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22 medAmbiente 1 · 2008<br />

Schwerpunkt Senioren<br />

Vergessen<br />

in der zweiten Heimat<br />

Migration und Demenz in deutschen Pfl egeeinrichtungen<br />

Ines Jonas<br />

In einer Großstadt wie Berlin mit einem hohen<br />

Ausländeranteil leben nach Angaben der „Berliner<br />

Zeitung“ 28.000 zugewanderte Personen,<br />

die über 65 Jahre alt sind. Ihr Anteil wird sich<br />

bis 2020 verdoppeln – es handelt sich um die<br />

am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe.<br />

Viele von ihnen gehören zu den so genannten<br />

„Gastarbeitern“, die im Zuge der Anwerbepolitik<br />

der Bundesrepublik in der Zeit zwischen<br />

1955 bis 1973 als junge Menschen nach<br />

Deutschland kamen. Kaum einer der Angeworbenen<br />

von damals hatte zu dieser Zeit daran<br />

gedacht, auch den Lebensabend in Deutschland<br />

zu verbringen. Vielfach wurde die Rückkehr in<br />

die häufi g mit den Jahren auch fremd gewordene<br />

Heimat immer wieder und immer weiter<br />

hinausgeschoben. Schließlich sind viele von<br />

ihnen hier geblieben.<br />

Rückzug in die eigene Ethnie<br />

Spätestens mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben<br />

beginnt für viele alte Migranten<br />

eine Zeit der sozialen Isolierung. Die Sozialkontakte<br />

konzentrieren sich dann ausschließlich<br />

auf die Familie oder auf Personen der gleichen<br />

Nationalität. Studien belegen, dass das<br />

Bedürfnis nach einem Rückzug in die eigene<br />

Ethnie im Alter ansteigt. Dazu kommen die<br />

vielfach bestehenden sprachlichen Defi zite sowie<br />

die Unsicherheit im Umgang mit Behörden<br />

und Institutionen. Die meisten Sozialeinrich-<br />

Bundesweit soll in 30 Jahren jeder vierte Rentner ein Migrant sein. Die größte<br />

Migrantengruppe stammt aus der Türkei: 1,9 Millionen Türkinnen und Türken leben hier.<br />

Circa zehn Prozent der Ausländerinnen und Ausländer sind 60 Jahre und älter, sechs<br />

Prozent 65 Jahre und älter. Eine Gruppe, die oft außen vor steht, sind die an Demenz<br />

erkrankten Migranten. Obwohl in Deutschland etwa 419.000 Zugewanderte leben, die<br />

65 Jahre und älter sind, rücken <strong>sie</strong> erst seit wenigen Jahren und ganz zaghaft ins Blickfeld<br />

der Altenhilfe. Ein Beitrag von Ines Jonas vom Kuratorium Deutsche Altershilfe.<br />

tungen in Deutschland haben sich darauf eingestellt<br />

und bieten vor allem in den größeren<br />

Städten spezielle und nicht selten auch muttersprachliche<br />

Beratungsangebote für Migranten<br />

an.<br />

Nur in der Altenhilfe fehlt ein entsprechendes<br />

fl ächendeckendes Angebot. Was vor allem fehlt,<br />

ist ein vernetztes und fl ächendeckendes Angebot<br />

für ältere Migranten. „Für diese Menschen<br />

gibt es derzeit kein spezifi sches niedrigschwelliges<br />

pfl egerisches oder soziales Versorgungskonzept“,<br />

stellen auch Derya Wrobel und Georg<br />

Steinhoff vom Idem-Projekt beim Sozialverband<br />

VdK in Berlin fest. Das Projekt gehört zu<br />

den wenigen Initiativen, die sich schwerpunktmäßig<br />

dem Thema Demenz und Migration<br />

widmen.<br />

Vergessene Patienten<br />

Dem Idem-Team geht es aber auch um die Sensibili<strong>sie</strong>rung<br />

zuständiger Entscheidungs- und<br />

Verwaltungsebenen sowie der Öffentlichkeit. In<br />

diesem Zusammenhang ist es Derya Wrobel<br />

besonders wichtig, auf eine Migrantengruppe<br />

hinzuweisen, die in Hinblick auf soziale Belange<br />

nur selten ins Blickfeld von Politik und Öffentlichkeit<br />

rückt: „An die große Gruppe der<br />

arabisch sprechenden Migranten wird viel zu<br />

selten gedacht“, betont die türkischstämmige<br />

Sozialarbeiterin. „Diese fühlen sich berechtig-<br />

terweise oft zurückgesetzt.“ Die Lebenssituation<br />

demenziell erkrankter Migranten in der<br />

Bundesrepublik, so das Team, „muss immer<br />

noch als nahezu unerforscht gelten. Sie müssen<br />

als die im wahrsten Sinne des Wortes ‚vergessenen‘<br />

Patienten angesehen werden.“<br />

Dass es längst Zeit ist zu handeln, zeigen alle<br />

Forschungsergebnisse hinsichtlich der Alterungsprozesse<br />

bei Migranten. Aufgrund ihrer<br />

Migrationsbiografi e und ihrer oft im Vergleich<br />

zu Deutschen schlechteren Arbeits- und Lebensbedingungen<br />

setzen diese circa fünf bis<br />

zehn Jahre früher ein als bei der deutschen<br />

Altersbevölkerung. Diese Erfahrung hat auch<br />

Georg Steinhoff von Idem gemacht: „Das<br />

Durchschnittsalter der von <strong>uns</strong> erfassten demenziell<br />

erkrankten Klienten betrug im ersten<br />

Jahr 58,4 Jahre, wobei noch zu berücksichtigen<br />

ist, dass diese zum Teil vor mehreren Jahren<br />

erste Auffälligkeiten zeigten.“ Auf diese Situation<br />

sind jedoch weder die Institutionen der<br />

Altenhilfe oder des Gesundheitswesens noch<br />

die Migrantenfamilien, in denen ein Großteil<br />

der Pfl ege geleistet wird, vorbereitet.<br />

Leben in isolierten Inselwelten<br />

Wie schnell es zu einer Überforderung der betroffenen<br />

Familien kommen kann, haben die<br />

Idem-Mitarbeiter gleich bei Projektbeginn gesehen:<br />

„Wir waren ja innerlich vorbereitet auf be-

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