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TE KW 17

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Ein Fürstbischof mit großer Demut im Herzen<br />

Vor genau 100 Jahren wurde der gebürtige Roppner Johannes Raffl zum Oberhirten der Diözese Brixen geweiht<br />

Vor genau 100 Jahren, nämlich am 28. April 1921, wurde der aus<br />

Roppen gebürtige Geistliche Johannes Raffl völlig überraschend<br />

durch den damaligen Papst Benedikt XV. zum Oberhirten der Diözese<br />

Brixen ernannt und am 23. Juni im Brixner Dom inthronisiert.<br />

Für den Roppner Pfarrer Johannes Laichner Grund genug,<br />

Umstände und Zeit der Bestellung des letzten gemeinsamen Fürstbischofs<br />

von Tirol, Südtirol und Vorarlberg näher zu beleuchten.<br />

Von Gebi G. Schnöll<br />

Glaubt man den Zeitungsberichten<br />

jener Tage, so wurde Johannes<br />

Raffls Ernennung im ganzen Bristum<br />

mit großer Freude aufgenommen<br />

– auch deshalb, weil der Bixner<br />

Bischofsstuhl seit drei Jahren vakant<br />

gewesen war. Man lobte Raffls Demut<br />

und sprach von einer „bezwingenden<br />

Liebenswürdigkeit“ des neuen<br />

Oberhirten. Zugleich war sich die<br />

Öffentlichkeit auch der Bürde dieses<br />

Bischofsamtes bewusst, besonders in<br />

diesen schwierigen Zeiten mitten im<br />

Wiederaufbau nach einem verheerenden<br />

Weltkrieg. „Der lange Krieg<br />

hatte das christliche Kultur- und<br />

Geistesleben verwüstet. Vieles, was<br />

im christlichen Sittengesetz bisher<br />

selbstverständlich verankert war, lag<br />

nun sprichwörtlich in Trümmern.<br />

Hinzu kam der Schmerz über die<br />

Trennung des Landes am Brennerpass.<br />

Durch die Entmachtung der<br />

früheren politischen Akteure nach<br />

der Annexion 1919 verblieb die<br />

Kirche als wohl letzte bedeutende<br />

Trägerin des Tiroler Landesbewusstseins.<br />

Die Kirche sah sich in den<br />

folgenden Jahren gedrängt, für die<br />

Rechte der benachteiligten Bevölkerung<br />

einzutreten und besonders die<br />

Deutsch und Ladinisch sprechenden<br />

Südtiroler vor den zunehmenden<br />

Repressionen der faschistischen Regierung<br />

in Schutz zu nehmen“, erklärt<br />

der Roppner Pfarrer Johannes<br />

Laichner.<br />

AMTSANTRITT. Raffls Amtsantritt<br />

fiel aber nicht nur in die<br />

bewegte Zeit der Neuordnung aller<br />

staatlichen Angelegenheiten<br />

durch den Friedensvertrag von St.<br />

Germain und der willkürlich aufgezwungenen<br />

und zutiefst schmerzhaften<br />

Spaltung Tirols und seiner<br />

Bevölkerung, sondern war auch<br />

geprägt vom Ende einer mehr als<br />

1000-jährigen Geschichte eines Bistums.<br />

Hatten seine Vorgänger bei ihrer<br />

Inthronisation noch ein riesiges<br />

Diözesangebiet übernommen und<br />

reichte ihre bischöfliche Jurisdiktion<br />

vom Bodensee bis zum Zillerfluss,<br />

von Reutte bis Ampezzo und vom<br />

Achensee bis in den Obervinschgau,<br />

Sanft und demütig im Herzen: Fürstbischof<br />

Raffl.<br />

so sah sich Raffl infolge der Abtrennung<br />

von Österreich mit dem<br />

allmählichen Verlust von drei Viertel<br />

des ursprünglichen Diözesangebietes<br />

konfrontiert. Zwar sollten die<br />

Verbindungen zwischen Innsbruck-<br />

Feldkirch und Brixen bis 1925 eng<br />

bleiben, trotzdem war schon 1921<br />

absehbar, dass sich die in Österreich<br />

verbliebenen Diözesangebiete in<br />

wenigen Jahren zu einem selbstständigen<br />

kirchlichen Verwaltungssprengel<br />

entwickeln würden.<br />

Bischof Johannes Raffl (vorne Mitte) 1923 in Roppen, als die Glocke geweiht wurde.<br />

Fotos: Pfarre Roppen<br />

ERFAHRUNG FÜRS BI-<br />

SCHOFSAMT. Wohl auch in<br />

Reaktion auf die Neuordnung der<br />

Staatsgrenzen und der daraus resultierenden<br />

Schwierigkeiten einer<br />

länderübergreifenden Seelsorge<br />

übertrug Papst Benedikt XV. dem<br />

bisherigen Generalvikar von Vorarlberg,<br />

Sigmund Waitz, mit dem<br />

Dekret vom 9. April 1921 die geistliche<br />

Amtsgewalt für den österreichischen<br />

Teil der Diözese Brixen,<br />

aber immer noch in Unterordnung<br />

zu Fürstbischof Johannes Raffl, der<br />

nur drei Wochen später sein neues<br />

Hirtenamt annehmen sollte. Im Unterschied<br />

zu den Vorgängern im Bischofsamt<br />

war Raffl weder Domherr<br />

noch Theologieprofessor gewesen.<br />

Trotz seiner demütigen Selbsteinschätzung<br />

brachte er aber dennoch<br />

genügend Erfahrung mit ins Bischofsamt,<br />

vom Präfektendienst im<br />

Vinzentinum über die Pfarrseelsorge<br />

in Jenbach, Mieming und Oberhofen<br />

zum diözesanen Kanzlei- und<br />

Wirtschaftsressort, dabei der ständige<br />

Haus- und Tischgenosse mehrerer<br />

Fürstbischöfe und als solcher<br />

in alle Einzelheiten der episkopalen<br />

Geschäfte und Angelegenheiten eingeweiht,<br />

von der Seelsorge niemals<br />

losgelöst, weder vom Beichtstuhl<br />

noch vom katholischen Vereinsleben.<br />

„In der öffentlichen Wahrnehmung<br />

galt Raffl daher von Anfang<br />

an als ein Mann aus dem Volk, ganz<br />

nach dem Wunsch vieler Gläubigen.<br />

Bis zu seinem allzu frühen Ableben<br />

1927 war seine Amtszeit von großen<br />

politischen und kirchlichen Veränderungen<br />

geprägt“, weiß Pfarrer<br />

Laichner. Die Annexion Südtirols<br />

durch Italien führte 1925 zur Teilung<br />

der Diözese Brixen und längerfristig<br />

zur Errichtung der Diözesen Bozen-<br />

Brixen, Innsbruck und Feldkirch.<br />

Trotz dieser schmerzhaften Teilung<br />

der Diözese oder gerade auch deshalb<br />

suchte Fürstbischof Johannes<br />

nach 1925 noch intensiver die Nähe<br />

zum gläubigen Volk. Er blieb im<br />

Grunde der eifrige Landpfarrer, der<br />

sich als guter Hirte um die ihm Anvertrauten<br />

kümmerte.<br />

ZEITNAH UND GÜTIG. Er<br />

galt zeitlebens als volksnaher und<br />

gütiger Oberhirte. Seine Predigten<br />

und Katechesen waren wortgewaltig<br />

und prophetisch zugleich. Seine<br />

Analysen wirken zeitlos aktuell. Raffl<br />

beklagt grundsätzlich den Glaubensabfall<br />

seiner Zeit. Die Auswirkungen<br />

dieser Entwicklung treffen die Gesellschaft<br />

im Kern. Familien und<br />

Ehen zerbrechen an den Folgen der<br />

sich ausbreitenden Sittenlosigkeit,<br />

die Gottvergessenheit bedroht die<br />

Würde der Frau und den Schutz des<br />

ungeborenen Lebens. Mag Raffls<br />

Predigt heute für einige Ohren restaurativ<br />

und antiliberal klingen, so<br />

wies er doch mutig auf Missstände<br />

hin und verurteilte zurecht menschenverachtende<br />

Zustände. Für<br />

den Fürstbischof stand fest: Die Abkehr<br />

von Christus, und damit von<br />

der letzten Wahrheit, bedeutet am<br />

Ende auch die Abkehr von einer<br />

humanen und freien Gesellschaft.<br />

Wahrheit muss es geben. Sie stellt<br />

auch keine Bedrohung der Freiheit<br />

dar, sondern ermöglicht sie erst.<br />

Gefährlich sind vielmehr der wachsende<br />

Individualismus und der Relativismus,<br />

die auf Wahrheit verzichten<br />

und zu keinem erfüllten Leben<br />

führen. „Im Blick auf Christus, der<br />

ewigen Wahrheit schlechthin, kann<br />

uns ein Leitwort von Fürstbischof<br />

Johannes Raffl auch heute in diesen<br />

bedrängten und mitunter verwirrenden<br />

Zeiten Hoffnung und Mut<br />

schenken: Verzagt nicht, jede Zeit<br />

hat ihre Schwierigkeiten“, schließt<br />

Pfarrer Johannes Laichner ab.<br />

Pfarrer Johannes Laichner stammt aus<br />

Telfs. Er betreut im Seelsorgeraum Inntal<br />

auch die Pfarre Roppen. Dort taufte<br />

er nun den Widum-Vorplatz zum „Fürstbischof-Johannes-Raffl-Platz“.<br />

RUNDSCHAU Seite 20 28./29. April 2021

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