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Unser Rietberg Ausgabe 15 vom 21. Oktober 2020

Stadtmagazin für Bokel, Druffel, Mastholte, Neuenkirchen, Rietberg, Varensell und Westerwiehe

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Lokales<br />

Geschichte gibt es auch direkt vor der Haustür<br />

Stalag 326 - Landtagspräsident André Kuper für Erinnerungskultur<br />

NRW-Landtagspräsident André Kuper (links) erklärt unter anderem Ministerpräsident Armin Laschet die<br />

Ausstellung. Foto: Landtag NRW<br />

<strong>Rietberg</strong>/SHS (pb/ur). Geschichte<br />

von weltumspannender<br />

Bedeutung ist nicht<br />

immer nur abstrakt und weit<br />

entfernt. Es gibt sie auch vor<br />

der Haustür, beispielsweise<br />

am Rand der Senne. Dabei<br />

richtet sich der Blick auf das<br />

ehemalige Kriegsgefangenenlager<br />

Stalag 326.<br />

NRW-Landtagspräsident André<br />

Kuper ist die Gedenkstätte<br />

eine Herzensangelegenheit.<br />

Jetzt zeichnete er auch federführend<br />

verantwortlich für<br />

eine Gedenkveranstaltung an<br />

der Erinnerungsstätte, an der<br />

unter anderem auch Ministerpräsident<br />

Armin Laschet teilnahm.<br />

Vor rund 100 Gästen<br />

wurde an die Befreiung des<br />

Kriegsgefangenlagers Stalag<br />

326 vor 75 Jahren erinnert.<br />

Es war eines der größten<br />

Kriegsgefangenenlager auf<br />

dem Gebiet des Deutschen<br />

Reiches und am 2. April 1945<br />

von US-amerikanischen Soldaten<br />

befreit worden. Die<br />

ursprünglich für April dieses<br />

Jahre geplante Gedenkveranstaltung<br />

war wegen der Pandemie<br />

abgesagt worden.<br />

In seiner Ansprache sagte<br />

André Kuper: „Wir gedenken<br />

der tausenden Opfer,<br />

denen die Nationalsozialisten<br />

im ‚Stammlager 326‘, das<br />

Menschsein absprachen, sie<br />

peinigten und dem Tode preisgaben.<br />

Mit dem Erinnern an<br />

die Geschichte dieses Ortes<br />

möchten wir ein Zeichen für<br />

die Gedenkarbeit setzen: Hier<br />

endeten Lebenswege in Erniedrigung,<br />

Hunger, Schmerz<br />

und Tod. Was Menschen hier<br />

ertragen und erfahren mussten,<br />

bleibt für immer ein fester<br />

Bestandteil der deutschen<br />

und europäischen Geschichte.<br />

Die nationalsozialistischen<br />

Verbrechen gegenüber der<br />

Menschlichkeit machen in<br />

ihrer unvergleichbaren Dimension<br />

schnell sprachlos.<br />

Doch umso mehr dürfen wir<br />

Demokraten unsere Sprache<br />

und unsere Haltung niemals<br />

verlieren. Dieser Ort ist mit<br />

einem Auftrag an uns alle verbunden:<br />

die Erinnerung an die<br />

Opfer des Nationalsozialismus<br />

bewahren, die Verbrechen<br />

weiter aufarbeiten und, wann<br />

immer notwendig, unser Wort<br />

gegen menschenfeindliche<br />

Ideologie erheben.“<br />

Ministerpräsident Armin Laschet:<br />

„Ein tiefer und dunkler<br />

Schatten liegt über diesem<br />

Ort‚Stalag 326‘. Auch 75 Jahre<br />

nach dem Ende des Krieges<br />

sind wir aufgerufen, die Erinnerung<br />

daran wachzuhalten<br />

und in den Schatten hineinzuleuchten.<br />

Wir sind es den Opfern<br />

aus der damaligen Sowjetunion<br />

schuldig, die in Folge<br />

mangelhafter Ernährung, Versorgung<br />

und Unterbringung<br />

sowie der ausbeuterischen<br />

Arbeitseinsätze ums Leben kamen,<br />

ihren Angehörigen und<br />

allen, die die Gräuel überlebt<br />

haben. Wir sind es aber auch<br />

uns selbst schuldig, damit wir<br />

uns bewusst bleiben, wohin<br />

Fanatismus, Verblendung und<br />

Hass führen können.“<br />

In den Jahren 1941 bis 1945<br />

durchliefen mehr als 300.000<br />

vorwiegend sowjetische<br />

Kriegsgefangene Stalag 326.<br />

Damit war es wohl das größte<br />

Lager für diese Personengruppe.<br />

Von dort wurden die<br />

Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter<br />

über das gesamte<br />

Gebiet des heutigen Landes<br />

Nordrhein-Westfalens verteilt,<br />

zum Teil auch darüber<br />

hinaus. Nach Schätzungen<br />

sind bis zu 65.000 der Kriegsgefangenen<br />

gestorben oder<br />

getötet worden. Der nahegelegene<br />

Ehrenfriedhof sowjetischer<br />

Kriegstoter ist eine<br />

der größten Kriegsgräberstätten<br />

in der Bundesrepublik.<br />

m Rahmen der Gedenkveranstaltung<br />

schilderte Marina<br />

Mehlis, Urenkelin eines russischen<br />

Kriegsgefangenen aus<br />

Moskau, der im Stalag 326<br />

verstorben ist, die persönliche<br />

Familiengeschichte. Lange<br />

Zeit wusste die Familie nichts<br />

über dieses Schicksal, der Urgroßvater<br />

galt als verschollen.<br />

„Meine Geschichte ist eine<br />

der vielen Millionen Familiengeschichten<br />

aus dem Krieg,<br />

und als Russin bin ich dankbar,<br />

dass man in Deutschland<br />

dafür sorgt, dass die Spuren<br />

dieses Krieges nicht verloren<br />

gehen. Ich repräsentiere<br />

die Generation der Urenkel,<br />

denen es sehr wichtig ist, an<br />

die Geschichte der eigenen<br />

Familie zu erinnern und auch<br />

unseren Kindern und Enkeln<br />

beizubringen: Man soll nie<br />

vergessen, damit es nie wieder<br />

passiert. Wir sind zuständig<br />

für den Friedenserhalt in<br />

der Welt,“<br />

Die Gedenkstätte wird bislang<br />

ehrenamtlich betrieben.<br />

Eine Steuerungsgruppe unter<br />

Leitung von Landtagspräsident<br />

André Kuper mit überparteilichen<br />

Vertretern von<br />

Stadt, Kreis, LWL, Land, Bund<br />

und Europa hat vor 3 Jahren<br />

die Arbeit aufgenommen und<br />

jetzt eine über 300 Seiten umfassende<br />

Machbarkeitsstudie<br />

zur Förderung beim Bund<br />

vorgelegt, um das Gelände zu<br />

einer Gedenkstätte von nationaler<br />

und internationaler Bedeutung<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Hierbei rücken auch die weiteren<br />

Zeitschichten als Internierungslager<br />

und später von<br />

1946 bis 1979 als „Sozialwerk<br />

Stukenbrock“ ganzheitlich in<br />

den Fokus. Geplant sind ein<br />

Neubau für Ausstellungen und<br />

Vermittlungsarbeit sowie eine<br />

digitale Neukonzeption der historischen<br />

Orte, um an das Leid<br />

der Kriegsgefangenen zu erinnern.<br />

In Verbindung mit dem<br />

Ehrenfriedhof soll ein würdiges<br />

Totengedenken ermöglicht und<br />

die Geschichte von Stalag 326<br />

weiter erforscht werden.

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