Nr.65 - Winter 2017 / 18
Géoparc de Haute-Provence, eine erstaunliche Reise in die Vergangenheit der ErdeVal de Loire: Chédigny, ein Dorf wird zum Garten Grand-Est: Mondial Air Ballons, der poetische Aufstieg von 456 Heißluftballons Occitanie: Die große Höhle von Cabrespine, ein unterirdisches Abenteuer Chantals Rezept: la blanquette de saumon
Géoparc de Haute-Provence, eine erstaunliche Reise in die Vergangenheit der ErdeVal de Loire: Chédigny, ein Dorf wird zum Garten
Grand-Est: Mondial Air Ballons, der poetische Aufstieg von 456 Heißluftballons
Occitanie: Die große Höhle von Cabrespine, ein unterirdisches Abenteuer
Chantals Rezept: la blanquette de saumon
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Centre-Val de Loire<br />
Aber noch wichtiger: Im Jahr 2013 bekam das Dorf das<br />
Label Jardin remarquable (sehenswerter Garten). Dies ist<br />
eine besonders prestigeträchtige Auszeichnung, die vom<br />
Französischen Kulturministerium für jeweils fünf Jahre<br />
verliehen wird und « Gärten und Parks würdigt, die ein<br />
kulturelles, ästhetisches, historisches oder botanisches Interesse<br />
aufweisen, egal ob sie privat oder öffentlich sind ».<br />
Es leuchtet ein, dass bis dato ausschließlich Gärten oder<br />
Parks im eigentlichen Sinn ein solches Gütesiegel erhalten<br />
haben. Doch mit Chédigny<br />
hat das Ministerium ein<br />
Dorf in seiner Gesamtheit<br />
gewürdigt. Eine Premiere!<br />
Für Chédigny war dies eine<br />
Überraschung, aber zugleich<br />
auch die Bestätigung dafür,<br />
dass sich der Traum seiner<br />
Bewohner realisiert hatte:<br />
Das Dorf ist nun offiziell ein<br />
richtiges « Gartendorf », ein<br />
Ort, an dem Pflanzen omnipräsent<br />
sind und zum Alltag<br />
der Bewohner gehören.<br />
Noch heute ist Chédigny das<br />
einzige Dorf in Frankreich,<br />
welches das Label Jardin remarquable<br />
trägt.<br />
Als Folge davon und in<br />
Anwendung der Regelungen,<br />
die für dieses Qualitätssiegel<br />
gelten – deren Text allerdings<br />
noch nicht an die Auszeichnung<br />
eines Dorfes angepasst<br />
ist –, müssen die « Besitzer » des entsprechenden « Gartens<br />
» – anders gesagt die Gemeinde – « den regelmäßigen<br />
Unterhalt ihres Gartens sicherstellen, ihn mindestens 40<br />
Tage pro Jahr (und 6 Stunden pro Tag) für Besichtigungen<br />
öffnen, an mindestens einer landesweiten Veranstaltung<br />
(Rendez-vous aux jardins und/oder Journées européennes du<br />
Patrimoine) teilnehmen sowie der Öffentlichkeit Informationsmaterial<br />
(Plan, Geschichte, botanische Erläuterungen<br />
…) zur Verfügung stellen ». Alle diese Auflagen<br />
kann Chédigny natürlich voll und ganz erfüllen. Als<br />
Gegenleistung verpflichtet sich der Staat,<br />
das Dorf in Publikationen aufzuführen;<br />
eine besondere Ausschilderung<br />
in der Umgebung wurde bereits<br />
umgesetzt. Man könnte denken,<br />
das seien Details, und doch tragen<br />
diese erfolgreich dazu bei,<br />
dass die Initiative des Dorfes<br />
bekannt wurde. Heute<br />
kommen pro Jahr mehrere<br />
Zehntausend Besucher, um<br />
durch die Straßen des Ortes<br />
zu flanieren.<br />
Die an der Rekonstruktion des Jardin<br />
du curé beteiligten Fachleute:<br />
Philippe Ferret und Aurore-Claudie Mangold sind<br />
die Autoren eines Buches über Pfarrgärten, das<br />
diesbezüglich als Referenz gilt (Jardins de curé,<br />
jardins d’antan, Éditions Flammarion).<br />
Denis Retournard ist der ehemalige Verantwortliche<br />
für die Obstbäume im renommierten Jardin du<br />
Luxembourg in Paris.<br />
Xavier Mathias ist ein Gemüsebauer aus Chédigny,<br />
der sich auf alte und vergessene Gemüsesorten<br />
spezialisiert hat und zudem am nicht weniger<br />
prestigeträchtigen Potager du Roi in Versailles<br />
unterrichtet. Dieser königliche Gemüsegarten<br />
wurde zwischen 1678 und 1683 auf Wunsch Ludwigs<br />
XIV. zu dessen Gemüseversorgung eingerichtet;<br />
er wird immer noch betrieben und ist ebenfalls als<br />
Jardin remarquable ausgezeichnet.<br />
Charakteristisch für Chédigny ist, dass sich quasi<br />
alle Bewohner an diesem Projekt beteiligen. Es werden<br />
nämlich nicht nur die öffentlichen Anlagen, sondern auch<br />
die Privatgärten üppig bepflanzt und außerordentlich gepflegt.<br />
Diese privaten Bereiche sind zwar nach wie vor a<br />
priori für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, doch<br />
haben viele Besitzer sie offensichtlich so konzipiert,<br />
dass man sie von der Straße aus gut einsehen<br />
kann. Außerdem lieben es die Einwohner, mit<br />
Passanten über<br />
ihren Garten<br />
zu sprechen.<br />
Mit etwas<br />
Glück wird man<br />
als Besucher<br />
vielleicht sogar<br />
zu einer Besichtigung<br />
eingeladen.<br />
Zudem trifft man<br />
auch bei diesen privaten<br />
Anwesen auf viele besondere<br />
Initiativen, die die Liebe zur<br />
Pflanzenwelt dokumentieren<br />
und manchmal sogar neugierig<br />
machen: Hier hat ein<br />
Besitzer Blumen in derselben<br />
Farbe wie seine Läden gepflanzt<br />
(vielleicht war es auch<br />
umgekehrt, und er hat die<br />
Läden in der Farbe der Blumen<br />
gestrichen …), dort hat<br />
ein anderer einen Gedanken<br />
aufgeschrieben, der mit der<br />
Flora verbunden ist und zum Nachdenken anregt. Spaziert<br />
man durch die Straßen des Dorfes, spürt man sofort,<br />
dass die Bewohner zum einen sehr stolz darauf sind, was<br />
aus ihrem Dorf geworden ist, und zum anderen auch eine<br />
riesige Freude daran haben, die Früchte ihrer Arbeit mit<br />
anderen zu teilen.<br />
Davon zeugen die vielen kleinen Schilder und Beschriftungen,<br />
die man fast überall findet. Um ihr Wissen<br />
weiterzugeben, hat man vielerorts die Namen der Pflanzen<br />
angeschrieben, was den Besuchern ermöglicht, diese in einer<br />
Gärtnerei oder Baumschule wiederzufinden. Manchmal<br />
sind diese Angaben sogar sehr präzise. So kann man<br />
beispielsweise bei einem kleinen Busch mit besonders duftenden<br />
Rosen lesen: « Rosenstock, der durch Direktsaat<br />
entstanden ist und von unserem verehrten Rosenzüchter<br />
André Eve auf den Namen Coquine de Chédigny getauft<br />
wurde. » Ein humorvoller Name!<br />
Unter all diesen Tafeln gibt es eine, die es wert ist,<br />
einen Moment innezuhalten. Sie befindet sich in unmittelbarer<br />
Nähe der Kirche und darauf steht schlicht geschrieben,<br />
dass der entsprechende Rosenstock den Namen<br />
Jeanne de Chédigny trägt, « von André Eve gezüchtet und<br />
2011 dem Dorf geschenkt wurde ». Hinter diesen wenigen<br />
42 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2017</strong>/<strong>18</strong>