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ST:A:R_13

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Nr. <strong>13</strong>/2007 Buch IV – Fleck<br />

<strong>ST</strong>/A/R 31<br />

als Bruch der österreichischen<br />

Malereigeschichte?<br />

R.F.: Peter Pakesch hat die<br />

Kontinuität mit Richard Gerstl<br />

immer wieder betont. Und es war<br />

die Zeit der Wiederentdeckung<br />

der Wiener Jahrhundertwende,<br />

damals war der Brand dem teils<br />

nahe, mit den Madonna-Bildern<br />

zum Beispiel. Zu Klimt etwa<br />

schon wahnsinnig nahe. Was<br />

dann auch wichtig war, war wie<br />

auf der „Documenta 9“ von 1992<br />

der Jan Hoet, ihr künstlerischer<br />

Leiter, Brandls Bilder in eine Reihe<br />

gehängt hat mit Isa Genzken und<br />

Gerhard Richter. Das war genial.<br />

In dem riesen Zirkus der documenta<br />

wurde das nicht so sehr<br />

wahrgenommen, aber es hat total<br />

gut miteinander funktioniert, diese<br />

Arbeiten. Für Brandl war es sehr<br />

wichtig. Da hat man gesehen, das<br />

man sich den österreichischen<br />

Kontext gar nicht überlegen muss<br />

bei seiner Arbeit, sondern dass seine<br />

Malerei da mitspielen kann.<br />

H.G.: Es gibt einen Katalog<br />

aus Graz, wo der Brandl eine<br />

Ausstellung gemacht hat. Da habe<br />

ich ihn mit dem Richter verglichen<br />

und gemerkt, dass er sphärischer<br />

ist als der Richter. Der pragmatischer,<br />

konstruktiver, deutscher ist.<br />

R.F.: Systematisch – und bei Brandl<br />

ist sehr interessant, dass seine<br />

Malerei nicht systematisch ist.<br />

H.G.: Durch alle Facetten, wo alle<br />

Facetten auftauchen.<br />

R.F.: In den letzten Jahren waren<br />

auf Kunstmessen immer wieder<br />

Bilder von Herbert Brandl zu<br />

sehen, und ich kann ich mich auf<br />

zwei oder drei Situationen erinnern,<br />

wo das irgendwie echt bombig<br />

war. Deshalb gab es ein Projekt<br />

für eine grosse Ausstellung in der<br />

Reina Sophia in Madrid, für das wir<br />

uns überlegt haben, ob wir es nicht<br />

in den Deichtorhallen auch zeigen<br />

könnten. In Österreich gibt es<br />

relativ viele Positionen, wo jemand<br />

den Pavillon sofort aus dem Stand<br />

bespielen kann.<br />

In diesem Rahmen war der Brandl<br />

für mich immer irgendwie einer<br />

der möglichen. Wir hatten nie<br />

die Gelegenheit, richtig etwas<br />

Gemeinsames zu machen. Es<br />

waren so einzelne Punkte. Ich<br />

kann mich erinnern, er war bei der<br />

Paris-Biennale 1985 und da sind<br />

wir uns über den Weg gelaufen in<br />

Paris und haben irgendwie eine<br />

Zeit verbracht, und ich musste<br />

einen Katalogtext dafür schreiben,<br />

davon habe ich eine kleine zweiteilige<br />

Zeichnung mit Horizont<br />

zuhause, die meine Vorlage zum<br />

Schreiben. Etwas anders war die<br />

Hundertjahresausstellung der<br />

Wiener Sezession im April 1998,<br />

da habe ich versucht Arbeiten<br />

von Künstlern, die seit 1898 in<br />

der Sezession ausgestellt hatten,<br />

zurückzuholen und zu konfrontieren<br />

quer durch die Generationen.<br />

Auf einmal hatten wir auch eine<br />

Matisse-Leihgabe und da habe<br />

ich mit Herbert ausgemacht, wir<br />

hängen auf die Wand zuerst den<br />

Matisse und dann kommt er und<br />

sucht sich ein Bild von sich aus,<br />

das er daneben hängt. Das wurde<br />

grossartig, aber auch ruhig. Die<br />

Ausstellung ist dann vier Monate<br />

gelaufen und es blieb immer total<br />

interessant, den Brandl neben<br />

einem Matisse zu sehen.<br />

H.G.: Welche andere historische<br />

Konfrontation könntest du Dir mit<br />

Brandl vorstellen.<br />

R.F.: Eher möglichst, frei. Ich habe<br />

nicht den Eindruck, dass das mit<br />

„Eins was man sofort hat, ist das der Kunsthandel, der ist<br />

natürlich bei so einen Nationalpavillon schon sehr beteiligt,<br />

das merkt man sofort.“<br />

Expressionismus zu tun hat.<br />

H.G.: Kannst Du mit anderen<br />

Malern so ein Konfrontation andenken?<br />

R.F.: Wir haben jetzt, bei der<br />

Vorbereitung des Pavillons<br />

in Venedig, eine total witzige<br />

Situation. Brandls Bilder haben<br />

ja keine Titel, aber er hat für sich<br />

selbst Bezeichnungen für das<br />

Umgehen mit dem Bildern im<br />

Atelier. Da heißt jetzt ein neues<br />

Bild, das sicher ein Zentralbild<br />

für den Pavillon wird, „Sam<br />

Francis“. Das ist echt witzig. Aber<br />

man dürfte es nie neben einen<br />

Sam Francis hängen. Eines kleineres<br />

grünes ist völlig schräg,<br />

Brandl nennt es „den Matta“. Es<br />

hat auch einen witzigen Aspekt<br />

von Matta. Man hat ja oft diese<br />

Arbeit in Galerieausstellungen<br />

mit Christopher Wool und Albert<br />

Oehlen verglichen, zwei grossartigen<br />

Malern aus Brandls<br />

Generation. Das stimmt auch.<br />

Diese Bezüge zeigen auch, dass<br />

es ein Werk von hoher internationaler<br />

Dimension ist. Das ist der<br />

wichtigste Bezug. Das hat übrigens<br />

Hans Ulrich Obrist vielleicht als<br />

erster im aktuellsten Kunstbetrieb<br />

ganz vielen Leuten beigebracht,<br />

dass Brandl eine solche Dimension<br />

hat, das war 1992/93. Im gleichen<br />

Jahr hat auch Ulrich Loock, damals<br />

Direktor der legendären Kunsthalle<br />

Bern, Brandl als Maler aus der<br />

Wiener Szene herausgegriffen<br />

und mit ihm eine Retrospektive<br />

gemacht. Das hat die internationale<br />

Situation etabliert und auch die<br />

weitere Entwicklung von Herbert<br />

Brandl sehr beeinflusst. Ich habe<br />

damals übrigens Brandls Berner<br />

Katalog aus meinem Budget als<br />

Bundeskunstkurator – es war meine<br />

erste Tat in dieser Funktion...<br />

– bezahlt, weil er sonst nicht finanzierbar<br />

gewesen wäre.<br />

E.P.: Was spielt bei Arbeiten<br />

von Brandl der Umgang mit<br />

Fotografien für eine Rolle?<br />

R.F.: Das wusste ich überhaupt<br />

nicht, das hätte ich nie gedacht.<br />

Aber das habe ich erst jetzt erfahren,<br />

dass er unglaublich viele<br />

Fotos macht und dann mit so einer<br />

Erinnerung an die Fotos arbeitet,<br />

also nicht als Vorlage, aber doch<br />

so, dass es eben nicht diese völlige<br />

Freiheit eines rein abstrakten<br />

Malers gibt. Es gibt da schon eine<br />

Nähe, wenn man dann die Fotos<br />

sieht, die eine Rolle gespielt haben<br />

für dieses oder jenes Bild, dann ist<br />

es auch völlig evident. Aber vom<br />

gemalten Bild her, also von allein<br />

auf die Idee kommen, dass da<br />

Fotografie eine solche Rolle spielt,<br />

das geht glaube ich überhaupt<br />

nicht.<br />

H.G.: Mir kommt vor, dass die<br />

Bilder vom Brandl so eine unheimliche<br />

Interpretationsmöglichkeit<br />

bieten. Eine Serie von Gedanken<br />

die von Schmutz bis zum<br />

Sonnenschein oder abstrakt, diese<br />

Breite das finde ich das bedeutende<br />

an den Werken.<br />

R.F.: Derzeit ist z.B. auch interessant,<br />

da es auf einmal auf der<br />

internationalen Szene wieder so<br />

eine Art Grenze gibt zwischen figurativen<br />

und abstrakten Ansätzen.<br />

Bei Brandl gibt es diese Grenze<br />

nicht, das finde ich wichtig und<br />

interessant. Wenn man jetzt in<br />

Deutschland ist, hat man den<br />

Eindruck, dass es wirklich wieder<br />

diese zwei Lager gibt, die<br />

Figurativen und die Abstrakten,<br />

wie in den 50er Jahren, es ist<br />

ganz komisch. Das überschreitet<br />

Brandl sehr souverän, und gerade<br />

darum ist es wichtig, dieses Werk<br />

jetzt international gross zu zeigen.<br />

Da spielt bei Brandl dieses<br />

Herkommen aus der steirischen<br />

Avantgarde-Situation der 70er<br />

Jahre eine Rolle, das kommt schon<br />

aus der Schule, er hat ja einen<br />

Gymnasiallehrer gehabt, Wolfgang<br />

Denk, der ein wichtiger Grazer<br />

Konzeptkünstler war.<br />

Brandl ist ja als<br />

Konzeptkunstausgebildet, auch<br />

später bei Weibel.<br />

H.G.: Er war glaube ich auch in der<br />

Ausstellung „Kontextkunst“.<br />

R.F.: Wir haben das jetzt gemerkt,<br />

als wir am Modell versucht haben,<br />

wie man hängen könnte, dass<br />

man eine totale Rockenschaub-<br />

Ausstellung aus Brandls Bildern<br />

machen könnte.<br />

E.P.: Worum geht es jetzt?<br />

R.F.: Das Eine ist bei der Biennale<br />

von Venedig ganz anders als sonst,<br />

dass die Leute ganz anders reagieren.<br />

An dem Nachmittag nach der<br />

Pressekonferenz im Oktober habe<br />

ich ungefähr fünfzig Leute angerufen,<br />

weil man die Pressearbeit ja<br />

gleich beginnen und die wichtigen<br />

Leute der Kunstwelt ja gleich anrufen<br />

muss. Der Effekt einer solchen<br />

Nachricht für einen Biennale-<br />

Pavillon ist unglaublich, die einen,<br />

die das gut finden, die schreien<br />

buchstäblich am Telefon: „Das ist<br />

ja super!“ Das hat man sonst bei<br />

einer Ausstellung nie in dieser<br />

Form. Manche Leute sind fuchsteufelswild,<br />

das spaltet sich sehr bei<br />

der Biennale. Insgesamt ist es eine<br />

der ganz wenigen Ausstellungen,<br />

bei denen man die herkömmlichen<br />

Publikumskreise und die<br />

Kunstwelt überschreitet, also wo<br />

man den Eindruck hat, selbst<br />

Leute, die sich nicht für Kunst<br />

interessieren, wissen, was die<br />

Biennale von Venedig ist. Gleich<br />

nachdem die Anfrage aus dem<br />

Büro Morak kam, habe ich im Juli<br />

des Vorjahres die Kultursenatorin<br />

in Hamburg gefragt, weil ich von<br />

ihr die Erlaubnis brauchte – sie<br />

ist Vorsitzende des Aufsichtsrats<br />

in den Deichtorhallen. Sie ist eine<br />

norddeutsche protestantische<br />

Aristokratin, zeigt deshalb fast<br />

nie Emotionen, sie war spontan<br />

gerührt und sagte: „Das ist der<br />

Ritterschlag!“ Man hat wirklich<br />

eine riesen Verantwortung, für den<br />

Künstler und irgendwie auch für<br />

das Land, für die Künstler im Land,<br />

dass sie prinzipiell kollektiv erst<br />

genommen auf dem internationalen<br />

Terrain.

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