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10 BERLIN<br />
BERLINER KURIER, Dienstag, 4. Februar 2020*<br />
DasCamp an der<br />
Rummelsburger<br />
Bucht: Etwa 60<br />
Obdachlose<br />
hausen dort.<br />
Von<br />
NORBERT KOCH-KLAUCKE<br />
Berlin – Es ist ein Armutszeugnis<br />
für Berlin. Das Obdachlosen-Camp<br />
an der Rummelsburger<br />
Bucht, das nahe<br />
dem Bahnhof Ostkreuz liegt<br />
und eines der größten in<br />
Deutschland sein soll. Der<br />
KURIER hatte gestern berichtet,<br />
wie seit über zwei<br />
Jahren mitten in unserer<br />
Stadt Menschen dort zwischen<br />
Müll und Ratten unter<br />
unwürdigen Bedingungen leben.<br />
Es stellt sich die Frage,<br />
warum <strong>Berliner</strong> Behörden<br />
dies zugelassen haben.<br />
Beim Thema Obdachlosigkeit<br />
sehe man nicht weg, auch nicht<br />
bei den katastrophalen Zuständen<br />
im Camp an der Rummelsburger<br />
Bucht, heißt es im Bezirksamt<br />
Lichtenberg und bei<br />
der Verwaltung von Sozialsenatorin<br />
Elke Breitenbach (Linke).<br />
Seit Jahren würden sich Sozialarbeiter<br />
dort um die Betroffenen<br />
kümmern und versuchen,<br />
sie bei Ämtergängen oder bei<br />
der Suche nach Unterkünften<br />
zu unterstützen. „Es gibt genug<br />
Elends-LageramOstkreuz:<br />
Warum schaut Berlin weg?<br />
Seit über zwei Jahren hausen Obdachlose<br />
in dem wilden Camp. Jetzt bieten Senat<br />
und Bezirk eine Kurzzeit-Notunterkunft an<br />
Daseinstige Telekom-<br />
Gebäude in Karlshorst<br />
wird Notunterkunft.<br />
Hilfssysteme und -angebote in<br />
Berlin“, heißt es in der Senatssozialverwaltung.<br />
„Nur werden<br />
diese von den Betroffenen oft<br />
nicht angenommen.“ Denn in<br />
den Unterkünften ist unter anderem<br />
kein Alkohol erlaubt.<br />
Bisher vermieden Lichtenbergs<br />
Bürgermeister Michael<br />
Grunst (Linke) und Sozialsenatorin<br />
Breitenbach die radikale<br />
Lösung – eine Räumung des<br />
Camps. Ein Vertreiben würde<br />
dafür sorgen, dass die Bewohner<br />
woanders in Berlin ein Lager<br />
aufbauen würden, wird argumentiert.<br />
Die Behörden setzten<br />
daher auf Sozialarbeiter vor<br />
Ort, mit deren Hilfe die Bewohner<br />
individuelle Wege aus der<br />
Obdachlosigkeit finden sollten.<br />
Allerdings sollten sie auch<br />
den Zuzug neuer Bewohner<br />
verhindern, heißt es aus dem<br />
Bezirksamt. Als aber im Winter<br />
2018/19 der Senat im Rahmen<br />
der Kältehilfe Müllcontainer,<br />
Wärmezelte und Toiletten aufstellen<br />
ließ, kamen noch mehr<br />
Menschen. Bis zu 160 Obdachlose<br />
waren im vergangenen<br />
Sommer im Camp.<br />
In diesem Winter blieb die Senatshilfe<br />
aus. Offiziell wurde<br />
erklärt, es gebe keine Fördergelder<br />
mehr dafür. Ein anderer<br />
Grund: Das Areal, auf denen die<br />
Hütten und Zelte der Obdachlosen<br />
stehen, ist seit vergangenes<br />
Jahr Bauland. Ab Frühjahr<br />
soll mit dem Bau von Wohnungen<br />
und der Touri-Attraktion<br />
„Coral World“ begonnen werden.<br />
Viele Bewohner verließen<br />
schon zu Weihnachten das<br />
Camp. Nun seien nur noch bis<br />
zu 60 Obdachlose vor Ort.<br />
Für sie hat der Bezirk und der<br />
Senat nun eine Notunterkunft<br />
in einem ehemaligen Telekom-<br />
Gebäude an der Köpenicker Allee<br />
(Karlshorst) zu Verfügung<br />
gestellt. Sozialstadträtin Birgit<br />
Monteiro (SPD) spricht von einer<br />
„geglückten Verbesserung<br />
der Lebenssituation für die Obdachlosen“.<br />
Sozialsenatorin<br />
Breitenbach hofft, dass die Betroffenen<br />
„mithilfe der Sozialarbeiter<br />
eine Perspektive ohne<br />
Obdachlosigkeit entwickeln“.<br />
In dieser Woche wollen Sozialarbeiter<br />
mit den Camp-Bewohnern<br />
über den Umzug reden.<br />
„Wir wissen, dass nicht alle<br />
das wollen“, sagt Michael Elias<br />
von dem zuständigen Projekt<br />
Tentaja. „Aber jeder zählt, den<br />
wir gewinnen können, einen<br />
neuen Weg einzuschlagen.“<br />
Allerdings bemängelt Elias,<br />
dass man für diese wichtige<br />
Aufgabe nur wenig Zeit zur<br />
Verfügung hätte. Denn in der<br />
Notunterkunft können die Obdachlosen<br />
nur bis Ende April<br />
bleiben. Danach sollen aus dem<br />
Gebäude landeseigene Wohnungen<br />
werden.