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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 19 · D onnerstag, 23. Januar 2020 – S eite 9 *<br />
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Berlin<br />
Da ist waslos!<br />
Unsere Seite<br />
aus den Bezirken<br />
Seite 10<br />
Sauber: Die S-Bahn saniert 600 Wagen in Halle Seite 12<br />
Sauberer: Ist Berlin ohne Verbrennungsmotoren realistisch? Seite 12<br />
Stadtbild<br />
Das Leben<br />
geht weiter<br />
Ruth Herzberg<br />
vermisst ihre Schwiegermutter<br />
sehr.<br />
Das Jahr ist noch so jung, aber der<br />
Sensenmann ist schon unterwegs.<br />
ImUmkreis gab es schon vier<br />
Todesfälle und dann geht es ganz<br />
schnell. Die Schwiegermutter<br />
kommt abends ins Krankenhaus<br />
und am nächsten Morgen erwacht<br />
sie nicht mehr. Der Schock ist groß.<br />
Auch wenn es eigentlich die Ex-<br />
Schwiegermutter war,denn ihr Sohn<br />
–der Vater meiner Kinder –und ich<br />
sind nicht mehr zusammen. Dennoch<br />
ist es, als würde nun eine der<br />
tragenden Säulen im Leben fehlen.<br />
Die Kinder haben eine ihrer Omas<br />
verloren, mein Ex seine Mutter. Sie<br />
war eine Instanz, sie gab Stabilität,<br />
sie war für uns da. Ich war gern bei<br />
ihr zu Gast.<br />
Sie lebte allein in ihrer kleinen<br />
Wohnung, in der es immer aufgeräumt<br />
und so gemütlich war, wie es<br />
nur bei Omas sein kann. Je älter man<br />
wird, auf desto mehr Beerdigungen<br />
muss man gehen. Diese ist vergleichsweise<br />
„gelungen“ und würde<br />
der Verstorbenen gefallen haben,<br />
obwohl reichlich Tränen fließen.<br />
Auch bei mir. Esist das erste Mal,<br />
dass ich auf einer Beerdigung so ausgiebig<br />
weine, eskommt einfach so.<br />
Ich spüre den Verlust und denke<br />
nicht weiter darüber nach. Diebeste<br />
Freundin der Verstorbenen hält eine<br />
Rede, eine alte Frau. Sie spricht leise<br />
und zu schnell, außerdem versagt<br />
das Mikrofon und sie ist kaum zu<br />
verstehen. Aber das macht nichts.<br />
Als sie das Rednerpult verlässt und<br />
die zwei Stufen hinuntergeht, stützt<br />
sie sich beiläufig und ohne zu zögern,<br />
auf dem Sarg ihrer Freundin ab.<br />
Ichbin gerührt. Sogar noch nach ihrem<br />
Tod ist die Verstorbene ihrer<br />
Freundin eine Stütze.<br />
So eine Beerdigung ist wie eine<br />
Hochzeit: Das Privatleben, also das,<br />
was den Menschen ausmacht, liegt<br />
offen da. Alle wissen, dass mein<br />
Mann und ich getrennt sind. Ich<br />
sehe Menschen und „Ex“-Verwandte<br />
wieder, die ich seit der Trennung<br />
nicht gesehen habe. Wir betrachten<br />
einander genau, suchen nach Veränderungen,<br />
Altersspuren.<br />
Man fragt, wie es mir geht, ich<br />
antworte ungewöhnlich ehrlich und<br />
andersherum ist es genauso. Als wir<br />
aus der Kapelle kommen, ist da dieser<br />
plötzliche starke Sonnenschein,<br />
wie ein letzter Gruß aus dem Jenseits.Ich<br />
kenne ihn schon vonanderenBegräbnissen.<br />
Am Grab ist es wie<br />
bei allen Begräbnissen, bei denen<br />
ich bisher war, plötzlich unendlich<br />
kalt. So kalt, dass man sich auf den<br />
Leichenschmaus freut. Alle trinken<br />
und essen hemmungslos und viel.<br />
Plötzlich ist da diese Leichtigkeit und<br />
Freude es „überstanden“ zu haben.<br />
Dann wirdmir alles zu viel. Ichgehe<br />
früh ins Bett und höre noch beim<br />
Einschlafen, wie die Gäste nach mir<br />
fragen. „Sie schläft“, sagt mein Ex<br />
und ein bisschen ist es wie früher.<br />
Für einen kurzen Moment fühle<br />
ich mich wieder in einer heilen Familie<br />
geborgen und das ist eine<br />
schöne Illusion. Als ich kurzvor Mitternacht<br />
erwache, sind alle weg. Die<br />
Kinder spielen mit ihren Trostgeschenken<br />
und ich räume mit meinem<br />
Ex zusammen auf. Das Leben<br />
geht weiter. Der Todkommt immer<br />
zu früh. Hoffentlich dauert esnoch<br />
lange bis zur nächsten Beerdigung.<br />
Und die Finger bitte da drauf: Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Schülerinnen der Friedensburg-Sekundarschule<br />
Gute Schule –schlechtes Beispiel<br />
„10 Jahre Strukturreform“:Warum anhand einer Musterschule keineErfolgsgeschichte erzählt werden kann<br />
VonMargarethe Gallersdörfer<br />
Bildungssenatorin Sandra<br />
Scheeres wollte eine Erfolgsgeschichte<br />
erzählen.<br />
Undtatsächlich ging es am<br />
Mittwochnachmittag auch um einen<br />
Erfolg. Allerdings nicht um den der<br />
Senatorin. Scheeres wollte zeigen,<br />
wie gut die vor zehn Jahren begonnene<br />
Schulstrukturreform in Berlin<br />
funktionierthat, also die Zusammenlegung<br />
von Haupt- und Realschulen<br />
zu Integrierten Sekundarschulen. Als<br />
Beispiel wählte sie die Friedensburg-<br />
Schule, doch ausgerechnet deren Erfolg<br />
hat mit der Schulstrukturreform<br />
wenig zu tun. Sieist zwar eine Musterschule,<br />
aber eine, die zeigt, wie sich<br />
eine Schule entwickeln kann, wenn<br />
die Bildungsverwaltung gute Schulleiter<br />
arbeiten lässt.<br />
DieFriedensburg-Oberschule war<br />
schon vor der Schulstrukturreform<br />
eine Gesamtschule. Nun ist sie eben<br />
eine Integrierte Sekundarschule mit<br />
gymnasialer Oberstufe.Eine vonetwa<br />
50 in Berlin, und doch ist sie besonders.<br />
Seit 2004 ist sie eine Staatliche<br />
Europaschule. Vier von acht Klassen<br />
einer Jahrgangsstufe werden halb auf<br />
Deutsch, halb auf Spanisch unterrichtet.<br />
Mehr als die Hälfte der Schülerinnen<br />
und Schüler mit Migrationshintergrund<br />
sind deshalb Spanisch-<br />
Muttersprachler. Und ohne Abschluss<br />
verlassen die Schule jedes<br />
Jahr höchstens eine Handvoll Schülerinnen<br />
und Schüler. Berlinweit blieben<br />
im vergangenen Schuljahr hingegen<br />
mindestens acht Prozent aller<br />
Schüler ohne Schulabschluss. Das<br />
sind sogar etwas mehr als vor der<br />
Schulstrukturreform, die das explizite<br />
Ziel hatte,diese Quote zu verringern.<br />
1200 Schüler besuchen die Friedensburg-Oberschule,<br />
die nach dem<br />
Jahrgangsstufenprinzip arbeitet. Das<br />
bedeutet, dass alle Klassen einer Jahrgangsstufe<br />
–von der 7. bis zur 10.<br />
Klasse –auf einem Gang liegen und<br />
vomgleichenTeam aus Jahrgangsstufenleitern,<br />
Klassenleitern, Erzieherinnen,<br />
Sozial- und Sonderpädagogen<br />
betreut werden. Selbst die entsprechenden<br />
Lehrerzimmer sind auf diesem<br />
Gang. „Wir brechen die große<br />
Schule auf in mehrere kleine“, sagt<br />
Schulleiter Sven Zimmerschied. Das<br />
ermögliche eine enge Begleitung der<br />
Schüler.Außerdem beschäftigen sich<br />
die Schüler und Schülerinnen in berufsorientierenden<br />
Projekten vier<br />
Stunden pro Woche mit Verlässlichkeit<br />
und Selbstorganisation.<br />
DasKonzept ist nicht nur in Berlin<br />
besonders, es hat inzwischen auch<br />
national Beachtung gefunden, denn<br />
die Friedensburg-Oberschule darf<br />
sich zu den 20 besten Schulen<br />
Deutschlands zählen. Gerade erst hat<br />
es die Charlottenburger Schule in die<br />
Vorauswahl des Deutschen Schulpreises<br />
geschafft, der einmal im Jahr<br />
vonder Robert-Bosch-Stiftung verliehen<br />
wird. 2015 ist ihr das schon einmal<br />
gelungen.<br />
Der Erfolg der Schule ist also da.<br />
Doch mit der Schulstrukturreformallein<br />
hat das nichts zu tun, sagt Schulleiter<br />
Sven Zimmerschied.„Wir wären<br />
wohl eher ein gutes Beispiel für eine<br />
erfolgreiche Schulentwicklung.“ Außerdem<br />
war die Friedburg-Oberschule<br />
schon vorder Schulstrukturreform<br />
vor zehn Jahren eine Gesamtschule,<br />
ander man vom berufsbildenden<br />
Abschluss bis zum Abitur<br />
alles machen konnte.Auchdeswegen<br />
ist die Reform hier deutlich weniger<br />
Die Griessmuehle geht –Techno bleibt<br />
SABINE GUDATH<br />
rumpelig gelaufen als an so mancher<br />
Realschule, die mit einer Hauptschule<br />
zusammengelegt wurde.<br />
Übrig geblieben sind auch heute<br />
noch knapp 80 andereIntegrierte Sekundarschulen,<br />
an denen noch immer<br />
keine Abiprüfung abgelegt werden<br />
kann. Diese hätten im Jahr Zehn<br />
der Schulstrukturreform das „Image<br />
der Resterampe“, kritisierte die Industrie-<br />
und Handelskammer vorwenigen<br />
Tagen –und erntete Zuspruch<br />
der Elternvertreter.<br />
„10 Jahre Schulstrukturreform:<br />
Wie individuelles Lernen gelingen<br />
kann“ –sowar der Termin von Mittwoch<br />
überschrieben. Doch am Ende<br />
zeigte sich, dass die Antwortgar nicht<br />
so einfach ist. Und so blieb auch<br />
Scheeres bei der Pressekonferenz an<br />
der Friedensburg-Oberschule nichts<br />
anderes übrig, als die bekannten Versprechen<br />
zu wiederholen: Schulsozialarbeiter<br />
an allen Schulen, mehr Personal<br />
für Sekretariate, IT-Leitstellen,<br />
intensivere Bemühungen um die Sekundarschulen<br />
mit „herausfordernder<br />
Schülerschaft“. Siewisse,sagte sie<br />
am Ende der Veranstaltung, dass es<br />
noch viel zu tun gibt.<br />
Der Investor an der Sonnenallee 221 und die Clubcommission Berlin einigen sich auf einen Kompromiss<br />
VonMechthild Henneke<br />
Der Technoclub Griessmuehle<br />
wird am jetzigen Standort an<br />
der Sonnenallee 221 in Neukölln am<br />
Montag, 3. Februar, schließen und<br />
zunächst übergangsweise auf ein<br />
neues Gelände ziehen, hat die Clubcommission<br />
Berlin am Mittwoch<br />
mitgeteilt. Das Gelände am Schifffahrtskanal<br />
soll aber für die Clubkultur<br />
der Stadt erhalten bleiben. Der<br />
Investor SImmo habe sich bereit erklärt,<br />
eine Entwicklung zu Veranstaltungs-,<br />
Gastronomie- und Clubflächen<br />
auf dem Gelände mit der Clubcommission<br />
zu prüfen.<br />
„Ich freue mich erst mal über<br />
diese Lösung“, sagte Neuköllns Bürgermeister<br />
Martin Hikel (SPD). Neukölln<br />
sei Britzer Mühle und Griessmuehle<br />
und er wolle, dass das auch<br />
in zehn Jahren noch der Fall ist. „Es<br />
ist ein Erfolg, dass der Standortlangfristig<br />
für die Clubkultur gesichert<br />
werden kann“, sagte der Grünen-Abgeordnete<br />
GeorgKössler zu der Einigung.<br />
DasGelände sei dafür prädestiniert.<br />
Der Einigung vorausgegangen<br />
waren mehrereGespräche zwischen<br />
der den Clubbetreibern, der Clubcommission,<br />
Landes- und Bezirkspolitikern<br />
sowie dem Investor S<br />
Immo, einer österreichischen Investmentgesellschaft.<br />
Sie hatte das<br />
1,2 Hektar große Gelände gegenüber<br />
dem Hotel Estrel Berlin vor vier Jah-<br />
renerworbenund erhielt im November<br />
eine Baugenehmigung, um unter<br />
anderem Bürohäuser und eine Community<br />
Hall zu errichten. Zum1.Februar<br />
kündigte die S Immo dem<br />
Hauptmieter, der das Gelände im<br />
Sommer weitgehend verließ. Der<br />
Technoclub Griessmuehle hielt einen<br />
Untermietvertrag, der auch zum<br />
Ende des Monats auslief.<br />
Jetzt können die Technofans aufatmen.<br />
Nach Schätzungen kamen<br />
rund 500 von ihnen am Mittwochnachmittag<br />
zum Rathaus Neukölln,<br />
um sich für den Erhalt des Clubs auszusprechen.<br />
Eine Online-Petition<br />
der Griessmuehle hatte innerhalb<br />
voneinerWochemehr als 42 200 Unterstützer<br />
gewonnen.<br />
Die SImmo begrüße es, wenn ein<br />
clubkultureller Betrieb Bestandteil<br />
des Areals sein könnte,hieß es in der<br />
Presseerklärung. Auch wolle der Investor<br />
prüfen, ob während der Hochbauphase<br />
die Zwischennutzung einer<br />
Freifläche möglich sei. „Wir können<br />
uns auch vorstellen, dass während<br />
der Bauphase ein temporärer<br />
Ort geschaffen wird, der dem Neuköllner<br />
Geist entspricht“, zitiert die<br />
Erklärung Robert Neumüller, den<br />
Geschäftsführer der S Immo Germany.<br />
Die Griessmuehle verhandelte<br />
am Mittwoch noch über einen<br />
neuen Standort. Nach Informationen<br />
der Clubcommission könnte<br />
dieser in Mitte oder Lichtenberg liegen.<br />
NACHRICHTEN<br />
Im Museum: SED-Ausweis<br />
von Todesschütze Kurras<br />
DerSED-Mitgliedsausweis desWest-<br />
<strong>Berliner</strong> Polizisten Karl-Heinz Kurras<br />
wirdjetzt ausgestellt. Kurras hatte<br />
am 2. Juni 1967 bei Protesten den<br />
Studenten Benno Ohnesorgerschossen.<br />
Es war eine Sensation, als 2009<br />
die Stasi-Akte des Polizisten entdeckt<br />
wurde.Esstellte sich heraus,<br />
dass er unter dem Decknamen „Otto<br />
Bohl“ der Staatssicherheit über Jahre<br />
Adressen, Dienstanweisungen und<br />
Alarmpläne gelieferthatte und zudem<br />
Mitglied der DDR-Staatspartei<br />
SED war. (dpa)<br />
Beatrix von Storch will nicht<br />
für AfD-Vorsitz kandidieren<br />
DieAfD-Bundestagsabgeordnete<br />
Beatrix vonStorch will sich nicht um<br />
den Landesvorsitz der Partei in Berlin<br />
bewerben. „Als stellvertretende<br />
Bundessprecherin und stellvertretende<br />
Vorsitzende der Bundestagsfraktion<br />
sei ihr politisches Tätigkeitsfeld<br />
vorallem die Bundespolitik“,<br />
teilte sie am Mittwochabend mit.<br />
DerLandesparteitag ist für den<br />
25./26. Januar geplant. Laut Parteisatzung<br />
ist der alte Vorstand nicht<br />
mehr im Amt, seit Anfang des Jahres<br />
gibt es einen Notvorstand. Derbisherige<br />
Landesvorsitzende,Georg<br />
Pazderski, hatte Mitte Januar überraschend<br />
angekündigt, nicht mehr<br />
kandidieren zu wollen. (dpa)<br />
Unbekannte schmieren<br />
Hakenkreuze<br />
Unbekannte haben in der Nacht zu<br />
Mittwoch das Kreuzberger Wahlkreisbüroder<br />
Grünen Bundestagsabgeordneten<br />
Canan Bayram beschmiert.<br />
DerPolizeiliche Staatsschutz<br />
ermittelt nun wegen der augenscheinlich<br />
politisch motivierten<br />
Sachbeschädigung unter Verwendung<br />
verfassungswidriger Kennzeichen.<br />
Zuerst hatte die <strong>Berliner</strong> Morgenpost<br />
darüber berichtet. (BLZ)<br />
Tierparkmodernisiert<br />
Elefantenhaltung<br />
DerTierparkinFriedrichsfelde stellt<br />
sich bei der Elefantenhaltung neu<br />
auf. DasDickhäuterhaus wirdfür<br />
mehr als 35 Millionen Euro umgebaut<br />
und die Haltung Asiatischer<br />
Elefanten aufgegeben, wie die Einrichtung<br />
bekanntgab.Aktuell leben<br />
dortsieben Asiatische und drei Afrikanische<br />
Elefanten. „ImZuge des<br />
Umbaus werden in der ersten Jahreshälfte<br />
2020 zunächst alle Elefanten<br />
den Tierparkverlassen und in andere<br />
Zoos umziehen“, hieß es.Nach Ende<br />
der Umbauzeit sollen nur noch Afrikanische<br />
Elefanten gehalten werden.<br />
Ziel sei die „modernste Elefanten-<br />
Anlage Europas“. (dpa)<br />
Noch gibt es Asiatische Elefanten im Tierpark.<br />
DPA