STADTBLATT_20.04

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kunst sehenswert „Zivilcollage“ Hmmja, hier geht es doch sicher um Politik? Ja, vielleicht. Aber die BBK-Künstler dieser Gruppenausstellung befassen sich vor allem mit einem, und daher auch der Titel: mit der Technik der Collage. Und kunsthistorische Bildung steht scheinbar auch auf dem Programm. Mit dabei, von Hanna von Behr bis Regine Wolff, von Evi Binzinger bis Mechthild Wendt: Urgesteine wie Johannes Eidt, Neulinge wie Alexander Kapitanowski, BBK- Funktionsträger wie Jens Raddatz. P bis 18.4., KunstQuartier des BBK „enjoy the crisis“ Nein, das hat nicht mit Corona zu tun. Denn „crisis“, das hat hier, auch, mit dem Formthema „Kreis“ zu tun. Skulpturengruppen und Wandreliefs „dürfen genossen werden“, sagen die Macher. Und das hier sagen sie auch: „Neben dem sinnlichen Genuss an den Arbeiten im dreidimensionalen Bereich ist crisis in dieser Ausstellung ein roter Faden, der inhaltlich alle Objekte miteinander verbindet. Bei näherer Betrachtung wird crisis in den einzelnen Skulpturengruppen spürbar und erfahrbar.“ Okay, sehen wir nach! P bis 9.5., Skulptur-Galerie „Alles Easy“ Ergebnisse einer „Forschungsreise“ von Kevin Bauer und Samuel Treindl (aus den Niederlanden nach Deutschland). Gesammelt haben Sie Werkstoffe, Kenntnisse über den Umgang mit ihnen, und hier wird das Ganze zu einem Experiment. Denn die Rauminstallation, die hier entsteht, entsteht in Zusammenarbeit mit den Besuchern. Erst ein „Road Trip“ also, dann eine „Open Factory“ P bis 11.4., Kunstraum hase 29 HPS FOTO: HERMANN PENTERMANN Nasan Tur, in „Nasan Tur“: „Ich gebe nicht vor, Lösungen zu besitzen; ich zeige, was uns Menschen prägt.“ Gebäck und Hymne Fremdheit, überall: Die Ausstellung von Nasan Tur im Museumsquartier Osnabrück ist klein, aber stark. nur vier Exponate ist „Nasan Tur“ groß. Ein Soundobjekt, zwei Videos, ein Foto. Aber eine wirkmächtigere, ernstere Ausstellung ist in Osnabrück schwer zu finden. Und dass sie heißt wie der Künstler selbst, ist sinnreich. „Es gilt, nicht wegzuschauen“, sagt Tur. „Nicht von den Zuständen der Gesellschaft, nicht von sich selber.“ Während er das sagt, steht er vor seinem traumsequenzhaften Schwarzweiß-Videoloop „Run“. Ohne Anfang, ohne Ende, stürzt er darin durch die immer gleichen Räume, wie gejagt, wie verfolgt, und doch zugleich wie um zu etwas zu gelangen, das schicksalhaft unerreichbar ist. Ein Lauf ums Leben, in dem Tur mit dem Betrachter fast verschmilzt. „Nicht um das Sichtbare allein geht es hier. Auch um das, was es sichtbar macht.“ Es ist der 7. März. Ein besonderer Tag für Nasan Tur, hier in Osnabrück. Ein paar Viertelstunden zuvor hat er im Untergeschoß eine Stellwand beiseitegeschoben. Dahinter: Ein Dutzend Kids des Workshops „Orgeln“, mit Pinseln und Bleistiften. An Turs Kunst entwickeln sie eigene. Orgeln? Das hat mit Turs Installation „Deutschland“ zu tun: Ein Leierkasten, um ihn Dunkelheit, auf den ersten Blick verstörend herzig, auf den zweiten verstörend spooky, stumm erst, doch dann, nervenzerfetzend schrill, der Totengräber der Nationalhymne. Bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, verstümmelt er sie. „Die Gleichzeitigkeit von Zugehörigkeit und Abgrenzung“, sagt Tur. „Und von Ausgrenzung.“ Und von Suchen und Finden. Turs Blick folgt dem hektischen Drehen der Kurbel, das jäh abbricht. „Alles um uns ist sehr befristet, auch ein Staat. Sind wir heute noch ein Teil von ihm, sind wir vielleicht morgen schon heimatlos.“ Wie „Run“ ist „Deutschland“ ein Bild der Angst, der Verletzlichkeit. Und sehr symbolistisch. Im Workshop ist Tur von ein paar Jungen umringt. Fragt, erzählt. Kunst kann Hemmschwellen errichten; hier tut sie es nicht. Tur, der Besuch aus Berlin, ist Documenta-Teilnehmer, hat von Finnland bis Großbritannien ausgestellt, von Paris bis Rom. Aber die Kids spüren: Hier steht ein Mensch. Interessiert an ihrem Tun, ihrem Denken und Empfinden. Authentisch, offen. Und so sind sie wie er. Und dann kommt die Rede auf Turs Video „In My Pants“. Tur steht in ihm in einem leeren Raum, reglos, lange. Und dann beginnt es: Tur nässt sich ein. Schutzlosigkeit, Ohnmacht, Zweifel teilen sich mit. Persönlicher kann eine Arbeit nicht sein. „Hattet ihr vielleicht ja auch schon mal?“, fragt Tur, und die Kids verstehen sehr gut, wie er das meint. Wer sich Arbeiten wie „In My Pants“ nähert, hat Glück, wenn es im Gespräch mit Tur geschieht. Denn dann fallen Sätze wie: „Ich versuche, grundehrlich mit mir zu sein, meine Ängste preiszugeben, meine Schwächen. Das ist der Grund, warum ich Kunst mache. Ich gebe nicht vor, Lösungen zu besitzen; ich zeige, was uns Menschen prägt.“ Eine emotionale Schau - so emotional wie Tur selbst. Eine Schau vor allem, in der es, wie bei Nussbaum, um Fremdheit und Flucht geht. „Viele überhöhen sich ja, stellen sich über andere“, sagt Tur. „Aber wie verroht muss ich sein, wie unmenschlich, wenn ich froh bin, dass andere zu den Verlierern zählen?“ Fremdheit, Flucht. Dass der 7. März ein besonderer Tag für Nasan Tur ist, hier in Osnabrück, zeigt sich auch am Nachmittag. Für das erste Kennenlern- Treffen zum ausstellungsflankierenden Partizipativprojekt „Ausblicke“ steht ein Stuhlkreis bereit. Und Kaffee und Saft. Und Gebäck und Obst. Migranten sind eingeladen, die in Osnabrück im Exil leben. Und so viele kommen, dass der Kreis erweitert werden muss, und erweitert, und erweitert, Ländernamen wie Somalia, Irak und Afghanistan fallen. Und dann erzählt Tur ihnen, was er vorhat: Sie zu besuchen, ihre Geschichten zu sammeln, ein Foto zu machen, aus einem Fenster ihrer Wohnung heraus, auf eine Stadt der Heimat und der Fremde. Tur zeigt „Tur“. Erzählt von sich. Baut Hemmschwellen ab, Vertrauen auf. Positiver, offener, herzlicher, hoffnungsheller kann eine Begegnung nicht sein. Mailadressen und Telefonnummern werden ausgetauscht. Laura Hartmann, Museumslotsin für „diversitätssensible Vermittlung“, glücklich: „Wirklich schön!“ Nach Corona kommt Tur zurück. Dann fängt die Arbeit an den „Ausblicken“ an. Auch ein besonderer Tag. HARFF-PETER SCHÖNHERR P bis 15.11., Osnabrück, Museums - quartier/Felix-Nussbaum-Haus 30 <strong>STADTBLATT</strong> 4.2020
kunst und ausstellungen FOTO: TOM CARTER Hoffnung? Schöner Titel, in diesen Tagen. Aber er hat mit Corona nichts zu tun, denn das hier ist Teil 3 der Ausstellungstrilogie GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG: „Menschen machen sich Hoffnungen, halten an diesen fest, können die Hoffnung verlieren, neue Hoffnung schöpfen oder hoffnungslos verzweifeln. Was aber bedeutet Hoffnung?“ Ja, was? Künstlerische Positionen aus dem 20. und 21. Jahrhundert, machen, lernen wir, „Mehrdeutigkeiten und mögliche Widersprüche deutlich: Ist Hoffnung das Vertrauen, dass ,alles gut geht‘ oder eher blinder Irrglaube? Ist sie stärkender Antrieb oder lähmt sie nicht sogar?“ Draiflessen, Mettingen ©THORSTEN BRINKMANN & VG BILDKUNST BONN 2018 Zwei „herausragende Positionen des zeitgenössischen Porträts“ sind Thorsten Brinkmann und Simon Nelke, erfahren wir. Brinkmann bedient sich „aus einem breiten kunsthistorischen Spektrum, von altmeisterlichen Stillleben, Herrscherporträts und Readymades hin zu radikalen Farbflächen“. „Vieldeutigkeit und unbändige Lust an der Metamorphose sind Teil seines Konzepts.“ Simon Nelke, „mit seinen mystischen Protagonisten, die dem Prinzip des Setzens und Löschens gehorchen“, macht „Schicht für Schicht das Verborgene sichtbar“. Das muss man sehen, um es zu verstehen. Galerie w. OSNABRÜCK BBK Kunstquartier. „Zivilcollage“, bis 18.4. DBU, ZUK. „Planet Gesundheit“, bis auf weiteres Dom. „Die Zittauer Fastentücher“, bis 8.4. Erich Maria Remarque-Friedenszentrum. „WoW – Wirksam ohne Waffen“, bis 31.5. Galerie KunstGenuss. „Plakatkunst des 20. Jahrhunderts“, bis Juli Galerie w. Thorsten Brinkmann und Simon Nelke“, bis 8.5. Gedenkstätte Gestapokeller. „Polizeiarbeit und Zwangssarbeit“, ab 1.4. Katholische Familienbildungsstätte. „Kunst am Dienstag“, Werke in Acryl, bis 13.5. Kunsthalle. Bis 30.4. geschlossen Kunstraum Hase 29. Bis auf weiteres geschlossen. Kunstzelle. Manfred Heinze: Regine Wolff, „ESCAPE ROOM | PANIC GAME“, bis 14.6. Museum Industriekultur. „Flinke Nachtschwärmer“, bis auf weiteres Museumsquartier/Felix-Nussbaum-Haus. Kulturgeschichtliches Museum. „Nasan Tur“, bis 15.11.; „Franz Hecker – Gemälde“, bis 7.6. Museum am Schölerberg für Natur und Umwelt. „Mission 2030 – Globale Ziele erleben“, bis 16.8. Piesberger Gesellschaftshaus. Lupo Finto, Fotos, bis auf weiteres Skulptur-Galerie. Margit Rusert: „enjoy the crisis“, bis 9.5. Stadtbibliothek. „Der Meerhase“, bis 30.6. UMLAND BAD ESSEN Schafstall. „Moments musicaux“, Ulf-Guido Schäfer, bis 26.4. BERSENBRÜCK Museum im Kloster Bersenbrück. „Vergraben & geborgen – Münzfund von Börstel, ab 5.4. BIELEFELD Kunstverein. Julie Bena, bis 26.4. BRAMSCHE Kloster Malgarten. „Raum für Sophia“, Skulpturen von Julitta Franke, bis auf weiteres Tuchmacher-Museum. Andrea Wilmers: „Zickzack“ von Dörte Putensen, ab 27.3. Varusschlacht im Osnabrücker Land, Museum und Park Kalkriese. „2 Millionen Jahre Migration“, 25.4. bis 12.10. GEORGSMARIENHÜTTE Villa Stahmer. Malereien von Judith Kaminski, bis 19.4. MELLE Engelgarten. „Poetische Annäherungen“: Zipora Rafaelov und Jón Thor Gislason, bis 29.3. METTINGEN Draiflessen. „Hoffnung“, bis 21.6. MÜNSTER Kunstmuseum Pablo Picasso. „Beauty Is A Line“, von Cy Twombly bis Gerhard Richter, bis 24.5. Kunsthalle. „Moon Machine, Landing“, Tobias Euler, Thies Mynther, Veit Sprenger, bis 19.4. NORDHORN Städtische Galerie. „TBQ“, Nezaket Ekici und Shahar Marcus, bis 10.5. OHRBECK Gedenkstätte Augustaschacht. „Polizei - arbeit und Zwangssarbeit“, ab 1.4. OSTERCAPPELN Heimatmuseum Schwagstorf. „Kommu - nikation im Wandel der Zeit – Wie wir uns früher informierten“, jeden 1. So. im Monat TELGTE Altstadt. Christel Lechner: „Alltagsmenschen“, bis 5.7. WALLENHORST Ruller Haus. „Urban feeling“, Bilder von Azim F. Becker, ab 24.4. <strong>STADTBLATT</strong> 4.2020 31
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