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SmartLiving - Stuttgarter Ausgabe 04/2020

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Versicherung & Recht<br />

smartLiving.<br />

ARCHITEKTUR. IMMOBILIEN. WOHNEN. LIFESTYLE.<br />

BAUSTELLE UNTER QUARANTÄNE<br />

CORONA MACHT AUCH VOR DEM WERKVERTRAGSRECHT NICHT HALT<br />

Die Folgen der Corona-Pandemie<br />

gehen zwischenzeitlich auch an der<br />

Baubranche nicht spurlos vorüber. Da<br />

auch auf dem Bau der Gesundheitsschutz<br />

aller Betroffenen oberste Priorität<br />

besitzt, ist nicht nur der Bauherr<br />

selbst angehalten, dafür zu sorgen, dass<br />

alle angeordneten Maßnahmen bedingungslos<br />

eingehalten werden. Dasselbe<br />

gilt natürlich auch für alle ausführenden<br />

Firmen.<br />

Zwar gilt aktuell die Wichtigkeit der<br />

Fortführung von Baumaßnahmen. Hier<br />

sind sich sowohl das Bauministerium<br />

als auch das Bundesinnenministerium<br />

einig. Doch was passiert für den Fall,<br />

dass einzelne Baustellen nicht mehr betrieben<br />

werden dürfen? Eine brisante<br />

Rechtslage, insbesondere dann, wenn es<br />

um „höhere Gewalt“ geht und der Auftraggeber<br />

seine Zahlungen einstellt.<br />

MASSNAHMEN, UM DIE INFEKTI-<br />

ONSGEFAHR BEI LAUFENDEM<br />

BAUBETRIEB ZU MINIMIEREN<br />

Neben der Einhaltung der Hygieneregeln<br />

müssen entsprechend die Arbeitsabläufe<br />

auf der Baustelle so gestaltet<br />

sein, dass grundsätzlich der Mindestabstand<br />

zwischen zwei Personen von 1,50<br />

Metern eingehalten werden kann.<br />

Doch was passiert, wenn der Bauherr<br />

plötzlich in finanzielle Zahlungsschwierigkeiten<br />

gerät? Die Zahlung vorübergehend<br />

einzustellen ist erlaubt (Rechtsgrundlage:<br />

das am 25.03.<strong>2020</strong> vom Bundestag<br />

beschlossene „Gesetz zur Abmilderung<br />

der Folgen der COVID-19-Pandemie<br />

im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“.<br />

Was besagt: es gilt lediglich<br />

ein Aufschub der Zahlungen,<br />

danach muss selbstverständlich – wie<br />

vereinbart – nachgeleistet werden.<br />

Nicht zu verwechseln mit Zahlungen im<br />

Zusammenhang des sog. „wesentlichen<br />

Dauerschuldverhältnisses“ (bspw. Strom<br />

Gas, Wasser etc.). Der Grund: Bauverträgen<br />

liegen keine wesentlichen Dauerschuldverhältnisse<br />

zugrunde, daher hat<br />

ein solches Leistungsverweigerungsrecht<br />

auf dem Bau keinen Bestand.<br />

AUSFÜHRUNGSFRISTEN KÖNNEN<br />

AUFGRUND PERSONELLER<br />

AUSFÄLLE NICHT EINGEHALTEN<br />

WERDEN<br />

Die Corona-Pandemie begründet erst<br />

einmal den Tatbestand der „Behinderung<br />

durch höhere Gewalt“. Hierauf<br />

kann sich der Bauherr berufen. Was bedeutet:<br />

ein Schadens- bzw. Entschädigungsanspruch<br />

gegen den Auftragnehmer<br />

– und umgekehrt – findet ausdrücklich<br />

nicht statt. Ausnahme: alle<br />

Betroffenen legen formal dar, warum<br />

sie ihre Leistungen nicht erbringen<br />

können.<br />

Gleichzeitig kann es natürlich auch passieren,<br />

dass der Baubetrieb deshalb vorübergehend<br />

eingestellt werden muss,<br />

weil etwa Mitarbeiter bzw. deren Angehörige<br />

an Corona erkranken. Für diesen<br />

Fall müsste ein Großteil der Beschäftigten<br />

auf dem Bau behördenseitig unter<br />

Quarantäne gestellt werden.<br />

In wirtschaftlich guten Zeiten eigentlich<br />

kein Problem. Heute werden die meisten<br />

Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt<br />

keinen geeigneten Ersatz finden. Hinzu<br />

kommen die verschärften Ausgangsbeschränkungen,<br />

die eine Arbeit auf<br />

dem Bau grundsätzlich untersagen.<br />

Nicht zu vergessen: die aktuellen Reisebeschränkungen,<br />

weshalb viele Mitarbeiter<br />

die Baustelle erst gar nicht erreichen<br />

können.<br />

Doch wie sieht in diesem Falle die rechtliche<br />

Lage aus, wenn dann kein Ersatz<br />

möglich ist, eventuell sogar die gesamte<br />

Projektleitung unter Quarantäne gestellt<br />

wird und auch hierfür keine Vertretung<br />

gefunden wird?<br />

Hierzu das aktuelle BGH-Urteil vom<br />

30.01.<strong>2020</strong> (Az. VII ZR 33/19) zum Entschädigungsanspruch<br />

nach § 642 BGB:<br />

es bedarf grundsätzlich einer sog. Einzelfallprüfung.<br />

Liegt demnach eine höhere<br />

Gewalt vor, dann verlängern sich in<br />

diesem Zusammenhang auch die Ausführungsfristen<br />

automatisch um die<br />

Dauer der Behinderung – plus eines angemessenen<br />

Zeitzuschlags für die Wiederaufnahme<br />

der Arbeiten.<br />

Da § 642 BGB keine Berechnung<br />

eines Entschädigungsanspruchs vorsieht,<br />

muss jetzt der Tatrichter eine sog.<br />

Abwägungsentscheidung treffen. Hierzu<br />

ist er nach § 287 Zivilprozessordnung<br />

(ZPO) dazu berechtigt, eine Schätzung<br />

vorzunehmen.<br />

In diesem Zusammenhang ist der Unternehmer<br />

zur Auftragskalkulation verpflichtet,<br />

d. h. er muss eine Zuordnung<br />

der vereinbarten Vergütung zu den unproduktiv<br />

bereitgehaltenen Produktionsmitteln<br />

vornehmen. Gleichzeitig ist<br />

er verpflichtet, darzulegen, welche Vergütung<br />

er mit diesen Produktionsmitteln<br />

während des Annahmeverzuges erwirtschaftet<br />

hatte.<br />

Der Unternehmer muss also die sog.<br />

„Unproduktivität seiner Produktionsmittel“<br />

nachweisen. Das heißt: Liefer-,<br />

Material- und Personalengpässe haben<br />

erhebliche Auswirkungen auf den Baustellen.<br />

Viele Baustellenbesprechungen<br />

müssen zwischenzeitlich abgesagt werden,<br />

auch die Behörden nehmen teilweise<br />

keine Abnahmetermine mehr<br />

wahr. D. h. der Unternehmer kann seine<br />

geschuldete Mitwirkungshandlung nicht<br />

mehr erbringen.<br />

Dies eröffnet im Großen und Ganzen<br />

natürlich entsprechende Handlungsspielräume.<br />

Bauherren und Unternehmen<br />

kann daher nur angeraten werden,<br />

entsprechende Abgeltungsvereinbarungen<br />

zu treffen.<br />

WENN EINE LEISTUNG<br />

„UNMÖGLICH“ WIRD<br />

Unmöglichkeit einer Leistung wäre zum<br />

Beispiel für den Fall gegeben, dass ein<br />

Unternehmen als Auftraggeber keine<br />

Baustoffe mehr einkaufen kann, weil der<br />

Lieferant unter Quarantäne steht. Für<br />

diesen Fall entfällt grundsätzlich die<br />

Pflicht zur Leistung, weil sich diese nach<br />

Vertragsschluss schlichtweg nicht mehr<br />

erbringen lässt.<br />

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Was bedeutet: Die Gläubiger sind<br />

von ihrer Zahlungspflicht befreit. Aber<br />

Achtung: „Unmöglichkeit“ bedeutet<br />

rechtlich „generelle Unerfüllbarkeit“.<br />

Eine solche ist jedoch in Zeiten von Corona<br />

nur für die Frist gegeben, in denen<br />

die Ausnahmesituation gegeben ist.<br />

Da die Corona-Pandemie allerdings<br />

zeitlich begrenzt ist, kommt es lediglich<br />

zu einem „vorübergehenden Leistungshindernis“<br />

mit der Folge, dass diese lediglich<br />

zum Verzug oder zu Ansprüchen<br />

aus Bauablaufstörungen führen<br />

(Ausnahme: die Ausübung einer<br />

konkreten Tätigkeit wird behördlich<br />

untersagt).<br />

Die Berechnung eines „gerechtfertigten“<br />

Entschädigungsanspruches wird<br />

also weiterhin juristisch umstritten<br />

bleiben.<br />

<br />

© Autor: Dietmar Kern<br />

36<br />

Foto: Getty Images/Montage – MicroStockHub, artea18<br />

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