr.<br />
Zum Beispiel sind die Gläser an<br />
der Bar mit Pfand. In jeder Abteilung<br />
wird geprüft, wie und<br />
wo wir noch nachhaltiger werden<br />
können.“<br />
Ein paar Leute in Badesachen<br />
sitzen nach dem Mittagessen an<br />
der balinesischen Bar und trinken<br />
Cocktails. Andere liegen<br />
am Strand, machen Sudoku<br />
oder spielen am Handy. Eltern<br />
hängen im Liegestuhl ab, ihre<br />
Kinder toben im Wasser.<br />
Im Sommer stehen die Kids<br />
Schlange vor dem bundesweit<br />
längsten Wildwasserkanal, und<br />
auch im Winter ist draußen im<br />
warmen Wasser richtig was los.<br />
Es ist eine eigene Welt. Und<br />
das an 364 Tagen im Jahr –nur<br />
am Weihnachtsabend ist die<br />
Halle geschlossen und alle<br />
haben frei. Fast alle.<br />
Täglich komme bis zu<br />
5000 Gäste in die<br />
Tropenhalle. Dortarbeiten<br />
40 Rettungsschwimmer.<br />
Ein Bau der Superlative: Es ist die größte<br />
freitragende Halle der Welt.360 Meter lang,<br />
210 Meter breit,107 Meter hoch<br />
Fotos: dpa, Blankennagel, imago images<br />
Denn es gibt da noch die<br />
Jungs, die hinter der Halle stationiert<br />
sind. Wie in jeder<br />
Kleinstadt gibt es eine Feuerwehr<br />
mit 46 Kollegen und zwei<br />
Einsatzfahrzeugen. „Bei uns<br />
sind an jedem Tag des Jahres<br />
rund um die Uhr acht Kollegen<br />
im Dienst“, sagt Feuerwehrchef<br />
André Pöschk. Dabei immer<br />
ein Sanitäter, der am meisten<br />
zu schuften hat. Bislang gab<br />
es 2000 Sanitätereinsätze und<br />
900 Feuerwehr-Alarmierungen<br />
–aber nur 20 reale Brände.<br />
Meist ist es Fehlalarm, weil irgendjemand<br />
einen Notknopf<br />
gedrückt hat. Einmal brannte<br />
der Dachstuhl eines Gebäudes.<br />
„Sonst brennt in der Halle mal<br />
ein Papierkorb oder jemand<br />
lässt ein Handtuch auf einer<br />
Lampe liegen“, sagt er. Auf dem<br />
Parkplatz brannte auch mal ein<br />
Auto aus, oder sie müssen in<br />
der Nachbarschaft zu einem<br />
Waldbrand oder Verletzte nach<br />
einem Unfall retten.<br />
Alles wie im realen Leben.<br />
Der Herr<br />
der 1000<br />
Palmen<br />
Der Mann stammt<br />
aus Schleswig-Holstein,<br />
aber er hat Dd den perfekten englischen<br />
Namen für den Job, den er<br />
in<br />
der Tropenhalle wahrnimmt.<br />
Der oberste Gärtner<br />
–der Herr über Tausende<br />
Palmen – heißt<br />
Green. Bernd Green ist 56<br />
Jahre alt und diplomierter<br />
Forstingenieur. Er ist seit<br />
bald 15 Jahren dabei, also<br />
fast von Anfang an. „Ich bin<br />
wegen der Tropen in den<br />
Unterspreewald gezogen.“<br />
Er koordiniert die Arbeit<br />
der 15 Leute. Er erzählt,<br />
dass es den Palmen anfangs<br />
gar nicht gut ging in der<br />
Halle, weil es zu dunkel<br />
war. Also wurde auf einer<br />
Seite der Halle das Metalldach<br />
entfernt und riesige<br />
Folienplanen eingebaut. So<br />
kommt nun ausreichend<br />
Licht an die Palmen.<br />
„Kein Mensch weiß genau,<br />
wie viele Pflanzen wir<br />
hier haben“, sagt er. „Es<br />
sind 500 verschiedenen Arten<br />
und etwa 50000 bis<br />
60000 einzelne Pflanzen.“<br />
Und zu den Aufgaben gehören<br />
auch noch 630 Hektar<br />
Außenfläche. Die Tropenwelt<br />
ist zwar eine<br />
künstliche, aber die Pflanzen<br />
sind echt. Deshalb gibt<br />
es auch echtes Ungeziefer.<br />
Das wird hier ganz vorbildlich<br />
100-prozentig biologisch<br />
bekämpft. Eine Spezialfirma<br />
liefert Nützlinge,<br />
die dann andere Insekten<br />
töten.<br />
Die Frau<br />
für die<br />
Sicherheit<br />
Christin Riedel sieht<br />
so aus, als würde sie<br />
nicht hierher gehören<br />
– unter Palmen. Sie<br />
macht eine ihrer Runden.<br />
Die Gäste tragen Bikini und<br />
Badehose. Die 28-Jährige<br />
aber trägt eine dunkle Hose<br />
mit Bügelfalte und eine<br />
weiße Bluse. Ihr Blick<br />
streift unablässig durch die<br />
riesige Halle, geht am Boden<br />
entlang, in die Gänge,<br />
in die Ecken. Wo stimmt etwas<br />
nicht? Wo könnte sich<br />
für die bis zu 5000 Besucher<br />
pro Tag ein Problem<br />
ergeben? „Meine Aufgabe<br />
ist das Safety Management“,<br />
sagt die 28-Jährige.<br />
Es geht nicht um Taschenkontrollen<br />
am Einlass, sondern<br />
um die grundsätzliche<br />
Hallensicherheit: Sind die<br />
Baustellen so gesichert,<br />
dass sich niemand verletzt?<br />
Sind Fluchtwege verstellt?<br />
„Ich bin die Frau mit dem<br />
erhobenen Zeigefinger“,<br />
sagt sie. Es gibt 40 Rettungsschwimmer,<br />
und sie<br />
überprüft, ob die tatsächlich<br />
so postiert sind, dass<br />
sie alle toten Winkel an den<br />
geschwungenen Seen und<br />
Becken überschauen können.<br />
„Auch wenn ich essen<br />
gehe, schaue ich immer, ob<br />
es irgendwo eine Fehlerquelle<br />
gibt“, sagt sie. Das<br />
sei nun mal eine Art Berufskrankheit.<br />
„Ich sehe<br />
die Schwachstellen auch<br />
sofort beim Einkauf in einem<br />
Supermarkt oder in einem<br />
Kino.“