Nr.65 - Winter 2017 / 18
Géoparc de Haute-Provence, eine erstaunliche Reise in die Vergangenheit der ErdeVal de Loire: Chédigny, ein Dorf wird zum Garten Grand-Est: Mondial Air Ballons, der poetische Aufstieg von 456 Heißluftballons Occitanie: Die große Höhle von Cabrespine, ein unterirdisches Abenteuer Chantals Rezept: la blanquette de saumon
Géoparc de Haute-Provence, eine erstaunliche Reise in die Vergangenheit der ErdeVal de Loire: Chédigny, ein Dorf wird zum Garten
Grand-Est: Mondial Air Ballons, der poetische Aufstieg von 456 Heißluftballons
Occitanie: Die große Höhle von Cabrespine, ein unterirdisches Abenteuer
Chantals Rezept: la blanquette de saumon
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Centre-Val de Loire<br />
Um die Pflege der Pflanzen im Dorf kümmern sich neben den<br />
Mitarbeitern der Gemeinde auch die Bewohner persönlich.<br />
Zeilen verbirgt sich jedoch eine längere und berührende<br />
Geschichte. Der Rosenstock wurde nämlich zu Ehren von<br />
Jeanne Louault, der Mutter des heutigen Bürgermeisters<br />
Pierre Louault, gezüchtet. Sie wohnte mit ihrem Mann<br />
Bernard auf einem etwas abseits des Ortes liegenden Bauernhof,<br />
rund 100 Meter südlich der Demarkationslinie.<br />
Im März 1942 kam ein Nachbar in Begleitung zweier<br />
jüdischer Brüder im Alter von <strong>18</strong> und 19 Jahren zu ihnen.<br />
Die beiden waren nach der Reichskristallnacht und der<br />
Überführung ihres Vaters nach Dachau aus Deutschland<br />
geflüchtet. Das Bauernpaar beschloss sofort, die beiden zu<br />
beherbergen und sie zusätzlich zu ihren vier Kindern als<br />
« ihre Söhne » anzunehmen. Für die mutige Entscheidung,<br />
die jungen Männer zu verstecken und ihnen zu helfen –<br />
selbst als diese nach einer Denunzierung im November<br />
1943 von der Gestapo abgeholt wurden, bevor ihnen dann<br />
doch die Flucht gelang – erhielt das Paar am 6. Mai 2002<br />
vom Staat Israel die Auszeichnung « Gerechte<br />
unter den Völkern ». Noch heute<br />
erinnert die Rose an diese beiden<br />
couragierten und beispielhaften<br />
Menschen.<br />
Einige Dutzend Meter weiter<br />
steht im Schutze der Kirche<br />
ein besonders würdevoll aussehender<br />
Baum, der ebenfalls<br />
ein kleines Schild trägt. Darauf<br />
steht geschrieben: « Die Linde<br />
– Tilia Platyphyllos –, gepflanzt<br />
am 24. März <strong>18</strong>11 anlässlich der<br />
Geburt des Königs von Rom,<br />
Aiglon, erfasst als Arbre remarquable<br />
de Tourraine. » Direkt neben dem<br />
alten Pfarrhaus befindet sich auch der<br />
Zugang zum authentischen Pfarrgarten aus<br />
dem 19. Jahrhundert, der perfekt wiederhergestellt<br />
wurde und seit diesem Jahr öffentlich<br />
zugänglich ist. Er ist äußerst gelungen und<br />
vor allem ein sehr poetischer Ort. Dieser<br />
Garten war im Laufe der Zeit zu Brachland<br />
geworden. Um ihn wieder neu anzulegen und<br />
ihm so ein zweites Leben einzuhauchen, hat<br />
die Gemeindeverwaltung die Unterstützung<br />
von Spezialisten in Anspruch genommen:<br />
Philippe Ferret und Aurore-Claudie Mangold,<br />
Denis Retournard sowie Xavier Mathias<br />
(siehe Kasten Seite 42). Diese Fachleute<br />
haben gemeinsam die Pläne des Gartens und<br />
die damals vorhandenen Pflanzen rekonstruiert.<br />
Man findet hier neben Blumen gängige<br />
Gewürzpflanzen, alte Rosensorten und Gewächse<br />
vom anderen Ende der Welt,<br />
wie den Trompetenbaum (Catalpa)<br />
oder die aus China stammende<br />
Duftblüte (Osmanthus).<br />
Wie jeder richtige Pfarrgarten<br />
besitzt auch dieser, die damals<br />
übliche Allée déambulatoire – man kann<br />
sich problemlos vorstellen, wie der Pfarrer<br />
seinerzeit auf diesem Weg hin- und<br />
herging und seine Texte rezitierte –, einen<br />
Jardin de la Croix (Kreuzgarten) mit<br />
einem hohen Metallkreuz im Zentrum,<br />
einen Jardin bouquetier (Blumengarten), in dem<br />
die Blumen für den Altar und für Feierlichkeiten<br />
wuchsen, eine Pergola fleuri, die mit Kletterrosen bewachsen<br />
ist, deren Namen eng mit der Kirche verbunden sind:<br />
Pleine de Grâce, Evangéline, Maria … Wie alle Pfarrgärten<br />
ist auch dieser von bescheidener Größe, aber voller<br />
Poesie und ideal zum Ausruhen und Innehalten. Es ist<br />
zudem ein Ort, an dem Wissen vermittelt wird. Die Association<br />
des Amis du Jardin du Presbytère, die für den Unterhalt<br />
verantwortlich ist, organisiert regelmäßig Veranstaltungen<br />
und Fortbildungen. Das Personal am Eingang beantwortet<br />
alle Fragen und gibt sein Wissen mit offensichtlicher<br />
Begeisterung weiter. Auch das ehemalige Pfarrhaus, das<br />
eine wunderschöne Terrasse besitzt, die direkt an diesen<br />
Garten grenzt, wurde von der Gemeinde mit viel Aufwand<br />
renoviert. Heute befindet sich hier das Maison d‘ hôtes « La<br />
Closerie du Tilleul » mit Gästezimmern, einem Restaurant<br />
sowie einem gemütlichen Salon de Thé.<br />
Ebenfalls im Dorfzentrum erregt noch etwas anderes<br />
die Aufmerksamkeit der Besucher: « Le Clos aux<br />
Roses ». Hierbei handelt es sich um ein ganz neuartiges<br />
« Dorfgasthaus », dessen Küche seit 2015 zu den besten<br />
und originellsten der Region zählt und wo man ebenfalls<br />
nächtigen kann. Die junge und quirlige Küchenchefin Armelle<br />
Krause, die ihre Ausbildung in Paris absolvierte und<br />
bei großen Chefköchen wie Guy Martin (Grand Véfour<br />
in Paris) und Didier Anies (Grand Hôtel du Cap Ferrat)<br />
44 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2017</strong>/<strong>18</strong>