22HISTORISCHESKontakten Adenauers zu Wehrmachtsgenerälen erfuhr, um eine Remilitarisierungvorzubereiten, ging er auf Distanz zu dieser Absicht. Über seineAktivitäten in Berghofen berichtete Arnold Haumann: „In Berghofen habeich mich gleich nach meiner Rückkehr aus der Gefangenschaft in derevangelischen Jugendarbeit engagiert. Pastor Ernst Wilhelm Boland, biszu seiner Emeritierung Gemeindepfarrer in Berghofen, gründet eine örtlicheevangelische Akademie und vermittelt theologische Gedanken unterdem Aspekt der Aktivierung des Gemeindelebens und der Beziehung vonKirche und Welt.“ (S. 43)Zum Wintersemester 1947 wechselte Haumann an die Universität Heidelberg,besonders rechtliche Fragen interessierten Haumann nun. Sokritisierte er, den römischen Rechtsgrundsatz aufgreifend „niemand darfRichter sein, der in irgendeiner Form, sei es mittelbar oder unmittelbar, aneiner Sachlage beteiligt ist“, (S. 44) die Nürnberger Prozesse, die diesemGrundsatz entsprechend mit Richtern aus neutralen Ländern hätten besetztwerden müssen. Noch war die öffentliche Kritik an den Besatzungsmächtenbei Strafe verboten, und Haumann hatte das Glück, dass sich derUniversitätsrektor Hans von Campenhausen weigerte, ihn vom Studiumauszuschließen, wenn er ihm auch riet: „Mensch, halte doch den Mund,das schadet dir doch nur. Du hast mit dem Studium genug zu tun.“ (S. 45)Dennoch trugen Haumanns Aktivitäten in der Studentengemeinde dazubei, dass er ein Stipendium vom Weltkirchenrat zum Theologiestudiuman der Princeton-Universität in den USA erhielt. Erst nach langem Zögernstellten die US-Behörden das notwendige Visum aus. In den USA fand ArnoldHaumann hervorragende Studienbedingungen und ein „sehr schönesLand“ (S. 70) mit vielen freundlichen Menschen vor. Er lernte den karnevalartigenUS-Wahlkampf kennen, fand einen weitverbreiteten naivenAntikommunismus vor und nahm die immensen sozialen Unterschiede,die Rassenvorurteileund -benachteiligungenzurKenntnis, wieauch die Tatsache,dass US-PräsidentTruman, obwohlgewarnt, nichtsgegen den japanischenAngriffauf Pearl Harbourunternommen hatte,um sein Landmit voller Kraftin den Weltkriegführen zu können.Als „Bachelor ofDivinity“ (S. 64)schloss Haumannseine Studienerfolgreich ab.Arnold Haumann im Jahre 1948In den Anfangsjahren der BundesrepublikBeeinflusst von dem Theologen Paul Tillich, der mahnte, Weltverantwortungaus bilbischer Sicht wahrzunehmen, hielt Haumann viele Vorträgeüber seine amerikanischen Erfahrungen. „Gustav Heinemann, inzwischenBundesminister im Kabinett Adenauer, lerne ich auf dem Essener Kirchentag1950 kennen. Als prominentes Mitglied der ,Bekennenden Kirche´ ister seit einem Jahr Präses der gesamtdeutschen Synode der EvangelischenKirche in Deutschland (EKD). Als Redner auf dem Kirchentag spricht erden Satz aus: ,Daß Deutsche jemals auf Deutsche schießen, muß undenkbarbleiben.´ Als ich [Haumann] in der Diskussion nach seinem Vortragetwas aus den USA berichte, auch von den Absichten, den neugebildetendeutschen Teilstaat zum militärischen Brückenkopf gegen den Osten auszubauen,hält Heinemann meine Aussagen für unwirklich.“ (S. 72)Arnold Haumann, der als Werkstudent, unter anderem bei der MaschinenfabrikSchade in Schüren und bei der Dortmund-Hörder Hüttenunion, seinGeld für ein weiteres Studium in Münster verdiente, wollte nun Ost-Erfahrungensammeln. Obwohl die „Freie Deutsche Jugend“ in Westdeutschlandmittlerweile verboten war, fuhr Haumann zu deren Kongress nachOst-Berlin. Dort traf er die DDR-Kultusministerin Fabisch (die spätereFrau Honecker) und den später inhaftierten Minister für Handel und Verkehrder DDR, Karl Hamann, der während seiner Studienzeit für einigeMonate in Berghofen gewohnt hatte. Hamann wies darauf hin, dass vieleUnternehmer, Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Ärzte den Wegin den reicheren Westen gegangen seien und dass dies die Wirtschaftin der DDR negativ beeinflusste. Den Gesang der FDJler „Die Partei, diePartei, die hat immer recht...“ (S. 75) stellte Haumann auch in Ost-Berlinin Frage. Aus der DDR mitgeführte Schriften und Bücher wurden Haumanndann bei der Wiedereinreise in die Bundesrepublik abgenommen.Bei seiner Mutter in Berghofen fragten immer wieder Polizisten nach demSohn; dies trug zur einer erheblichen Verunsicherung bei, aber es war nurder Beginn für insgesamt 62 Vorladungen im Zusammenhang mit Ermittlungenwegen Staatsgefährdung; Unterlagen wurden beschlagnahmt undzum Teil nicht zurückgegeben.Haumann wurde Mitglied des „Internationalen Versöhnungsbundes“, derdie „Aktion Sühnezeichen“ inspirierte. Als Konrad Adenauer den West-Alliiertenim Alleingang einen deutschen Verteidigungsbeitrag anbot, derdie deutsche Teilung zementieren musste, trat Innenminister Heinemannzurück. Es bildete sich eine Bürgerinitiative, die eine Volksbefragung zumZiel hatte, die einen Friedensvertrag und die Verhinderung der Wiederbewaffnunganstrebte. Arnold Haumann wurde zu einem der beiden Vorsitzendender Initiative für Nordrhein-Westfalen gewählt, die Initiative aberdurch Heinemanns Nachfolger mit der Begründung, sie sei kommunistischunterwandert, verboten; dies geschah zu einer Zeit, als die KommunistischePartei noch legitim im Bundestag saß. Gustav Heinemannregte die Gründung einer „Notgemeinschaft für den Frieden Europas“ (S.84) an, zu deren Gründungsmitgliedern auch Arnold Haumann gehörte.Die Notgemeinschaft wollte eine Petition an den Deutschen Bundestagrichten, die eine Wiederbewaffnung verhindern sollte. Die einigen TausendUnterzeichner der Petition wurden von Adenauer „als Sektierer oder religiöseGesundbeter“ (S. 95) lächerlich gemacht.Immer wieder setzte sich Arnold Haumann mit der Politik Adenauers auseinander,der sich mit einer Reihe willfähriger Nazis wie Globke, Oberländerund Gehlen umgeben hatte. In seiner Monographie „Konrad Adenauer“(Reinbek 1987) fasst Gösta von Uexküll zusammen: Mochte Adenauers„kommunistisches Feindbild auch noch so unlogisch und irrational sein,es erwies sich als sehr wirksames Mittel, um die Wiederaufrüstung denBundesbürgern schmackhaft zu machen.“ (Ebendort S. 80) Aus christlicherÜberzeugung, eingedenk der Seligpreisungen der Bergpredigt, versuchteArnold Haumann, dem etwas entgegenzusetzen.Der erste politische Mord in der jungen Republik?Arnold Haumann war entschlossen, die Wiederbewaffnungspolitik Adenauersnicht hinzunehmen; dabei kam es zu einem besonders tragischenEreignis. Haumann schildert dies aus seiner Sicht: „Zum 1. Mai 1952lädt Studentenpfarrer Herbert Mochalski die Aktionsgruppen gegen Aufrüstungnach Darmstadt ein, um in einem Vorbereitungskreis über dieDurchführung einer Großveranstaltung zu beraten. Ich habe seit einigenMonaten einen Beschäftigungsauftrag vom Vorsitzenden des Presbyteriumsder Evangelischen Kirchengemeinde in Berghofen, Pastor Boland.Ich bin beauftragt, in meiner Heimatgemeinde zu predigen, Bibelstundenabzuhalten und mich verstärkt in der evangelischen Gemeindejugend zuengagieren. Auf Einladung des Presbyteriums nehme ich am 1. Mai 1952an dessen Jahresausflug ins Sauerland teil. Weil ich meine Zusage nichtzurückziehen möchte, kann ich an der Veranstaltung in Darmstadt nichtteilnehmen. Ich erfahre am nächsten Tag telefonisch, daß der vorbereitendeKreis in Darmstadt mir die Leitung für eine Großveranstaltung am 11.Mai 1952 und damit die verantwortliche Planung übertragen hat.
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