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Berliner Kurier 16.01.2020

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*<br />

POLITIK<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Jan Sternberg<br />

Achtung, der Chef<br />

Eine Bewegung<br />

namens Luisa<br />

Das neue Jahr ist noch<br />

nicht einmal drei Wochen<br />

alt, und Luisa Neubauer<br />

von Fridays forFuture dominiert<br />

schon die Nachrichten.<br />

Ganz ohne Massendemos<br />

oder Klimastreik.Die jungen<br />

Klimarebellen haben ihre<br />

Strategie verändert und mal<br />

wieder alles richtig gemacht.<br />

Die Bewegung ändert ihre<br />

Vorgehensweise: Sie sucht<br />

sich Adressaten, Verbündete<br />

und variiert die Protestformen.<br />

Die weltweite Kampagne<br />

gegen die Adani-Kohlemine<br />

in Australien läuft schon<br />

lange –Aufmerksamkeit hierzulande<br />

bekam sie erst, als<br />

mit Siemens ein Konzern attackiert<br />

wurde, der eigentlich<br />

versucht, sich an die Spitze<br />

grüner Technologien zu setzen.<br />

Auch die „Klimaklagen“<br />

gegen die Bundesregierung<br />

laufen schon lange –die Allianz<br />

mehrerer Umweltverbände<br />

bekommt durchNeubauer<br />

zusätzliche Aufmerksamkeit.<br />

Fridays for Future ist immer<br />

stärker das, was Luisa Neubauer<br />

tut. Das kann zum<br />

Problem werden. Das liegt<br />

weniger an ihr –die Hamburgerin<br />

ist zur Vollzeit-Aktivistin<br />

geworden undspielt ihre<br />

Karten beeindruckend klug.<br />

Doch die Entfernung zu den<br />

Schülerinnen undSchülern<br />

im Land könnte wachsen.<br />

MANN DESTAGES<br />

Armin Laschet<br />

Angesichts zunehmender Gewalt<br />

und Hetze gegen Amtsträger<br />

hat NRW-Ministerpräsident<br />

Armin Laschet<br />

(CDU, 58)<br />

eine größere<br />

Wehrhaftigkeit<br />

der Demokratie<br />

angemahnt.<br />

Die Selbstbewaffnung<br />

eines Bürgermeisters<br />

sei nicht die<br />

richtige<br />

Antwort auf Bedrohungen<br />

durch Rechtsextremisten,<br />

sagte er der „Neuen Westfälischen“.<br />

Es müsse aber alle<br />

alarmieren, dass sich der<br />

Bürgermeister von Kamp-<br />

Lintfort bewaffnen will.<br />

Foto: imago/Becker&Bredel<br />

Foto: M. Gann/Imago Images, Annette Riedl/dpa<br />

zählt die Stunden<br />

Heil (SPD) bereitet Arbeitszeiterfassungsgesetz vor.Betriebe müssen Überstunden dokumentieren<br />

Berlin – Betriebe müssen<br />

schon bald die Arbeitszeiten<br />

ihrer Mitarbeiter lückenlos<br />

erfassen. So will es ein Urteil<br />

des Europäischen Gerichtshofs<br />

(EuGH) aus dem vorigen<br />

Sommer. Das Bundesarbeitsministerium<br />

von Hubertus<br />

Heil (SPD) arbeitet nun an<br />

einem entsprechenden Gesetz.<br />

Wird es auf pingelige<br />

Kontrollen oder den Schutz<br />

vor Ausbeutung hinauslaufen?<br />

Experten warnen vor<br />

einer Überregulierung.<br />

Die meisten Deutschen müssen<br />

bisher nur Überstunden und<br />

Sonn- und Feiertagsarbeit dokumentieren<br />

(Regelarbeitszeit:<br />

maximal 48 Stunden/Woche).<br />

Eine vollständige Erfassung der<br />

Arbeitszeit ist bisher nur bei<br />

LKW-Fahrern, Bauarbeitern,<br />

in Gaststätten und in der<br />

Fleischwirtschaft vorgeschrieben.<br />

„Es muss nicht alles komplett<br />

auf den Kopf gestellt werden,<br />

aber einzelne Elemente<br />

müssen angepasst werden“, erklärte<br />

eine Sprecherin von Heil.<br />

Die Umsetzung des Urteils solle<br />

verhältnismäßig geschehen<br />

und übermäßige Bürokratie<br />

solle vermieden werden, hatte<br />

der Bundesarbeitsminister versprochen.<br />

Der Rechtswissenschaftler<br />

Frank Bayreuther schlägt in<br />

einem Gutachten folgende Vorschrift<br />

vor: „Der Arbeitgeber ist<br />

verpflichtet, Beginn, Ende und<br />

Dauer der täglichen Arbeitszeit,<br />

jeweils am Tag der<br />

Arbeitsleistung aufzuzeichnen.“<br />

Er solle den Arbeitnehmer<br />

damit beauftragen können.<br />

Die Arbeitnehmer sollen das<br />

Recht auf Einsicht in die über<br />

sie geführtee Zeiterfassung bekommen.<br />

Möglich seien etwa<br />

eine Aufzeichnung in Papierform,<br />

eine Erfassung in elektro-<br />

durch Compu-<br />

nischer Form,<br />

terprogramme oder über elekt-<br />

Laut<br />

des Instituts für<br />

ronische Zutrittsausweise.“<br />

Arbeitsmarkt und Berufsfor-<br />

die Beschäf-<br />

schung machten<br />

tigten in Deutschland alleine im<br />

dritten Quartal 2019 im Durchbezahlte<br />

und 5,4 un-<br />

schnitt 6,2 bezahlte<br />

Überstunden. Der<br />

Deutsche Gewerkschaftsbund<br />

hatte das EuGH-Urteil beder<br />

grüßt, weil „Flat-<br />

Arbeitsminister Hubertus Heil<br />

(SPD) bereitet für Deutschland ein<br />

Arbeitszeiterfassungsgesetz vor.<br />

rate-Arbeit“ damit ein Riegel<br />

vorgeschoben werde.<br />

„Es ist kein Zufall, dass der<br />

arbeitsbedingte Stress in<br />

Deutschland über dem Durchschnitt<br />

der OECD-Länder liegt.<br />

Viele Arbeitnehmer haben das<br />

Gefühl, ständig erreichbar<br />

und auf dem<br />

Sprung sein zu<br />

müssen“, sagt<br />

Arbeitsmarktfor-<br />

scher Alexander Spermann<br />

dem RedaktionsNetzwerk<br />

Deutschland (RND). „Der Gesetzgeber<br />

hat jahrelang geschlafen.<br />

Wir brauchen dringend<br />

eine Anpassung des<br />

Arbeitszeitgesetzes an die digitale<br />

Dienstleistungsgesellschaft<br />

des 21. Jahrhunderts.“<br />

Spermann fordert: „Wir<br />

müssen uns lösen vom starren<br />

8-Stunden-Tag des Industriezeitalters.<br />

Sinnvoller wäre es,<br />

eine Wochen- oder sogar Monatsarbeitszeit<br />

zu definieren,<br />

die aber große Flexibilität zulässt.<br />

Ein schwerer Fehler wäre<br />

es, bei der Zeiterfassung alles<br />

minutiös regeln und überwachen<br />

zu wollen. Wir brauchen<br />

keine Orwellschen Verhältnisse.<br />

Ohne Vertrauen wird es<br />

auch künftig nicht zwischen<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

gehen.“<br />

Der Experte will auch die<br />

Freizeit neu regeln: „Innovativ<br />

wäre es, auch eine verbindliche<br />

,Vertrauensruhezeit‘ ins Gesetz<br />

aufzunehmen –ein klar definiertes<br />

Zeitfenster, in dem<br />

Mails checken, im Netz recherchieren<br />

und dienstlich telefonieren<br />

tabu ist. Das würde<br />

die gesellschaftliche<br />

Akzeptanz für echte<br />

Ruhephasen<br />

erhöhen –und<br />

den Stress reduzieren.“

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