Weiterbildung / Arbeitsbedingungen «Care Now» – und 1200 wollten Am Anfang sah es brenzlig aus: Würde das Schweizer Gesundheitswesen die Corona-Krise meistern? Damit die Antwort Ja lautet, startete im März «Care Now», eine Vermittlungsplattform für medizinische Fachkräfte. Die Bilanz. Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer vsao Die auch vom vsao unterstützte Online-Plattform «Care Now» ist für die Nutzerinnen und Nutzer gratis. Für die Kosten kommen die ETH Zürich und die Firma Medison auf. Eine wichtige Rolle spielt ausserdem Freiwilligenarbeit. (Bild : zvg) 12 4/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen Über Grenzen hinweg solidarisch handeln – und das rasch. Diese Idee stand dem Projekt «Care Now» Pate – und wurde von den Promotoren vorgelebt. Als die Dienstleistung zu Beginn der Pandemie online ging, bestand die Trägerschaft aus einer Universität, einer Handvoll junger Internetspezialisten und mehreren Verbänden. «An der ETH Zürich konnten wir schnell und unbürokratisch handeln», erklärt Jörg Goldhahn, Professor im Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie. Sein Team vermittelte im Mehrschichtbetrieb Fachkräfte, die mit ihrem Einsatz Gesundheitseinrichtungen helfen wollten. Die Entwicklung der Plattform wiederum hatte Medison übernommen, «ein medizinisches HR-Tech-Start-Up in Bern», wie Mitgründer Nicola Rüegsegger ausführt. Der Verband der Schweizer Medizinstudierenden swimsa verfügte seinerseits bereits über eine eigene CO- VID-19-Taskforce und konnte so seinen Partnern in Kürze mit Rat und Tat zur Seite stehen. Als wichtig erwiesen sich zudem die Ärzteverbände, welche die Plattform unterstützten und bei ihren Mitgliedern bekannt machten. Nebst dem vsao zählten dazu die FMH, die Kinderärzte Schweiz (KIS), die Haus- und Kinderärzte Schweiz (mfe), das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF), die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) und der Schweizerische Verband Medizinischer Praxis-Fachpersonen (SVA). Innert Kürze 100 Vermittlungen «Care Now» war nicht das einzige Angebot, um speziell Spitäler durch zusätzliches Personal für die Corona-Krise zu rüsten. «Wir verfolgten aber nicht denselben Ansatz wie andere», betont Nicola Rüegsegger, im Übrigen selbst Arzt. «Die Spitäler sollten nicht nur die benötigten Fachkräfte erhalten, sondern durch unser Koordinationsteam administrativ entlastet werden.» Das habe zwar mehr Aufwand und Kosten verursacht, habe sich jedoch ausbezahlt: «Wir konnten in kürzester Zeit rund 100 Personen vermitteln.» Diese verteilten sich auf 73 Gesundheitseinrichtungen, meist in der Deutschschweiz und nebst Regional-, Kantonsund Unispitälern Psychiatrien, Suchtkliniken, Pflegeheime und kantonale Institutionen. Bei der Plattform gemeldet hatten sich Ärztinnen und Ärzte, Medizinstudierende, Pflegefachleute, medizinische Praxisassistentinnen, Zahnmediziner und sogar Apotheker sowie Rettungssanitäter. Insgesamt umfasste der Pool rund 1200 potenzielle Helferinnen und Helfer in einer Altersspanne von 20 Jahren bis weit in den Ruhestand. Alle Anfragen von Gesundheitseinrichtungen wurden mit diesem Reservoir abgeglichen und wenn möglich passende Fachkräfte vermittelt. Ein Grossteil des angemeldeten Bedarfs liess sich so decken. Solidarität statt Grenzen Eine stolze Bilanz, zu der allerdings nicht nur nackte Zahlen gehören würden, betont Nadine Willi, Teamleiterin an der ETH Zürich. «Besonders erfreulich war die enorme Solidarität. Diversen Interessierten ging es darum, ihre spezifischen Fähigkeiten auch ausserhalb ihres üblichen beruflichen Tätigkeitsgebiets zur Verfügung zu stellen.» Etwa Physiotherapeuten, welche eine Einsatzmöglichkeit in der Pflege suchten, oder eine Arztsekretärin, die ihren über Jahre aufgebauten Bezug zur Medizin und deren Terminologie einbringen wollte. «Es war schön, zu erleben, wie Menschen aus dem Gesundheitswesen zusammenrücken, wenn es hart auf hart kommt. Und über die sonst zum Teil ausgeprägten Berufsgrenzen hinwegsehen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.» Anderseits galt es, gewisse Schwierigkeiten zu meistern. «Wie weit soll schon das Koordinationsteam Berufsdiplome kontrollieren – und was ist, wenn diese aus dem Ausland stammen und in einer anderen Sprache ausgestellt wurden?», nennt Willi Beispiele. Oder: «Ist eine Person noch einsetzbar, die 15 Jahre nicht mehr im Beruf gearbeitet hat?» Man sei bei der Beantwortung solcher Fragen pragmatisch und unter Berücksichtigung aller im Einzelfall involvierten Parteien und Interessen vorgegangen. Und nun? «Care Now» werde sicher noch bis Ende September online und einsatzbereit bleiben, sagt Nicola Rüegsegger. Anschliessend sei offen, wie es weitergeht. «Grundsätzlich sind die Prozesse definiert und die Technologie entwickelt, die es für den erfolgreichen Betrieb einer solchen Plattform braucht. Das heisst: Auch künftig wird die gleiche oder eine ähnliche Dienstleistung rasch wieder in Betrieb gehen können, falls nötig.» Was natürlich niemand hofft. Mehr zum Thema unter: www.carenow.ch <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 4/20 13