MOIN_02_2019_ePaper
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0 38 SEENOTRETTER
MAYDAY – 5 FREUNDINNEN –
VERLOREN IM WATT
Ein schöner Tag im Mai. Keiner vermutet, dass sich wenige Kilometer von Wangerooges Westküste
entfernt ein Drama abspielt. Von dort, wo die Fährschiffe von Harle zur Insel einen kleinen
Umweg machen müssen, dringt ein Notruf in die Zentrale der Deutschen Gesellschaft zur Rettung
Schiffbrüchiger (DgzRS).
a
ls der Notruf eintrifft, weiß der
erfahrene Vormann Wolfgang
Gruben sofort: Es geht um
Leben und Tod. Fünf Mädchen
sind im Watt zwischen Neuharlingersiel und
Spiekeroog von der Flut eingeschlossen –
und das Wasser steigt weiter.
Manche Einsätze, in denen es um alles
geht, sehen alles andere als dramatisch aus.
Dann brüllt kein Sturm, kommen die Wellen
nicht wie Fäuste aus Wasser, und doch
steht man unter Adrenalin. Weil man einfach
weiß: »Wenn ich jetzt zu spät komme,
dann gibt es Tote.« Einen solchen Fall gab es
Pfingsten 2008. Ein lauer Tag Anfang Mai,
knapp 18 Grad Lufttemperatur, die Sonne
schien zur Mittagszeit, der Himmel tiefblau,
alles soweit ruhig.
Bis dieser Anruf aus dem Watt kam.
»Papa, Papa, hilf’ uns!« Die Mädchen
schrien um Hilfe. Sie klammerten sich an
einer Fahrwassertonne fest, die mit Muscheln
bewachsen war. Für den Vater, der
am Strand spazierte, muss es ein furchtbarer
Moment gewesen sein. Ihre Position konnten
die Teenager nicht durchgeben. Etwa
zweieinhalb Kilometer – das sollte sich später
herausstellen – waren die fünf vom Ufer
entfernt, als sie bemerkten, dass die Flut auflief.
Beim Muschelsuchen hatten sie sich immer
weiter vom Strand entfernt und unbemerkt
eine trockengelaufene Rinne – einen
Priel – durchquert. Als sie irgendwann umdrehen,
schnitt ihnen das auflaufende Wasser
den Rückweg ab.
Die Mädchen, alle um die 14 Jahre alt,
Feriengäste aus dem Landkreis Grafschaft
Bentheim, trafen eine fatale Entscheidung.
Die Insel Spiekeroog sah näher aus als das
Festland. Sie liefen jetzt in die falsche Richtung.
Was sie nicht wussten: Die Insel konnten
sie auf diesem Weg nicht erreichen. In
den nun wieder überflutenden Wattflächen
öffneten sich die Schalen der Meeresbewohner,
um Nahrung aus dem Wasser zu filtern.
Für die Mädchen, die barfüßig im Watt wa-