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Sechsämtermagazin Juni 2020

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Absturz bei Dresden<br />

Der Passagierjet, den es nicht geben durfte<br />

Obwohl in Deutschland der Flugzeugbau<br />

noch verboten war, begann die DDR 1953<br />

mit der Entwicklung eines Strahlflugzeuges<br />

für den Passagierdienst. Bis im März<br />

1959 die „152" bei Dresden abstürzte.<br />

Das Land, das ohne demokratische<br />

Legitimation gegründet wurde, der zweite<br />

deutsche Staat. Sehen Sie hier die<br />

Schlaglichter der DDR-Geschichte - bis<br />

zu ihrem Ende; der Wiedervereinigung mit<br />

der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Der 4. März 1959 sollte dem Sozialismus<br />

Flügel verleihen. Buchstäblich. Denn an<br />

diesem Tag war der zweite Testflug des<br />

Flugzeugs „152" angesetzt, des ersten<br />

Passagierfliegers mit Düsentriebwerk,<br />

der in Deutschland gebaut worden war. In<br />

der DDR, versteht sich. Auf der anstehenden<br />

Leipziger Frühjahrsmesse sollte der<br />

Jet den sowjetischen Staats- und Parteichef<br />

Nikita Chruschtschow beeindrucken.<br />

Daher wurden die notwendigen Tests<br />

überschnell absolviert.<br />

17. <strong>Juni</strong> 1953 auch dringend geboten. Da<br />

kam der DDR-Führung ein Zufall zu Hilfe.<br />

Im September dieses Jahres gestattete<br />

die UdSSR – ihr Diktator Stalin war im<br />

März gestorben – den Spezialisten der<br />

NS-Luftfahrtindustrie, die nach 1945 im<br />

Rahmen der Aktion „Ossawakim" in die<br />

Sowjetunion verschleppt worden waren,<br />

die Rückkehr. Schlüsselfigur war Brunolf<br />

Baade, der ehemalige Chefkonstrukteur<br />

der Junkers-Werke in Dessau.<br />

Obwohl die Siegermächte 1945 den Bau<br />

von Flugzeugen in Deutschland verboten<br />

hatten (was bis zum Inkrafttreten des<br />

Deutschlandvertrages für die Bundesrepublik<br />

galt), waren Ulbricht und Chruschtschow<br />

übereingekommen, die Junkers-<br />

Werke zu reaktivieren. Wohl wegen der<br />

Nähe Dessaus zu West-Berlin wurde<br />

jedoch die ehemalige Luftkriegsschule<br />

Dresden als Standort der volkseigenen<br />

DDR-Luftfahrtindustrie ausgewählt.<br />

Um trotz des Mangels an Fachleuten,<br />

Technik und Material das Unternehmen<br />

zu beschleunigen, griff Baade auf die<br />

Entwicklungen zurück, die er zusammen<br />

mit seinen Kollegen in Sawjalowo südlich<br />

von Moskau vorangetrieben hatte. Dort<br />

war der zweistrahlige mittelschwere<br />

Bomber EF 150 entstanden. Der wurde,<br />

um 20 Prozent vergrößert, zur Vorlage für<br />

die „152", deren Typenkennung nicht<br />

umsonst in die Tradition des berühmten<br />

Transportflugzeugs Junkers Ju-52<br />

gestellt wurde, um eine künftige Markteinführung<br />

zu erleichtern. Als potenzielle<br />

Käufer hatte man die sozialistischen<br />

Bruderländer, zumal die Sowjetunion,<br />

sowie Südeuropa, den Nahen Osten und<br />

Lateinamerika ins Auge gefasst.<br />

Obwohl die Regierung Milliarden Ostmark<br />

An die Folgen erinnerte am Montag ein<br />

Festakt auf dem Neuen Friedhof in<br />

Dresden-Klotzsche. Unweit des Flughafens<br />

liegt das Ehrengrab für zwei Piloten<br />

und zwei Ingenieure, die am 4. März 1959<br />

gegen 13.50 Uhr mit der „152" abstürzten.<br />

Die Kranzniederlegung erinnert damit<br />

auch an das ebenso ehrgeizige wie<br />

kostspielige Projekt der SED-Führung um<br />

Walter Ulbricht, mit einer zivilen Luftfahrtindustrie<br />

der Bundesrepublik die wirtschaftliche<br />

und technische Überlegenheit<br />

der DDR vor Augen zu führen.<br />

Das schien nach dem Volksaufstand vom

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