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POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Peter<br />
Neumann<br />
Langes Warten<br />
auf die Grüne Welle<br />
Das <strong>Berliner</strong> Mobilitätsgesetz<br />
verheißt das<br />
Paradies auf Erden –zumindest<br />
für Fahrradfahrer.<br />
Was sich die Hauptstadt-<br />
Radler wünschen, hier wird<br />
es versprochen: breite Radfahrstreifen<br />
an jeder<br />
Hauptverkehrsstraße,<br />
100000 neue Stellplätze,<br />
100 Kilometer Radschnellverbindungen<br />
in den kommenden<br />
Jahren –das sind<br />
nur einige Beispiele. Kein<br />
Wunder, dass die Radlerlobby<br />
begeistert war, als das<br />
Gesetz 2018 vom Abgeordnetenhaus<br />
verabschiedet<br />
wurde. Sie hat den Riesen-<br />
Wunschzettel schließlich<br />
mitverfasst.<br />
Sicher ist es strategisch<br />
richtig, Ziele zu definieren,<br />
um Politik und Verwaltung<br />
auf Trab zu bringen. „Druck<br />
auf den Kessel“ lautet eine<br />
beliebte Formulierung, die<br />
kernigen Aktivismus demonstrieren<br />
soll. Doch immer<br />
wieder wird deutlich,<br />
dass das Mobilitätsgesetz<br />
zu viel verspricht. Die schöne<br />
neue Verkehrswelt, die<br />
es in den schönsten Farben<br />
und mit Jan-van-<br />
Eyck’scher Detail-Liebe<br />
ausmalt, passt leider nicht<br />
zum Zustand der Verwaltung.<br />
Ausgemergelt und demotiviert<br />
nach rot-roten<br />
Sparrunden, gefangen in einem<br />
Regeldickicht, das eigenständiges,<br />
zügiges Handeln<br />
nicht begünstigt, bleibt<br />
sie hinter den Ansprüchen<br />
hoffnungslos zurück.<br />
Das zeigt sich jetzt erneut.<br />
Bereits ein Jahr nach der<br />
Verabschiedung des Gesetzes<br />
sollte das Vorrangnetz<br />
für den Radverkehr fertig<br />
sein, zu dem auch Grüne<br />
Wellen für den Radverkehr<br />
gehören, heißt es in einem<br />
Paragrafen. Doch im Senat<br />
gibt es keinen Zeitplan,<br />
wann das Grundkonzept<br />
für die besonders wichtigen<br />
Verbindungen vorgelegt<br />
werden kann. Wenig verwunderlich,<br />
dass Radfahrer<br />
verärgert sind. Wieder einmal<br />
zeigt sich, dass das Mobilitätsgesetz<br />
toxischen<br />
Charakter hat. Bislang jedenfalls<br />
war es für den rotrot-grünen<br />
Senat eher<br />
schädlich als nützlich.<br />
Mehr zum Thema lesen<br />
Sie auf Seite 12<br />
Berlin – Zwei Kilo Hähnchenschenkel<br />
für nur 3,99 Euro –<br />
ist das fair? Im Konkurrenzkampf<br />
um Kunden locken Supermärkte<br />
regelmäßig mit<br />
Schnäppchen-Aktionen für<br />
Lebensmittel. Das bringt<br />
Landwirte auf die Palme, die<br />
seit Monaten in der ganzen<br />
Republik protestieren. Im<br />
Kampf um angemessene<br />
Preise für Lebensmittel lud<br />
Angela Merkel (CDU) Einzelhandel<br />
und Ernährungsindustrie<br />
zum Gipfel ins Kanzleramt.<br />
Fotos: dpa<br />
GipfelzuDumping-Preisenbei Lebensmitteln<br />
Unser Essen soll<br />
teurer werden<br />
Kanzlerin will mehr Fairnesszwischen Handel<br />
und Bauern, lehnt aber Mindestpreise ab<br />
Neue Auflagen und Kosten<br />
beim Umwelt- und Tierschutz<br />
belasten, aber auch die mangelnde<br />
Wertschätzung für sich<br />
und ihre Produkte durch Preisdumping<br />
wurmt die Bauern.<br />
„Unsere Mittel zum Leben sind<br />
mehr wert“, mahnte Bauernverbands-Präsident<br />
Joachim<br />
Rukwied. Der Handel müsse<br />
seinen Teil dazu beitragen, dem<br />
Verbraucher zu verdeutlichen,<br />
„dass höhere Standards im Stall<br />
oder auf dem Feld einen höheren<br />
Preis erfordern.“<br />
Faire Geschäftsbeziehungen<br />
Günstige Preise im<br />
Supermarkt –Handelsriesen<br />
verteidigen diese,<br />
weil sie auch Ärmeren<br />
eine gesunde Ernährung<br />
ermöglichten.<br />
will. Wer<br />
diese nicht<br />
Merkel forderte vomHandel Fairnessgegenüber den Bauern.<br />
einhalte,<br />
müsse mit<br />
Bußgeldern<br />
mit den Landwirten verlangt<br />
auch Kanzlerin Angela Merkel<br />
vom Handel, staatlich festgesetzte<br />
Mindestpreise lehnte sie<br />
jedoch ab. Es gehe darum, gute<br />
Lebensmittel zu verkaufen und<br />
dafür zu sorgen, dass Landwirte<br />
„auskömmlich“ ihr Geld verdienten,<br />
sagte Merkel. Dazu gebe<br />
es verschiedene Gesetzgebungsvorhaben<br />
„in der Pipeline“.<br />
rechnen, drohte Klöckner. Billig-Lebensmittel<br />
in den Supermärkten<br />
würden auf Dauer zulasten<br />
aller Verbraucher gehen,<br />
da am Ende regionale Produktion<br />
verschwinde und mehr Nahrung<br />
importiert werden müsse,<br />
gab sie zu bedenken.<br />
Der Einzelhandel wehrte sich<br />
gegen die Vorwürfe, Lebensmittel<br />
zu verram-<br />
Wie die eigentlich erst für schen. „Die<br />
2021 geplante nationale Umsetzung<br />
der EU-Richtlinie zu unlauteren<br />
Handelspraktiken, die<br />
Preise werden<br />
absolut nicht<br />
gedrückt“,<br />
Agrarministerin Julia Klöckner hielt Stefan<br />
(CDU) nun schnell umsetzen Genth vom<br />
Supermärkte werben<br />
regelmäßig mit umstrittenen<br />
Schnäppchen-Angeboten.<br />
Am Kanzleramt gab’sProteste gegen Ramschpreise.<br />
deutschen Handelsverband dagegen.<br />
Insgesamt liege<br />
Deutschland bei den Lebensmittelpreisen<br />
rund zwei Prozent<br />
über dem EU-Durchschnitt.<br />
Auch Rewe-Chef Lionel<br />
Souque verteidigte die<br />
Preisgestaltung des Handels.<br />
„In Deutschland leben rund 13<br />
Millionen Menschen in Armut<br />
oder an der Armutsgrenze.<br />
Günstige Lebensmittelpreise<br />
ermöglichen diesen Menschen<br />
eine gesunde und sichere Ernährung.“<br />
Nach dem Treffen<br />
sprach Souque von einem „offenen<br />
und kritischen Dialog“. Er<br />
habe zugesagt, die direkte Zusammenarbeit<br />
mit kleinen Lieferanten<br />
und Erzeugergemeinschaften<br />
weiter auszubauen.