VSAO JOURNAL Nr. 4 - August 2020
Prozess - Justiz, Religion, Evolution Gastroenterologie - Das Chamäleon Zöliakie Infektiologie - Urogynäkologische Infektionen Politik - Zurück in die Zukunft (?)
Prozess - Justiz, Religion, Evolution
Gastroenterologie - Das Chamäleon Zöliakie
Infektiologie - Urogynäkologische Infektionen
Politik - Zurück in die Zukunft (?)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
«Würde es wieder<br />
machen, wenn ...»<br />
Altay Özsoy studiert an der Universität Zürich Medizin.<br />
Seine Arbeit bei «Care Now» hat ihn in der Berufswahl<br />
bestärkt. Eines aber gibt ihm zu denken.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer vsao<br />
Herr Özsoy, wie kommt ein<br />
Medizinstudent im sechsten<br />
Semester dazu, sich als<br />
Freiwilliger an der Corona-Front<br />
zu melden?<br />
An der Uni fielen wegen der Pandemie<br />
Praktika aus. Das Dekanat schlug uns zwei<br />
Alternativen vor: entweder im Gesundheitsbereich<br />
einen Einsatz leisten oder<br />
OSCE-Fälle schreiben, um mit imaginären<br />
Patienten zu üben. Für mich war der Fall<br />
klar.<br />
Warum?<br />
Ich absolviere mein Studium seit gut einem<br />
Jahr im Spital und erhalte dadurch<br />
mehr Einblick in den medizinischen Alltag.<br />
Das ist viel spannender als die Theorie,<br />
denn ich begreife noch besser, um was<br />
es bei meinem künftigen Beruf geht. Bei<br />
dessen Wahl war für mich zudem immer<br />
ausschlaggebend, Menschen direkt helfen<br />
und ihr Leben positiv verändern zu können.<br />
Und wie sind Sie dann auf «Care Now»<br />
aufmerksam geworden?<br />
Ich wollte meinen Einsatz im Zusammenhang<br />
mit der Pandemie leisten und bin<br />
nach einigen vergeblichen Direktanfragen<br />
bei Spitälern im Internet auf die Plattform<br />
gestossen. Da wusste ich: Das ist es!<br />
Medizinstudent Altay Özsoy möchte Herzchirurg<br />
werden. Für den 25-Jährigen war der<br />
Corona-Einsatz im Spital Wattwil SG eine<br />
wertvolle Erfahrung: «Ich hätte gerne noch<br />
mehr geholfen.»<br />
Wie ging es nach der Kontaktaufnahme<br />
weiter?<br />
Ich bekam nach der Anmeldung eine<br />
E-Mail von «Care Now». Gesucht wurde<br />
Verstärkung im Spital Wattwil im Kanton<br />
St. Gallen. Es war das einzige Angebot, da<br />
der Bedarf – zum Glück – doch nicht so<br />
gross ausfiel wie zunächst befürchtet. Und<br />
so bin ich dann mit meinem Auto von meinem<br />
Zuhause in Brüttisellen ins Toggenburg<br />
gependelt.<br />
Wie sah Ihr Einsatz aus?<br />
Gemäss meiner Uni sollte der praktische<br />
Einsatz an fünf Arbeitstagen stattfinden,<br />
was einer Arbeitswoche von 42 Stunden<br />
entspricht. Ich fuhr im Mai zweimal zwei<br />
Tage und einmal einen Tag nach Wattwil.<br />
Beim Spital wurde der Haupteingang verschoben<br />
und stattdessen ein Zelt errich-<br />
tet, um die (potenziellen) Patienten und<br />
Besucher zu triagieren. Meine Hauptaufgabe<br />
bestand darin, allen ankommenden<br />
Personen Schutzmasken abzugeben, Corona-Symptome<br />
abzuklären sowie Geräte<br />
und Gegenstände zu desinfizieren. Aber<br />
natürlich habe ich auch ganz anderes gemacht<br />
– zum Beispiel die Patientenaufnahme<br />
bei Notfällen oder das Erteilen von<br />
verschiedensten Auskünften.<br />
Waren Sie in Wattwil der einzige Student?<br />
Wie wurden Sie vom Spitalpersonal<br />
unterstützt?<br />
Nein, es hatte etwa ein Dutzend. Die vertiefte<br />
medizinische Prüfung von Corona-Verdachtsfällen<br />
übernahmen immer<br />
Ärztinnen und Ärzte. Eine Person war<br />
dann tatsächlich erkrankt.<br />
Keine Angst, sich selbst zu infizieren?<br />
Es gab Schutzmasken und -bekleidung,<br />
und ich hielt die Distanzvorgaben ein. Daher<br />
habe ich mich jederzeit sicher gefühlt.<br />
Welches Fazit ziehen Sie im Rückblick?<br />
Ein positives! Meine Motivation, Arzt zu<br />
werden, ist nochmals gewachsen. Ich höre<br />
halt den Menschen mit ihren Geschichten<br />
und Sorgen gerne zu. Wobei ich in Gesprächen<br />
manchmal fast etwas Detektiv spielen<br />
musste, um ihrem gesundheitlichen<br />
Problem auf die Schliche zu kommen …<br />
Schade nur, dass ich von der Ausbildung<br />
her nicht noch mehr helfen konnte. Und<br />
mühsam fand ich bei Notfallpatienten die<br />
Bürokratie beim Empfang, die ausser in<br />
wirklich akuten Fällen immer vor der Behandlung<br />
kam. Das sollte man ändern.<br />
Würden Sie also einen solchen Einsatz<br />
wieder leisten?<br />
Klar – zumindest solange ich nicht zu sehr<br />
mit Prüfungsvorbereitungen beschäftigt<br />
bin (lacht).<br />
Bild: zvg<br />
14<br />
4/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal