VSAO JOURNAL Nr. 4 - August 2020
Prozess - Justiz, Religion, Evolution Gastroenterologie - Das Chamäleon Zöliakie Infektiologie - Urogynäkologische Infektionen Politik - Zurück in die Zukunft (?)
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Perspektiven<br />
zend ist zu erwähnen, dass das lokale Antiinfektivum<br />
Dequaliniumchlorid (DQC) eine<br />
gute Alternative zu den Antibiotika bildet.<br />
DQC ist effektiv gegen Candida spp.,<br />
die bakterielle Vaginose, die aerobe Vaginitis<br />
und Mischinfektionen wirksam [8].<br />
Urethrale Infekte<br />
Urethritiden werden in nichtinfektiöse<br />
Urethritiden und infektiöse Urethritiden<br />
eingeteilt. Bei den nichtinfek tiösen Urethritiden<br />
unterscheiden wir mechanisch-traumatische<br />
und chemische Ursachen<br />
(Vaginalspülungen, Desinfizienzien).<br />
Im Folgenden gehen wir nur auf die<br />
infektiösen Ursachen ein.<br />
Fakultative urethrale Keime<br />
Ob bei Frauen Urethritiden mit Mollicuten<br />
(weichhäutige Bakterien) wie Ureaplasmen<br />
und Mykoplasmen Krankheitsverursacher<br />
sind, ist noch nicht vollständig geklärt.<br />
Mollicuten gehören zu den Mycoplasmataceae.<br />
Diese winzigen Keime haben<br />
keine Zellwand und lassen sich daher<br />
in der Gramfärbung nicht anfärben. Fünf<br />
Spezies der Mycoplasmataceae besiedeln<br />
den menschlichen Urogenitaltrakt: Mycoplasma<br />
(M.) hominis, M. genitalium, M.<br />
fermentans, Ureaplasma (U.) urealyticum<br />
und U. parvum. Diese Keime sind in 20–<br />
40 % aller sexuell aktiven Frauen nachweisbar<br />
[15]. Inwiefern sie zur normalen<br />
Besiedelung gehören und ab welchem<br />
Zeitpunkt sie Beschwerden machen, ist<br />
Gegenstand der Forschung [16]. Beim<br />
Nachweis einer geringen Menge oder vereinzelter<br />
Keime ist die Wahrscheinlichkeit<br />
zu vernachlässigen, dass der Erreger eine<br />
Infektion verursacht. Bekannt ist, dass der<br />
Prozentsatz von Besiedelungen mit der<br />
Pubertät und in Abhängigkeit der Anzahl<br />
Sexualpartner und einem niedrigen sozioökonomischen<br />
Status steigt [17]. Im Fall<br />
von U. urealyticum scheinen Symptome<br />
erst ab einer hohen bakteriellen Konzentration<br />
oder mög licherweise bei der Erstinfektion<br />
aufzutreten.<br />
M. genitalium konnte bisher als einziges<br />
Mycoplasmataceae mit Urethritiden<br />
der Frau in Verbindung gebracht werden.<br />
Bei den anderen Mycoplasmatace/Ureaplasmen<br />
konnte bisher keine Kausalität<br />
festgestellt werden [18]. Nicht selten ist<br />
man im Alltag geneigt, bei urethralen Beschwerden<br />
und dem Nachweis eines Mycoplasmataceae<br />
in der PCR diese antibiotisch<br />
zu behandeln [19, 20]. Bei diesen probatorischen<br />
Behandlungen bleibt nicht<br />
selten eine Verbesserung der Beschwerden<br />
aus und nach wenigen Wochen kann<br />
50<br />
derselbe Erreger wieder nachweisbar sein,<br />
weil die Umgebungsflora sich nicht änderte<br />
oder ein Trägertum vorliegt. Für die Mycoplasmataceae<br />
fehlen lokale, bakterizide<br />
oder desinfizierende Therapien (Tabelle<br />
3).<br />
Bakterien der analen oder oralen Flora<br />
wie z.B. Staphylococcus saprophyticus<br />
und aureus, Enterokokken, Streptococcus<br />
anginosus oder Haemophilus influenzae<br />
können Urethritisbeschwerden auslösen.<br />
Es handelt sich hierbei klar um fakultativ<br />
pathogene Keime. So konnte in über 40 %<br />
der jungen, sexuell aktiven Frauen S. saprophyticus<br />
in der normalen urogenitalen<br />
Flora nachgewiesen werden. S. saprophyticus<br />
kann sich über Adhäsine am Urothel<br />
festhalten und verwendet den im Urin<br />
Zusammenfassung<br />
enthaltenen Harnstoff, um Ammoniak zu<br />
produzieren [21]. Einige dieser Bakterien<br />
haben auch die Fähigkeit, Biofilme zu<br />
produ zieren, was ihre Virulenz erhöht.<br />
Viren können ebenfalls eine Urethritis<br />
auslösen, so zum Beispiel Herpex-simplex-Virus<br />
(HSV) Typ 1 und etwas weniger<br />
HSV Typ 2, aber auch die Adenoviren oder<br />
das Epstein-Barr-Virus. Keine Beschwerden<br />
oder Urethriden hingegen machen die<br />
häufig vorkommenden humanen Papillomaviren.<br />
Bei viral verursachten Urethritissymptomen<br />
helfen lokal symptomatische<br />
Massnahmen wie In stillationen mit einem<br />
urethral applizierbaren Hydrogel, das<br />
Dexpanthenol, Ectoin und Hydrodyethylcellulose,<br />
mit oder ohne Lidocain, enthält<br />
[22].<br />
Veränderungen im urogenitalen Mikrobiom der Blase, Urethra, Vagina und Zervix<br />
können Ursache für wiederkehrende Infektionen sein. Dabei muss zwischen obligat<br />
und fakultativ pathogenen Keimen unterschieden werden. Bei den fakultativ pathogenen<br />
Keimen soll nur beim Vorliegen von zuordenbaren Symptomen antibiotisch, antiviral<br />
oder anti mykotisch behandelt werden. Sexuell übertragbare Erkrankungen manifestieren<br />
sich bei Frauen isoliert urogenital oder als aufsteigender Infekt («pelvic<br />
inflammatory disease»). Sexuell übertragbare Erkrankungen (z.B. Chlamydieninfektion)<br />
können asymptomatisch verlaufen oder mit einer hohen Symptomlast, Lebensqualitätseinschränkung<br />
oder Sterilität einhergehen. Dieser Minireview gibt einen Überblick<br />
über die Pathogenität und Behandlung der verschiedenen Erreger.<br />
Schlüsselwörter: Wiederkehrender Infekt, urogenital, Vagina, Behandlung<br />
Abstract<br />
Changes in the urogenital microbiome of the bladder, urethra, vagina and cervix can<br />
cause recurrent infections. We distinguish between obligate and facultative pathogens.<br />
In the case of facultative pathogens, treatment with antibiotic, antiviral or antifungal<br />
drugs should only be considered in cases with attributable symptoms. Sexually transmitted<br />
diseases (STD) manifest either urogenitally alone or in association with an<br />
ascending infection of the adnexa as a pelvic inflammatory disease. STD may be asymptomatic,<br />
as in cases of chlamydia, or may cause a high burden of symptoms, impairment<br />
of quality of life or infertility. The aim of this minireview is to give an overview of<br />
the pathogenicity of the different germs and their treatment.<br />
Keywords: Recurrent infection, urogenital, vagina, treatment<br />
Résumé<br />
Les modifications du microbiome de la vessie, de l’urètre, du vagin et du col de l’utérus<br />
peuvent provoquer des infections récurrentes. Une distinction doit être faite entre<br />
bactéries pathogènes obligatoires et facultatives. Dans le cas de pathogènes facultatifs<br />
un traitement antibiotique, antiviral ou antimycosique ne doit être appliqué que dans<br />
le cas d’un signe clinique spécifique. Les infections sexuellement transmissibles se<br />
manifestent souvent chez les femmes soit isolées dans le tractus urogénital, soit en<br />
association avec des infections ascendantes comme la salpingite. Ces infections peuvent<br />
être asymptomatiques, comme dans le cas de la chlamydiose, ou associées à des<br />
symptômes graves qui abaissent la qualité de vie ou causent de la stérilité. L’objectif de<br />
cette mini-review est de donner un aperçu général de la pathogénicité des différents<br />
germes et de leur traitement.<br />
Mot-clés: Récidive d’infection, système urogénital, vagin, traitement<br />
4/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal