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Berliner Kurier 05.01.2020

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18 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 5. Januar 2020<br />

Wir sind ganz<br />

Ohr<br />

Einst stand er bei Oma in der guten Stube<br />

und war der Inbegriff von Gemütlichkeit,<br />

irgendwie aber auch altbacken und<br />

bieder.Jetzt erlebt der Ohrensessel ein<br />

Comeback.Zeitgemäß im neuen Gewand<br />

und garnicht mehr so verstaubt.<br />

Wie auf einer Insel<br />

im Raum, abgeschirmt<br />

und<br />

weich gepolstert,<br />

so fühlt man sich darin.<br />

Der Ohrensessel ist seit jeher<br />

ein Möbel der Vereinzelung,<br />

auf dem man sich selbstdarstellerisch<br />

niederlassen oder herrlich<br />

selbstvergessen fläzen<br />

kann. Um zu lesen oder klassische<br />

Musik zu hören, um auf<br />

dem Smartphone zu spielen, zu<br />

streamen oder einfach nur in<br />

die Luft zu gucken. Großzügig<br />

dimensioniert und skulptural,<br />

war und ist diese Sitzgelegenheit<br />

nicht dazu gedacht, um zur<br />

Sitzgruppe arrangiert zu werden.<br />

Als Ohrensessel sich Ende des<br />

17. Jahrhunderts zunächst in<br />

Frankreich, Holland und England,<br />

dann in Deutschland im<br />

wörtlichen Sinne breitmachten,<br />

ging es vor allem um Repräsentation,<br />

um individuellen<br />

Stolz auf Erreichtes –und um<br />

Komfort. Das Barock war eine<br />

prosperierende Epoche. In<br />

Schlössern wie Herrenhäusern<br />

wurde der zügig anwachsende<br />

Wohlstand gern zur Schau gestellt<br />

und führte gleichzeitig<br />

zum Wunsch nach mehr Bequemlichkeit,<br />

erläutert Dr.<br />

Henriette Graf, Möbelhistorikerin<br />

und Kustodin bei der Stiftung<br />

Preußische Schlösser und<br />

Gärten. „Das Aund Owar schon<br />

damals der Komfort eines Sessels,<br />

also eine möglichst gekonnte<br />

Polsterung“, weiß die<br />

Expertin. Ein besonders findiger<br />

Polsterer muss es gewesen<br />

sein, der den ersten Ohrensessel<br />

erfand. Denn eine Erfindung<br />

war es, als er die hohe Rückenlehne<br />

eines gepolsterten<br />

Barocksessels mit stoffbespannten<br />

Holzpaneelen flankierte,<br />

die –ähnlich wie schmale,<br />

gepolsterte Fensterläden –<br />

jeden Luftzug vom Sitzenden<br />

abhielten.<br />

Daher stammt auch der englische<br />

Ausdruck für Ohrensessel:<br />

„Wing Chair“, Flügelsessel.<br />

Mit Nägeln fixierte Polster<br />

machten den Ohrensessel dann<br />

endgültig zum Statusgegen-<br />

Armchair 3543<br />

Oxford von<br />

Svenskt Tenn –<br />

hier mit dem<br />

Bezugsstoff<br />

„Aralia“ von<br />

Josef Frank.<br />

svenskt tenn

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