18 medAmbiente 1 · 2008 Titelstory Wohnen heißt zufrieden sein Lebensqualität und Ambiente in Senioreneinrichtungen Im Vordergrund neuerer Konzeptionen in der stationären Altenhilfe steht die Aufrechterhaltung normaler Lebens- und Wohnqualität, auch bei Pflegebedürftigkeit. Die Anforderung an Architektur, pflegerische sowie hauswirtschaftliche Abläufe einschließlich der Finanzen ist es, diese Bedürfnisse aufzugreifen und funktionale Abläufe zu sichern. Dies bedeutet in der Praxis, dass die vorhandenen Räumlichkeiten in den Einrichtungen sich den neuen Bedingungen sukzessive anpassen müssen bzw. neue Einrichtungen architektonisch auf flexiblere Wohnformen Rücksicht nehmen müssen.
Wohngruppen in Senioreneinrichtungen haben sich als eine Wohnform etabliert, die einen menschlichen Kontakt mit der näheren Umwelt ermöglicht und fördert. Ältere Menschen möchten noch genau so „gebraucht“ werden und haben in einer Lebensgemeinschaft ein anderes Wertigkeitsgefühl. Eine Wohnung symboli<strong>sie</strong>rt das normale Leben verbunden mit einem professionellen Pflegeanspruch. Eine gut konzipierte Wohnung kann dem alten Menschen helfen, sich in seiner Umgebung wieder besser zurechtzufinden und unterstützt den Familienverband in dem Gefühl, für den geliebten Partner, Eltern, Großeltern etwas Gutes zu tun – das „schlechte“ Gewissen wandelt sich in positive Integration der Angehörigen in die Wohngemeinschaft. Eine Wohngemeinschaft unterstützt pflegebedürftige Menschen aller Pflegestufen in ihrem Grundbedürfnis „Wohnen = zufrieden sein“. Diese positiven Empfindungen, die gut umgesetzte Wohnorte freisetzen, unterstützen die Selbständigkeit der älteren Menschen. In Wohngruppen können die Menschen ihren gewohnten Tätigkeiten und Bedürfnissen, wie z. B. Kochen, Waschen, Zeitung lesen, natürlich auch Feiern, Beten etc. nachkommen. Die Wahlmöglichkeiten, die dem Bewohner zur Verfügung stehen, regen den Geist an und halten die Menschen aktiv. Dies wurde in der Praxis beispielsweise im Hausgemeinschaftskonzept „Benevit“ erfolgreich umgesetzt. Familienähnliche Hausgemeinschaft Das Hausgemeinschaftskonzept „Benevit“ arbeitet nach dem Grundsatz „Berührung der Gefühlswelt der Bewohner durch gelebte Normalität“. Im Mittelpunkt stehen der Mensch, die Lebensqualität und das Ambiente. In den Wohnungen leben 12 bis 14 Bewohner in familienähnlichen Strukturen zusammen. Bedingt durch die natürliche Tagesstruktur kann eine Erhaltung, Stärkung oder sogar eine Reaktivierung der Alltagskompetenz bei den Bewohnern erfolgen. Der Tagesablauf wird nicht primär durch die Pflege bestimmt, sondern durch menschliches Miteinander in einem angenehmen Ambiente, indem jeder Bewohner seine Ressourcen und Fähigkeiten einbringen kann. Die Lebensqualität steigt durch alltägliche Situationen und ein neues Gefühl der Selbstverantwortung führt dazu, dass die Pflegebedürftigkeit der Bewohner eher ab- als zunimmt. Umgesetzt wurde dieses Wohngruppenkonzept z.B. im Haus Blumenküche in Mössingen. Der Neubau besteht aus 72 Betten, aufgeteilt auf 6 Wohnungen in 3 Etagen. Jede Wohnung verfügt über eine eigene Küche, Essraum, Wohnzimmer, Nebenräume usw. Die Zimmerstruktur besteht aus 46 Einzelzimmer und 13 Doppelzimmer. Sämtliche Nebenräume wie Mehrzweckraum, Therapieraum, Lagerräume, Personalaufenthaltsräume, Pflegebäder, Cafè, Büros, Waschküchen usw. sind vorhanden. Der Gemeinschaftsbereich ist offen gestaltet und gliedert sich in die Bereiche Wohnen und Essen. Im Essbereich wird die Selbstständigkeit des Einzelnen durch verschiedenartige Wahlmöglichkeiten an Sitzgruppen gefördert. Direkt angegliedert ist der offene Küchenbereich, in dem die Mahlzeiten für die Bewohner komplett zubereitet werden. Außen an den Küchenblock angefügt ist eine Arbeitsplatte, an der die Bewohner sitzen können und bei der Zubereitung, in direktem Kontakt mit der Präsenzkraft, mithelfen. Die Küchenplanung erfordert ein besonderes Know-how eines speziali<strong>sie</strong>rten Objekteinrichters, wie die WIBU-Gruppe. Die Küchen sind in allen Wohnungen neben dem Wohnzimmer das Kernstück und sind so ausgelegt, dass auch die Bewohner bei der Essenszubereitung jederzeit mitwirken können. Der Tagesablauf wird durch Präsenzkräfte gestaltet – dies beinhaltet z.B. auch das gemeinsame Zubereiten der Mahlzeiten und die Führung des Haushaltes incl. Reinigung, Waschen usw. Alle erforderlichen Haushaltsarbeiten inkl. Pflege werden in den Wohnungen, ohne irgendwelche zentrale oder externe Dienstleistungsstrukturen, erbracht. Wohnbereiche mit Lebensqualität Wohn- und Essräume sind dezentral für jede Wohnung vorhanden. Wichtig ist hierbei die Einrichtungsgestaltung, die durch einen Kaminofen und warme, fröhliche Farben betont wohnlich und gemütlich umgesetzt wurde. Der Wohnbereich bietet verschiedene Sitzgruppen je nach Bedarf der Bewohner. Die offene Gestaltung fördert die Kommunikation setzt aber trotzdem eine klare Gliederung voraus. Die Gestaltungselemente nehmen Rücksicht auf die persönlichen Bedürfnisstrukturen. Durch verschiedene Tischsituationen und Sitzmöglichkeiten kann der Bewohner seinen individuellen Alltagsgewohnheiten nachgehen: Diskussionen in der Gruppe, Spielen, Lesen oder auch nur Zuschauen. In diesen Bereichen ist genügend Platz – auch für Angehörige. Direkt im Wohnzimmer integriert befindet sich ein Arbeitsplatz für die Plegefach- und Hilfskräfte sowie die Präsenzkräfte. In diesem Arbeitsbereich sind alle erforderlichem Ausstattungen, inkl. dem Medikamentenschrank, der auch von Ärzten und Therapeuten genutzt wird, integriert. Die Bewohnerzimmer im Haus Blumenküche sind um den offenen Wohnbereich ange<strong>sie</strong>delt, der den Mittelpunkt der Wohnung darstellt. Eine individuelle und wohnliche Gestaltung ist für den Bewohner besonders wichtig. Symbole aus der „alten Zeit“ oder persönliche Gebrauchsgegenstände sorgen für eine vertraute, heimische (und nicht Heim-) Atmosphäre. Der Objekteinrichter achtet bei der Planung darauf, dass die Einrichtung ein Gefühl der Wärme und Wohnlichkeit/Gemütlichkeit auslöst, gleichzeitig jedoch nutzungsfreundlich und funktional ist. Raum für Bewegungsdrang Um dem teilweise extremen Bewegungsdrang gerecht zu werden, bietet die Raumstruktur in dem Hausgemeinschaftskonzept in jeder Hinsicht Barrierefreiheit. In der Regel werden kleine Nischen, Sofaecken, Pavillons berücksichtigt, so dass sich der Bewohner bei Bedarf auch ausruhen kann. Ein natürliches Gehen wird durch entsprechende Bodenbeläge besonders gefördert. Im Haus Blumenküche wurde ein textiler Belag, der eine hohe Rutschsicherheit bietet, gewählt – diese Beläge schaffen eine positive Atmosphäre und bieten eine gute Raumakustik. Die Erfahrung hat gezeigt, dass für den älteren Mensch das Gehen auf diesem Belag einen hohen Wohlfühlfaktor hervorruft, da die Oberfläche warm und nicht abweisend ist. Bewohner gehen auch manchmal gerne barfuß oder auf Strümpfen, daher ist es wichtig, dass durch die Wahl eines optimalen Bodenbelags eine entsprechende Rutschsicherheit gegeben ist. Daneben hat das Gehen einen hohen therapeutischen Effekt, der nur durch warme Beläge gefördert werden kann. Einrichtung schafft Lebensfreude Die Wahrnehmung von älteren Menschen mit z.B. Demenz unterscheidet sich von der der jüngeren und gesünderen Menschen. Farben lassen in ihrer Intensität nach, da häufig das Augenlicht schon in Mitleidenschaft gezogen ist. So empfiehlt es sich z.B. für Böden kräftige Farben zu wählen, die z.B. die Bewohner einer Gruppe zum Gehen animieren können. Ein Treppenhaus sollte dann als Hürde mit einer anderen Farbe den Wohnbereich abtrennen. Farben und Lichtelemente lösen bestimmte Emotionen und Stimmungen im Menschen aus und sind für ältere Menschen besonders bedeutend. Hier ist es von Vorteil, frühzeitig den Objekteinrichter in die Gesamtkonzeption mit einzubinden, um auch die Psychologie von Farben und Licht in die Planungen sinnvoll zu integrieren. Aus gerontologischer und architektonischer Sicht stehen im Mittelpunkt aller Umbau- und Neuplanungen von Wohngruppen Normalität, Wohnlichkeit, Ästhetik, Kommunikation, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit. Durch die Mischung von Privatheit und Kommunikation kann man der Angst und Isolation positiv entgegenwirken. Gute Planung, ein angenehmes Ambiente und die passenden Mitarbeiter sorgen für ein gutes Gefühl in der Wohngemeinschaft– eine positive Gesamtstimmung macht viele Abläufe leichter. Kontakt: Benevit, Kaspar Pfister Haus Blumenküche kaspar.pfister@benevit-pflege.de www.benevit-pflege.de WIBU Gruppe, Sabine Wegmann pr-objekt@wibu-gruppe.de www.wibu-gruppe.de Titelstory medAmbiente 1 · 2008 19