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Kinder brauchen nun mehr Aufmerksamkeit<br />
Gemeinsame Krisenbewältigung in Zeiten wie diesen: Es gilt, Kinder vor psychischer Überforderung zu schützen<br />
Unser gesamtes Leben wurde durch Covid-19 auf den Kopf gestellt.<br />
Der Alltag von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern<br />
sich getrennt haben beziehungsweise scheiden ließen oder die<br />
eine nahe Bezugsperson durch den Tod verloren haben, hat sich<br />
bereits einmal massiv verändert. Deshalb gilt es gerade jetzt, mit<br />
besonderem Augenmerk auf ihre emotionale und psychische Stabilität<br />
zu achten. „Rainbows Tirol“ gibt auch in dieser herausfordernden<br />
Zeit Halt sowie Sicherheit und zeigt Wege, wie Eltern<br />
und Kinder diese Krise gemeinsam meistern können.<br />
Von Beatrice Hackl<br />
Eine Krise, wie wir sie jetzt erleben,<br />
kann das seelische Gleichgewicht<br />
gehörig erschüttern. Wir<br />
sind derzeit täglich mit neuen<br />
Ereignissen und Eingriffen in das<br />
tägliche Leben konfrontiert, die<br />
wir nur in einem geringen Ausmaß<br />
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selbst beeinflussen können. Es gilt,<br />
sich verstärkt um die Kinder und<br />
Jugendlichen zu kümmern und<br />
Warnsignale zu erkennen. Kinder<br />
und Jugendliche, die die Trennung<br />
ihrer Eltern erlebt haben, haben in<br />
ihrem Leben schon einmal die Erfahrung<br />
gemacht, dass sie auf eine<br />
Entscheidung, die auch ihr Leben<br />
direkt betrifft, keinen Einfluss haben.<br />
Das führt zu Unsicherheit,<br />
Ängstlichkeit, Hilflosigkeit und<br />
dem Gefühl des Ausgeliefertseins.<br />
Auch Kinder und Jugendliche,<br />
die den Tod eines nahestehenden<br />
Menschen erlebt haben, kennen<br />
diese Gefühle gut. „Die momentane<br />
Lebenssituation, die durch<br />
den Coronavirus bedingt ist, kann<br />
nun zusätzlich zu großer Verunsicherung<br />
führen und erneut einen<br />
großen Kontrollverlust hervorrufen.<br />
Wieder gibt es etwas im Leben,<br />
das von ihnen nicht beeinflusst<br />
werden kann. Das kann alte, längst<br />
überwunden geglaubte Gefühle der<br />
Angst, Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit<br />
erneut hervorrufen“, gibt<br />
Barbara Baumgartner, Leiterin von<br />
„Rainbows Tirol“, zu bedenken.<br />
RAUM SCHAFFEN. In der<br />
derzeitigen Lebenssituation können<br />
unterschiedliche Trauer- und<br />
Wutreaktionen, Verlustängste oder<br />
andere diffuse Ängste schon bei<br />
den Kleinsten entstehen beziehungsweise<br />
sich verstärken. Auch<br />
die Sorge um Familienmitglieder<br />
wie Oma oder Opa, die man nicht<br />
sehen darf, kann wachsen. Solche<br />
Reaktionen werden normalerweise<br />
auch im sozialen Umfeld außerhalb<br />
der Familie sichtbar. Jetzt, da<br />
sich aber das ganze soziale Leben<br />
in den eigenen vier Wänden abspielt,<br />
fällt viel Normalität und Alltag<br />
wie Schule, Sport- und Freizeitaktivitäten<br />
weg, die den Kindern<br />
und Jugendlichen sonst Struktur,<br />
Halt und Sicherheit bieten. Die<br />
Reaktionen zeigen sich nun nur in<br />
der Familie, was zu verstärkten Herausforderungen<br />
im Zusammenleben<br />
führt. Da ist es wichtig, im Gespräch<br />
zu bleiben. Auch Bewegung<br />
„Rainbows Tirol“ agiert im Home-Office: Für Beratungen stehen die Mitarbeiter<br />
telefonisch und via Videokonferenzen zur Verfügung.<br />
Symbolfoto: pixabay.com<br />
soll nicht zu kurz kommen, denn<br />
diese verbessert das Wohlbefinden<br />
und ermöglicht auch ein Abreagieren.<br />
Das können beispielsweise<br />
Fitness-Challenges in der Familie<br />
sein. Es ist aber auch wichtig, sich<br />
zu Hause Rückzugsmöglichkeiten<br />
zu schaffen, denn jeder braucht seinen<br />
ganz persönlichen Freiraum.<br />
AUF SORGEN EINGEHEN.<br />
Eltern sollten offen auf die Fragen,<br />
Ängste und Sorgen ihrer<br />
Kinder eingehen und sie mit altersgerechten<br />
Worten auf dem<br />
Laufenden halten, um sie an der<br />
derzeitigen gesellschaftlichen Lage<br />
teilhaben zu lassen. So können die<br />
Kinder auch die Maßnahmen, die<br />
der Eindämmung des Virus dienen,<br />
besser verstehen und mittragen.<br />
Das verringert ihre Unsicherheit<br />
und das Gefühl der Hilflosigkeit.<br />
Eltern, die ständig besorgt die<br />
neuesten Nachrichten verfolgen<br />
und aufgeregt telefonieren, verunsichern<br />
auch ihre Kinder, denn<br />
Angst ist ansteckend. Da braucht es<br />
klare, nicht dramatisierende Erklärungen.<br />
Es ist eine ernste Situation,<br />
aber wir alle gemeinsam können etwas<br />
tun, um sie zu verbessern.<br />
STRUKTUR UND GEMEIN-<br />
SAME RITUALE. Kinder brauchen<br />
nun die besondere Aufmerksamkeit<br />
ihrer Familie und<br />
einfühlsames Verständnis. „Daher<br />
sollten getrennte Paare gerade jetzt<br />
besonders darauf achten, dass ihre<br />
gemeinsamen Kinder zu beiden Elternteilen<br />
so regelmäßig wie möglich<br />
Kontakt haben. Die Kontakte<br />
zu dem Elternteil, mit dem die<br />
Kinder nicht zusammenleben, sind<br />
ja ausdrücklich erlaubt – natürlich<br />
unter Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen“,<br />
betont Barbara<br />
Baumgartner. Das kann in Zeiten<br />
von Home-Office für alle Familienmitglieder<br />
eine Entlastung und<br />
Abwechslung sein. Es macht auch<br />
Sinn, die Kontaktregelungen für<br />
die nächsten Wochen so abzustimmen,<br />
dass sie für alle Beteiligten<br />
gut passen.<br />
„Wir empfehlen Eltern, in diesem<br />
veränderten Alltag nach Möglichkeiten<br />
zu suchen, in denen sie ihren<br />
Kindern Struktur und gemeinsame<br />
Rituale bieten. Zusammen<br />
Lesen, Musik, Spiele und auch kreative<br />
Betätigungen, wie Malen und<br />
Basteln tun allen gut. Damit wird<br />
sich auch die Entschleunigung, zu<br />
der viele von uns jetzt gezwungen<br />
werden, positiv auswirken“, unterstreicht<br />
Baumgartner.<br />
Wenn sich Eltern Sorgen machen,<br />
erhalten sie auch derzeit telefonische<br />
Unterstützung von „Rainbows<br />
Tirol“. Denn gestärkte Eltern<br />
können ihren Kindern den Halt<br />
geben, den sie jetzt brauchen. Für<br />
Rat- und Hilfesuchende sind die<br />
Mitarbeiter von Montag bis Donnerstag<br />
von 8 bis 13 Uhr und Freitag<br />
von 8 bis 12 Uhr unter der Tel.<br />
0512 579930 oder tirol@rainbows.<br />
at erreichbar.<br />
RUNDSCHAU Seite 6 13./14. Mai <strong>20</strong><strong>20</strong>