MOIN_02_2019_ePaper
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FRÜHLINGSERWACHEN 0 55
d
er Seniorenbeirat von Wangerooge
hatte es wieder einmal
besonders gut gemeint mit den
älteren Damen und Herren der
Insel. Ein wahres Tulpenparadies und – zwei
Wochen später – ein buntes Osterglockenspiel
sorgten für gut gelaunte Gäste. Der
Dank der 44 Oldies war dem gastgebenden
Seniorenbeirat gewiss.
Nur fröhliche Gesichter? Wie geht es den
Insel-Senioren wirklich? Bei einer Kurz-
Umfrage hörte die MOIN fast nur positive
Stimmen: »Wir werden gut betreut auf der
Insel!«
Auf dem Festland dagegen soll es anders
aussehen. Dem Landkreis Friesland droht
Altersarmut – in einem größeren Ausmaß
als bislang angenommen. Das befürchtet die
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
(NGG). Rund 14.000 Arbeitnehmer im Kreis
Friesland würden – so, wie sie heute arbeiten
– nur eine Rente unterhalb der staatlichen
Grundsicherung bekommen. Und das,
wenn sie nach immerhin 45 Berufsjahren in
den Ruhestand gingen. Das sind 40 Prozent
aller Beschäftigten im Kreis.
MINIRENTEN?
Die Schwelle für »Alters-Hartz-IV« liegt im
Kreis Friesland bei aktuell 762 Euro im Monat.
Dabei sind insbesondere die Kosten fürs
Wohnen berücksichtigt. Dies geht aus einer
Renten-Analyse des Pestel-Instituts hervor.
Die Wissenschaftler aus Hannover haben
dabei für die Gewerkschaft NGG amtliche
Statistiken ausgewertet.
Demnach könnte die Zahl armutsgefährdeter
Rentner im Landkreis Friesland
künftig noch deutlich steigen – nämlich
dann, wenn die durchschnittliche Rente bis
zum Jahr 2030 auf nur noch 43 Prozent des
Einkommens abfallen sollte. Dann gäbe es
mehr als 19.000 Menschen, die nach 45 Beitragsjahren
bei einer Rente unterhalb der
Grundsicherung landen, so das Pestel-Institut.
Matthias Brümmer, Geschäftsführer
der NGG-Region Oldenburg-Ostfriesland,
spricht von »alarmierenden Zahlen«. Wer
ein Leben lang gearbeitet habe, müsse später
auch von seiner Rente leben können. »Am
Ende steht hier das Vertrauen in die staatliche
Altersvorsorge und damit der gesellschaftliche
Zusammenhalt auf dem Spiel.«
Die Bundesregierung hat eine Sicherung des
Rentenniveaus bei 48 Prozent bis lediglich
2025 vereinbart. »Das reicht nicht aus«, so
Brümmer. Die Große Koalition müsse das
Rentenniveau längerfristig stabilisieren und
möglichst anheben.
Zugleich sieht die NGG die Arbeitgeber
in der Pflicht. »Klar ist, dass aus Mini-
Löhnen keine Spitzen-Renten werden«, betont
Brümmer. Gerade in Branchen wie dem
Gastgewerbe und Bäckerhandwerk müssten
im Kreis Friesland viele Beschäftigte im Alter
aufstocken. »Dabei haben Hoteliers, Gastronomen
und Bäckermeister bei der Bezahlung
durchaus Spielraum. Anstatt auf
Aushilfen mit wenigen Wochenstunden zu
setzen, sollten sie reguläre Vollzeitstellen
schaffen – und zwar bezahlt nach Tarif.«
FOTOS: RENATE ZERHUSEN