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TE KW 13

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M ENSCHEN IM GESPRÄCH<br />

„Es wird nicht mehr sein, wie es einmal war!“<br />

Der Telfer Großunternehmer Helmut Thöni über die Corona-Krise, die Zukunft und die Angriffe auf das Krisenmanagement<br />

Die Corona-Krise trifft die Wirtschaft hart. Viele Unternehmer<br />

mussten bereits ihren Betrieb vorübergehend schließen, bei<br />

vielen Unternehmen ist fraglich, ob sie das Desaster finanziell<br />

überstehen werden. Auch etliche Großbetriebe stellten in den<br />

vergangenen Tagen die Produktion ein, darunter auch das Liebherr-Werk<br />

in Telfs, das mindestens bis 31. März (eventuell auch<br />

darüber hinaus) die Produktion eingestellt hat. In den Werkshallen<br />

der „Thöni Industriebetriebe GmbH“ in Telfs laufen die<br />

Hightech-Produktionsmaschinen derzeit noch auf Hochtouren.<br />

RUNDSCHAU-Telfs-Redaktionsleiter Gebi G. Schnöll führte<br />

mit Geschäftsführer Helmut Thöni nachstehendes Gespräch.<br />

RUNDSCHAU: Sehr geehrter<br />

Herr Thöni! Das Coronavirus legte<br />

bereits viele Betriebe lahm. Wie stellt<br />

sich die aktuelle Situation in Ihrem<br />

Unternehmen dar?<br />

Helmut Thöni: Wir produzieren<br />

derzeit in den Werken in Telfs<br />

sowie in den Niederlassungen in<br />

Landeck und Kempten ohne Einschränkungen.<br />

Im neuen Werk in<br />

Pfaffenhofen läuft eineinhalb bis<br />

zwei Tage pro Woche der Probebetrieb.<br />

Lediglich das Entsorgungsunternehmen<br />

in Rovereto im Trentino<br />

ist derzeit wegen der in der<br />

Region grassierenden Corona-Fälle<br />

geschlossen. Einige Mitarbeiter arbeiten<br />

aber auf Homeoffice-Basis.<br />

RS: Welche Vorsorgemaßnahmen<br />

haben Sie bisher getroffen, um ihre<br />

Arbeitnehmer vor dem Coronavirus<br />

zu schützen?<br />

Thöni: Glücklicherweise gibt es<br />

bei uns im Unternehmen und im<br />

privaten Umfeld keine einzige Erkrankung<br />

und ich hoffe sehr, dass<br />

das so bleibt. Bei uns geht die Sicherheit<br />

vor dem Coronavirus vor.<br />

Überall wo es geht, haben wir die<br />

Leute in die Heimarbeit geschickt.<br />

In den Produktionshallen gelten<br />

klare Vorgaben: Alle Mitarbeiter<br />

sind dazu aufgerufen, Abstand zu<br />

den Arbeitskollegen zu halten und<br />

sich in regelmäßigen Abständen<br />

die Hände zu waschen. Außerdem<br />

werden gewisse Werksbereiche laufend<br />

desinfiziert. Ich fühle mich<br />

jedenfalls in unserem Betrieb sicherer<br />

als auswärts.<br />

RS: Wie gehen die Arbeitnehmer<br />

mit der gegebenen Situation um?<br />

Thöni: Sehr sorgfältig. Alle wissen,<br />

was von einem Betriebsstillstand<br />

abhängt.<br />

RS: Wie schaut es mit den Transportunternehmen<br />

aus, die Ihre Be-<br />

Geschäftsführer Helmut Thöni: „Die Welt<br />

wird sich verändern!“ RS-Fotos: Schnöll<br />

triebe mit Produktionsware versorgen<br />

beziehungsweise gefertigte Produkte<br />

zu den Abnehmerfirmen bringen?<br />

Thöni: Es dürfen bis auf Weiteres<br />

keine Fremdunternehmen<br />

und Personen, die nicht in unserem<br />

Unternehmen beschäftigt<br />

sind, das Firmengelände befahren<br />

beziehungsweise betreten. Die<br />

Warenübergabe erfolgt derzeit ausschließlich<br />

außerhalb der Produktionsstätten.<br />

RS: Woher bezieht Thöni das Aluminium,<br />

das zur Herstellung der<br />

Hightech-Automotive-Komponenten<br />

benötigt wird?<br />

Thöni: Zu 75 Prozent aus eigener<br />

Erzeugung in unserer Niederlassung<br />

in Kempten im Allgäu. Die<br />

Zulieferverpflichtungen sind derzeit<br />

das Hauptthema in unserem<br />

Unternehmen. Wenn nicht mehr<br />

geliefert werden kann, kommt die<br />

Produktionskette zum Erliegen.<br />

Das wäre ein Szenario, das auch<br />

unser Unternehmen treffen würde.<br />

Das Telfer Paradeunternehmen „Thöni Industriebetriebe GmbH“ beschäftigt insgesamt<br />

mehr als 750 Arbeitnehmer. Die Produktion läuft derzeit noch auf Hochtouren.<br />

RS: In Deutschland ist die Lage<br />

wegen der Corona-Erkrankungen<br />

ebenfalls dramatisch. Wie glauben<br />

Sie, entwickelt sich dort die Situation<br />

auf dem Automarkt. Immerhin<br />

beliefert Thöni in Deutschland die<br />

Konzerne Volkswagen, Daimler und<br />

BMW mit den Alu-Komponenten.<br />

Thöni: Wir befinden uns derzeit<br />

in einer Art Momentsituation.<br />

Noch ist die Auftragslage gut, was<br />

sich aber von heute auf morgen<br />

ändern kann. Es kommt wohl auf<br />

die nächsten Tage an, welche Maßnahmen<br />

in Deutschland getroffen<br />

werden, um das Coronavirus einzudämmen.<br />

Wenn die Autohersteller<br />

die Produktion herunterfahren<br />

oder vorübergehend einstellen,<br />

müssten wir das wohl auch tun.<br />

RS: Von der Corona-Pandemie<br />

sind in Österreich inzwischen Tausende<br />

Produktions- und Dienstleistungsbetriebe<br />

schwer getroffen.<br />

Viele Unternehmer stehen vor dem<br />

Ruin, viele Menschen mussten in die<br />

Kurzarbeit oder in die Arbeitslosigkeit.<br />

Wie glauben Sie, geht das in<br />

den nächsten Wochen und Monaten<br />

weiter?<br />

Thöni: Die Regierung hat<br />

meines Erachtens in den vergangenen<br />

Tagen und Wochen auf die<br />

Ausnahmesituation, in der sich die<br />

Wirtschaft wegen der Corona-Krise<br />

befindet, nicht nur gut, sondern<br />

sehr gut reagiert. Vom Finanzminister<br />

wurde das Soforthilfepaket<br />

von anfangs vier auf inzwischen 38<br />

Milliarden Euro aufgestockt. Ich<br />

glaube, dass sich mit dem Hilfspaket<br />

viele Härtefälle abfedern<br />

lassen, der ein oder andere Betrieb<br />

dürfte die Krise wohl nicht überstehen.<br />

Wichtig ist in den nächsten<br />

Wochen und Monaten, dass<br />

Lebensmittel-Produktionsbetriebe,<br />

der Lebensmittelhandel sowie das<br />

Transport- und das Maschinenbaugewerbe<br />

funktionsfähig bleiben.<br />

RS: Die Tiroler Landesregierung<br />

ist in den vergangenen Tagen unter<br />

Beschuss geraten. Kritiker glauben,<br />

dass das „Corona-Hotspot Ischgl“ zu<br />

spät unter Quarantäne gestellt wurde.<br />

Thöni: Was die Landesregierung<br />

unter Landeshauptmann Günther<br />

Platter, die Behörden und alle anderen<br />

Involvierten in den vergangenen<br />

Tagen gegen die Eindämmung<br />

des Coronavirus unternommen<br />

haben und immer noch tut, ist<br />

souverän und höchst professionell.<br />

Was der Landesregierung jetzt angekreidet<br />

und thematisiert wird,<br />

ist für mich eine bodenlose Sauerei.<br />

Manche Leute machen es sich<br />

verdammt einfach, jetzt zu kommentieren,<br />

was vor drei Wochen<br />

passiert ist.<br />

RS: Letzte Frage: Wie gehen Sie<br />

in Ihrem familiären Umfeld mit der<br />

Quarantäne um?<br />

Thöni: Alle sind dazu angehalten,<br />

die Quarantäneverordnungen<br />

einzuhalten. Meiner Mama und<br />

meinem Papa habe ich ein striktes<br />

Ausgehverbot verhängt.<br />

RS: Vielen Dank für das Gespräch!<br />

RUNDSCHAU Seite 22 25./26. März 2020

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