03.08.2020 Aufrufe

STADTBLATT_20.04

Das Osnabrück Magazin. Ausgabe April 2020

Das Osnabrück Magazin. Ausgabe April 2020

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ortstermin<br />

FOTOS: ANNE LANG<br />

Die beiden Streuobstpädagogen<br />

lernen jedes Jahr dazu — was<br />

brauchen die Pflanzen, und wie<br />

kann man ihnen helfen, mit den<br />

sich wandelnden Klimabedingungen<br />

klarzukommen?<br />

In der offenen Streuobstwiesengruppe können die Kinder jeden letzten Samstag<br />

im Monat den Garten und seine Bewohner weiter entdecken<br />

Klassenzimmer im Grünen<br />

Die beiden Streuobstpädagogen Nina<br />

Meyer und Leon Pohlmann wollen in<br />

ihrem Garten auf dem Kalkhügel mehr<br />

Bewusstsein für unsere heimische<br />

Natur schaffen — wir sind unterwegs<br />

in einem „Klassenzimmer“ unter<br />

Apfelbaumkronen.<br />

von außen wirkt der Garten ziemlich unscheinbar;<br />

ganz brav reiht er sich neben<br />

die anderen abgezäunten Grünstücke<br />

auf dem Kalkhügel ein. Nur ab und zu hört man<br />

das bunte Stimmengewirr von Kindern über den<br />

Zaun. Dahinter wird man von unzähligen, urigkrummen<br />

Apfelbäumen in die Arme genommen;<br />

es ist ein willkommener Rückzugsort außerhalb<br />

von Beton, Straßenlärm und verschmutzer Luft.<br />

Auch allerlei Tiere wie Bienen, Hummeln oder Igel<br />

finden hier einen geschützten Raum voller Leben.<br />

Als Nina Meyer und Leon Pohlmann das Grundstück<br />

vor drei Jahren pachteten, sahen sie von all<br />

der Lebendigkeit zunächst jedoch nicht sehr viel;<br />

die zahllosen Apfel- und Birnbäume versteckten<br />

sich hinter mannshohen Brombeerhecken. Als ein<br />

paar der alten Bäume schließlich Früchte trugen,<br />

waren die beiden heillos überfordert mit all dem<br />

Obst, das aus den Kronen regnete. „Wir wussten<br />

gar nicht wohin mit den Äpfeln“, berichtet Leon<br />

Pohlmann. „Also begannen wir sie zu verschenken<br />

und unseren Garten ab und an für alle Pflückfreudigen<br />

zu öffnen.“ Und so fing alles an, denn die<br />

Leute kamen, fasziniert von der kleinen Obstoase<br />

direkt neben Osnabrück. Hier wachsen Apfelsorten,<br />

deren Namen man längst vergessen hat. Es blüht,<br />

summt und raschelt überall so lebhaft, dass die<br />

Besucher schließlich neugierige Fragen stellten,<br />

über die Apfelsorten, ihre Geschichten und das<br />

Ökosystem drum herum. So haben sich die beiden<br />

immer mehr mit dem Lebensraum Streuobstwiese<br />

auseinandergesetzt: Wer und was lebt hier eigentlich?<br />

Und was brauchen die Tiere und Pflanzen, um<br />

sich hier wohlzufühlen?<br />

Wenn es wieder besonders viele Äpfel regnete,<br />

fragten sie sich auch immer häufiger: Wieso wird<br />

all das Obst in unseren Supermärkten das ganze<br />

3 Fragen an:<br />

Nina Meyer und Leon Pohlmann<br />

Was ist eure Lieblingsarbeit<br />

hier im<br />

Garten?<br />

Für Leon ist es definitiv<br />

der Baumschnitt<br />

und für mich das Apfelsammeln.<br />

Welche eurer Obstsorten<br />

schmeckt<br />

euch am besten?<br />

Unser Geheimtipp ist die „Ananasrenette“, aber alle<br />

Sorten sind auf ihre Weise hundertmal besser als die<br />

im Supermarkt.<br />

Was ist für euch das Wichtigste an eurer Arbeit?<br />

Dass wir die Kinder erreichen und tatsächlich Bewusstsein<br />

für die Natur und ihre empfindlichen Ökosysteme<br />

schaffen können.<br />

Jahr über aus Übersee importiert, wenn es auch<br />

hier so gut wächst? „All das ungenutzte Obst kam<br />

uns wie eine riesige Ressourcenverschwendung<br />

vor“, erzählen die beiden. „Wir haben gemerkt,<br />

wie sehr wir den Kontakt zu der Natur um uns<br />

herum verloren haben.“ Im Supermarkt erwarten<br />

wir perfekte, frisch-knackige Äpfel; was die Natur<br />

für einen Preis dafür zahlt, ist uns egal. Das hat die<br />

beiden inspiriert, mehr über das Ökosystem in<br />

ihrem Garten zu lernen und sich schließlich nebenberuflich<br />

zu „Streuobstpädagogen“ ausbilden<br />

zu lassen.<br />

Dabei haben sie gelernt, wie man vor allem in<br />

Kindern wieder Neugierde und Respekt für die Natur<br />

und seine Bewohner wecken kann — weg von<br />

der Luxus-Kultur im Supermarkt hin zu der faszinierenden<br />

Vielfalt natürlicher Ökosysteme.<br />

Mit einem „Klassenraum im Grünen“ wollen Nina<br />

Meyer und Leon Pohlmann Kindergarten- und<br />

Schulkindern die Chance geben, die Natur und ihre<br />

Lebewesen außerhalb ihrer Bücher unmittelbar<br />

selbst erleben und erforschen zu können. Jeden<br />

letzten Samstag im Monat bieten sie dafür eine<br />

„offene Streuobstwiesengruppe“ an. Auf Insektensafari,<br />

Tierspurensuche, beim Wildkräuterpicknick<br />

oder beim Bauen von Tierbehausungen können die<br />

Kinder dort auf eigene Faust erkunden, was da so<br />

alles blüht und krabbelt — und lernen, dass man<br />

Äpfel auch noch essen kann, wenn schon ein<br />

Wurm daran geknabbert hat. „Es macht unglaublich<br />

viel Spaß, gemeinsam mit der Gruppe auf Entdeckungsreise<br />

zu gehen“, sagt Nina Meyer. Und<br />

man lerne ständig selbst dazu, weil Kinder sehr<br />

ungewöhnliche Perspektiven auf die gewöhnlichsten<br />

Dinge haben.<br />

<strong>STADTBLATT</strong> 4.2020 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!