STADTBLATT_20.04
Das Osnabrück Magazin. Ausgabe April 2020
Das Osnabrück Magazin. Ausgabe April 2020
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010<br />
Fragen an ...<br />
Franca Parianen<br />
Wissenschafts-Autorin aus Osnabrück<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Sie haben am Max-<br />
Planck-Institut für Kognition und Neurowissenschaften<br />
in Leipzig gearbeitet<br />
und jetzt ein Buch über Hormone geschrieben.<br />
Wann hat das angefangen,<br />
dass Sie sich dafür interessiert haben,<br />
wie Menschen ‚ticken‘?<br />
FRANCA PARIANEN: Während meiner<br />
Oberstufenzeit in Osnabrück, da habe<br />
ich Bücher des britischen Neurologen<br />
Oliver Sacks gelesen. Ich war fasziniert<br />
davon, was er über den Menschen herausgefunden<br />
hat und wie er es beschreibt.<br />
Aber auch die Universität Osnabrück<br />
hat ihren Anteil daran.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Inwiefern?<br />
FRANCA PARIANEN: Ich bin zur Gesamtschule<br />
Schinkel gegangen. Und während<br />
der 11. Klasse durfte ich an dem<br />
Frühstudent*innen-Programm der Universität<br />
Osnabrück teilnehmen und<br />
habe mich gleich eingeschrieben für<br />
Biopsychologie und Mikrobiologie.<br />
Das hat auch zu meiner Begeisterung<br />
für dieses Gebiet beigetragen.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Und nach dem Abitur<br />
haben Sie dann studiert?<br />
FRANCA PARIANEN: Ja, ich habe zuerst<br />
im Bachelor Public Administration<br />
studiert. Aber das Thema Gehirn als<br />
Schnittstelle zwischen Geistes- und<br />
Naturwissenschaften hat mich eigentlich<br />
nie losgelassen, und so habe ich<br />
dann noch Neurowissenschaften studiert.<br />
Und jetzt darin den Doktor gemacht.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Worum geht es in Ihrem<br />
Buch? Es heißt „Hormongesteuert ist<br />
immerhin selbstbestimmt“.<br />
FRANCA PARIANEN: In meinem Buch<br />
geht es vor allem um den Einfluss von<br />
Hormonen auf unser Gehirn, diesen<br />
Einfluss haben wir lange Zeit ignoriert.<br />
Wir tendieren dazu, eine harte Grenze<br />
zu ziehen und zu sagen: „Das ist unser<br />
Körper und das ist unser Gehirn, und<br />
beide haben nicht allzu viel miteinander<br />
zu tun.“ Und wenn das eine das<br />
andere beeinflusst, dann haben wir<br />
das Gefühl, das sei merkwürdig.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Und dieses Gefühl trügt?<br />
FRANCA PARIANEN: Ja. Die Vorstellung<br />
davon, dass wir nur unser Gehirn sind,<br />
ist veraltet. Wir wissen inzwischen,<br />
dass Hormone in vielen Situationen<br />
des menschlichen Lebens den Ton angeben,<br />
sodass Herz und Hirn im Takt<br />
arbeiten. Man kann sich das wie<br />
„Shifts“ vorstellen, zwischen ruhig und<br />
nervös, euphorisch und entspannt,<br />
draufgängerisch und sozial-kompetent.<br />
Und die Hormone machen das<br />
ziemlich gut! Wenn sie zum Beispiel<br />
dafür sorgen, dass wir morgens aufstehen<br />
können und abends müde werden.<br />
Oder wenn wir bei der Arbeit fokussiert<br />
sind – diese Konzentration auf eine Sache<br />
wird über Hormone geregelt.<br />
Franca Parianen: „Die Take-home-Message ist: Weniger Sorge darüber, was Hormone<br />
mit uns anstellen, sondern darüber, was wir mit Hormonen anstellen!“<br />
FOTO: PRIVAT<br />
FÄLLT AUS!<br />
P 4.4.2020, Littera-Lesung im<br />
BlueNote des Cinema-Arthouse<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Also sollen wir auf unsere<br />
Hormone hören?<br />
FRANCA PARIANEN: Genau. Die Takehome-Message<br />
ist: Weniger Sorge darüber,<br />
was Hormone mit uns anstellen,<br />
sondern darüber, was wir mit Hormonen<br />
anstellen! Unser Hormonsystem<br />
weiß oft, was gut für uns ist. Und wenn<br />
wir müde werden, sollten wir es nicht<br />
austricksen und uns vor einen PC-Bildschirm<br />
setzen, dessen künstliches<br />
blaues Licht dem Hormonsystem suggeriert,<br />
es sei Tag.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Gibt es Hormone, die Sie<br />
besonders faszinierend finden?<br />
FRANCA PARIANEN: Oxytocin ist als das<br />
Hormon bekannt, das unsere sozialen<br />
Bindungen steuert. Es bestimmt unter<br />
anderem die Bindung von Erwachsenen<br />
zu Kindern. Schon vor der Geburt.<br />
Und Testosteron ist ebenfalls wichtig<br />
für Eltern. Es fällt zwar in Phasen fester<br />
Beziehung eher ab, steigt aber, wenn<br />
wir schnell handeln müssen für uns<br />
und unsere Liebsten. Daher ist die<br />
Idee, Vater-Werden sei das Gegenteil<br />
von Männlichkeit, Unsinn. Wir brauchen<br />
beides: Wir brauchen Oxytocin<br />
und Testosteron, um Eltern zu sein.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Gibt es noch ein Hormon,<br />
das mit Vorurteilen besetzt ist?<br />
FRANCA PARIANEN: Von Östrogen sagt<br />
man ja, dass es die Frauen ‚verrückt‘<br />
macht, während sie ihre Tage haben.<br />
Aber es ist ein Hormon, dass gleichzeitig<br />
sehr gut ist für das Immunsystem<br />
und es hilft dabei Traumata zu<br />
überwinden und Ängste zu verlieren.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Sie haben auch Erfahrung<br />
als Science Slammerin. Kommt das<br />
Ihren Lesungen zugute?<br />
FRANCA PARIANEN: Auf jeden Fall. Ich<br />
nutze in meinen Lesungen zum Beispiel<br />
gerne Videos und auch Humor ist<br />
mir wichtig, um mein wissenschaft -<br />
liches Thema anschaulich zu transportieren.<br />
<strong>STADTBLATT</strong>: Werden Sie sich jetzt<br />
stärker auf das Schreiben konzentrieren?<br />
FRANCA PARIANEN: Ja, ich kann mich<br />
glücklicherweise jetzt voll und ganz<br />
auf meine Arbeit als Autorin konzentrieren.<br />
Zum Thema Hormone gibt es<br />
noch viele Fäden aufzunehmen.<br />
INTERVIEW: MARS