GAB Juni 2020
gab – seit 1996 das queere Magazin für Hessen und Baden-Württemberg.
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16 BÜHNE<br />
DAS HESSISCHE<br />
STAATSBALLETT<br />
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben die Pläne des Hessischen Staatsballetts<br />
durchkreuzt. Im Interview spricht Dramaturg Lucas Herrmann über Theaterarbeit im Ausnahmezustand – und kann<br />
Vorfreude auf eine Premiere noch in dieser Spielzeit wecken. *bjö<br />
Herr Herrmann, wie ist das Ensemble<br />
und das Team mit dem erzwungenen<br />
Arbeitsstopp und vor allem<br />
der andauernden Ungewissheit seit<br />
Mitte März umgegangen?<br />
Wir wurden praktisch auf der Zielgeraden<br />
unserer Wiesbadener Premiere des Doppelabends<br />
„Le sacre du printemps“ von der<br />
Theaterschließung überrascht. Bis zuletzt<br />
war unklar, ob wir die Produktion mit<br />
Choreografien von Bryan Arias und Edward<br />
Clug, die kurz zuvor sehr erfolgreich am<br />
Staatstheater Darmstadt auf die Bühne<br />
gebracht wurde, rausbringen können.<br />
Letztlich fanden wir uns am Premierentag<br />
im Homeoffice wieder. Probenmöglichkeiten<br />
bestanden von da an keine mehr.<br />
Die täglichen Nachrichten ließen keine<br />
praktikablen Prognosen zum weiteren<br />
Verlauf der Lage zu. In Videokonferenzen<br />
versammelten wir uns regelmäßig im Leitungsteam<br />
und mit dem Ensemble. Relativ<br />
schnell ließen sich dann Onlinetrainings für<br />
unsere Tänzer*innen organisieren. Das<br />
Leitungsteam vom Hessischen Staatsballett<br />
traf sich überdies beinahe täglich in<br />
digitaler Runde, um über die aktuelle Lage<br />
zu beratschlagen.<br />
Welche Alterativen konnten Sie<br />
übergangsweise für das Publikum<br />
einrichten?<br />
Seit Anfang April erstellen wir mit den<br />
„Virus Dances“ Tanzvideos für unsere Website<br />
und für Social Media-Kanäle. Darüber<br />
hinaus wollen wir den Kontakt mit unserem<br />
Publikum halten und neue Menschen<br />
für das Hessische Staatsballett begeistern.<br />
Mit „TTT – Talks, Trainings, Tasks“ entwickelten<br />
wir dafür ein Onlineformat mit<br />
öffentlichen Balletttrainings und Künstlergesprächen<br />
per Videokonferenz. Dabei<br />
hatten bisher vor allem einige unserer<br />
Tänzer*innen die Möglichkeit, die Arbeitsstände<br />
ihrer in Planung befindlichen<br />
Choreografien für das Projekt „Startbahn<br />
<strong>2020</strong>“ vorzustellen.<br />
Tänzerin Vanessa Shield<br />
FOTOS: DE-DA PRODUCTIONS<br />
Inzwischen<br />
können die<br />
Theater unter<br />
strengen Auflagen<br />
wieder<br />
öffnen. Kann<br />
das Hessische<br />
Staatsballett<br />
mit diesen<br />
Einschränkungen<br />
noch in<br />
dieser Spielzeit<br />
wieder auftreten?<br />
Haben wir<br />
dann wie beim<br />
Fußball „Geisterspiele“?<br />
Es freut uns<br />
sehr mitteilen zu<br />
können, dass wir<br />
in dieser Spielzeit<br />
mit „Startbahn <strong>2020</strong>“ noch die Möglichkeit<br />
haben, auf die Bühne zurückzukehren.<br />
In zwei Teilen an zwei Abenden werden<br />
Tänzer*innen unseres Ensembles am 5.<br />
und 6. <strong>Juni</strong> eigene Kurzchoreografien im<br />
Kleinen Haus des Hessischen Staatstheaters<br />
Wiesbaden zur Premiere bringen. An<br />
dem Projekt arbeiten die Choreograf*innen<br />
seit Monaten. Hinsichtlich der Aufführungsbedingungen<br />
bestehen einige<br />
Restriktionen, die den Tanz vor große<br />
Herausforderungen stellen. Durch den<br />
einzuhaltenden Mindestabstand sind<br />
körperliche Berührungen weitestgehend<br />
unmöglich. Duette, Trios oder anderweitige<br />
Gruppenformationen können damit<br />
im herkömmlichen Sinn nicht realisiert<br />
werden. Viele der Choreograf*innen mussten<br />
daher ihre ursprünglichen Konzepte<br />
entweder komplett verwerfen oder den<br />
gegebenen Umständen anpassen. Darüber<br />
hinaus gibt es staatlich angeordnete<br />
Zuschauerbeschränkungen, wodurch die<br />
Säle sich signifikant leeren werden. Eine<br />
„Geisterspielatmosphäre“ wird dabei aber<br />
hoffentlich nicht aufkommen. Wir versuchen<br />
der herausfordernden Lage aber auch<br />
etwas Gutes abzugewinnen und diese<br />
Einschränkungen zum Anlass zu nehmen,<br />
Tanz ganz neu zu denken.<br />
Auch die Infos zur nächsten Spielzeit<br />
wurden bereits veröffentlicht;<br />
haben die Corona-Maßnahmen<br />
darauf Einfluss genommen – und auf<br />
was können Tanzfans sich besonders<br />
freuen?<br />
Wir eröffnen die kommende Spielzeit<br />
hinsichtlich der Neuproduktionen mit<br />
dem Ballettdoppelabend „Horizonte“ mit<br />
Arbeiten der renommierten Choreografinnen<br />
Xie Xin und Sharon Eyal im Oktober in<br />
Darmstadt. Der Abend verspricht energetisch<br />
und sinnlich zu werden. Im Februar<br />
2021 hat Tim Plegges neuer Ballettabend<br />
„memento“ zur Asrael-Symphonie von