Kulturfenster Nr. 05|2021 - Oktober 2021
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hinterfragt<br />
In Treue fest durch die Systeme<br />
Geschichte der Südtiroler Blasmusik 1918–1948<br />
Notizen zu einem besonderen Projekt<br />
Das Projekt<br />
Als im Herbst 2013 öffentliche Irritationen<br />
im Bundesland Tirol über die Involvierung<br />
maßgeblicher Vertreter der Volks- und Blasmusik<br />
in das NS-Regime auch in Südtirol<br />
medialen Niederschlag fanden, initiierten<br />
der Verband Südtiroler Musikkapellen<br />
(VSM) und das Südtiroler Landesarchiv<br />
auf Anregung der damaligen Landesrätin<br />
für deutsche Schule, Denkmalpflege,<br />
Bildungsförderung, deutsche Kultur und<br />
Berufsbildung, Sabina Kasslatter Mur, das<br />
Forschungsprojekt „Die Geschichte der<br />
Südtiroler Blasmusik 1918–1948“.<br />
Damit wollten die Projektträger nicht nur<br />
die NS-Zeit, sondern die Entwicklung<br />
des Südtiroler Blasmusikwesens vom<br />
Ersten Weltkrieg bis zur Gründung des<br />
Verbandes aufarbeiten lassen. Der Komplexität<br />
der Fragestellung entsprechend<br />
wurde das Projekt als Kooperation zeithistorischer,<br />
musikhistorischer und ethnologischer<br />
Kompetenzen konzipiert. Den<br />
Auftrag zur operativen Durchführung erhielten<br />
der Historiker Hubert Mock (Bozen),<br />
der Musikwissenschaftler Thomas<br />
Nußbaumer (Innsbruck) und der Volkskundler<br />
Christoph Gasser (Seis/Klausen).<br />
Nachdem sich Gasser im Herbst 2019<br />
aus dem Projekt zurückgezogen hatte,<br />
übernahm im Frühjahr 2020 der Innsbrucker<br />
Ethnologe Reinhard Bodner die<br />
Bearbeitung des Themenbereichs „Blasmusik<br />
und Tracht“. Die drei Hauptbeiträge<br />
werden ergänzt durch eine allgemein-kritische<br />
Einführung in die Geschichte der<br />
Blasmusik von Achim Hofer (Landau/<br />
Pfalz) und durch einen Beitrag über das<br />
Verhältnis von (Blas-)Musik und Politik in<br />
der NS-Zeit am Beispiel des Gaues Tirol-<br />
Vorarlberg von Kurt Drexel (Innsbruck).<br />
Gegenstand des Forschungsprojekts sind<br />
die zivilen, vereinsmäßig konstituierten<br />
Südtiroler Blasmusikformationen, die im<br />
Untersuchungszeitraum existierten. Nicht<br />
thematisiert werden die zahlreichen Kleingruppen,<br />
die vielfach innerhalb der Musikkapellen<br />
entstanden und mitunter ein<br />
Die Musikkapelle Gratsch vor dem Restaurant „Fallgatter“, 1914 (heute Provinzhaus der<br />
Barmherzigen Schwestern; MK Gratsch).<br />
selbständiges Tätigkeitsprofil entwickelten.<br />
Ebenso sind die militärische Blasmusik<br />
und italienische Musikkapellen, die vereinzelt<br />
existierten, nicht Gegenstand des<br />
Projekts. Thematisch im Vordergrund<br />
steht die Entwicklung der Vereine, ihrer<br />
Musik und ihrer Präsentation in der Öffentlichkeit,<br />
das heißt ihres Outfits, unter<br />
den unterschiedlichen politischen Rahmenbedingungen.<br />
Die Themenstellung<br />
erforderte es, zwar möglichst viele Vereinsgeschichten<br />
zu rezipieren, den Fokus<br />
projektrelevanter Fragestellungen aber von<br />
den einzelnen Musikkapellen weg hin auf<br />
wiederkehrende Elemente in ihrem Tätigkeitsprofil<br />
zu lenken. Methodisch erfolgt<br />
dies durch qualifizierende Analysen<br />
signifikanter Ereignisse sowie durch vergleichende<br />
Quantifizierungen von Daten<br />
aus Vereins- und amtlich-behördlichen<br />
Quellen. Ein besonderes Anliegen war es,<br />
die Geschichte der im Projektzeitraum aktiven<br />
Kapellen als Ausdruck gesellschaftlicher<br />
Verhältnisse, identitätsstiftender Prägungen<br />
und ideologischer Orientierungen<br />
im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft<br />
zu verstehen.<br />
Musikkapellen von<br />
1918 bis 1948<br />
Im Zuge der Projektabwicklung erwies<br />
es sich als schwierig, den Forschungsgegenstand<br />
zu quantifizieren, das heißt<br />
zu beziffern, wie viele Musikkapellen es<br />
in der Zeit von 1918 bis 1948 gab. Anders<br />
als für die meisten Kapellen haben<br />
sich für manche Blasmusikformationen<br />
nämlich keine Quellen überliefert. Gemeint<br />
sind hier vor allem jene Musikka-<br />
KulturFenster<br />
45 05/<strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong>