Kulturfenster Nr. 05|2021 - Oktober 2021
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Blasmusik<br />
Die Algunder Musikkapelle beim Kreisschießen in Meran, 30. April 1944 (MK Algund).<br />
wesentliche Aspekte der Geschichte der<br />
Südtiroler Musikkapellen im Projektzeitraum<br />
adäquat abzudecken. Dieser Befund<br />
wiegt umso schwerer, als es bisher<br />
nur wenige Publikationen gibt, die die gesellschaftliche<br />
und politische Dimension<br />
des Genres „Blasmusik“ thematisieren<br />
und historisch verorten. Sollte sich die<br />
Quellensituation in Zukunft verbessern<br />
– weil zum Beispiel Archivbestände zugänglich<br />
oder überhaupt erst ausfindig<br />
gemacht werden – könnten manche Aspekte<br />
neu thematisiert und viele Fragen<br />
eingehender beantwortet werden.<br />
Die vom VSM und dem Südtiroler Landesarchiv<br />
herausgegebene Geschichte der<br />
Südtiroler Blasmusik von 1918 bis 1948<br />
ist nicht die Summe der Geschichten der<br />
einzelnen in diesem Zeitraum existierenden<br />
Musikkapellen. Ein solcher Ansatz kumulativ-historistischer<br />
Geschichtsschreibung<br />
wäre wissenschaftlich nicht sinnvoll, ein<br />
solcher Anspruch zudem nicht einzulösen.<br />
Die Publikation ist der Versuch, auf der<br />
Basis des verfügbaren und ausgewählten<br />
Quellenmaterials auf zeitgeschichtlicher,<br />
musikgeschichtlicher und ethnologischer<br />
Ebene zentrale Entwicklungslinien<br />
des Südtiroler Blasmusikwesens im Projektzeitraum<br />
aufzuzeigen, das Verhältnis<br />
zwischen den Musikkapellen und den jeweiligen<br />
Regierungen bzw. Regimen darzustellen<br />
und die Rolle der Musikkapellen<br />
für das kollektive Bewusstsein in Südtirol<br />
zu beleuchten. Dabei konnten inhaltlich<br />
zahlreiche neue Facetten thematisiert und<br />
lange Zeit unkritisch Tradiertes hinterfragt<br />
werden. Wer hätte zum Beispiel gedacht,<br />
dass die 1920er Jahre jenes Jahrzehnt in<br />
der Geschichte der Südtiroler Blasmusik<br />
mit den vergleichsweise meisten Gründungen<br />
von Musikkapellen waren? Wer hat<br />
gewusst, dass die Südtiroler Musikkapellen<br />
ihr traditionelles Marschmusikrepertoire<br />
aus der k. u. k. Zeit unter allen politischen<br />
Systemen, die im Projektzeitraum<br />
an der Macht waren, beibehalten haben<br />
und dass die Italianisierung der Südtiroler<br />
Blasmusik durch den Faschismus in<br />
deutlich geringerem Maß stattgefunden<br />
hat als vielfach behauptet? Wie viele im<br />
Land sind sich des Umstandes bewusst,<br />
dass das Tragen von Tracht stets auch<br />
eine politische Dimension aufweist? Und<br />
in welchem Verhältnis stehen Tracht, Uniform,<br />
Mode und Identitätspolitik zueinander?<br />
Diese und zahlreiche weitere Fragen<br />
werden in der Publikation ausführlich behandelt<br />
und in einen theoretisch unterfütterten<br />
Identitätsdiskurs eingebettet.<br />
Bisher stand die jüngere Geschichte der<br />
Südtiroler Blasmusik weder bei der regionalen<br />
Zeitgeschichtsforschung noch bei<br />
den Blasmusikeinrichtungen im Fokus des<br />
Interesses. Der neue Band soll dazu beitragen,<br />
dieses Defizit zu beheben.<br />
Hubert Mock<br />
Zur Person<br />
Hubert Mock<br />
Hubert Mock, geb. 1960 in Bozen, Studium der Geschichte in Wien, 1988/89 Mitarbeit<br />
an der Ausstellung „Option-Heimat-Opzioni“, 1992 Mitbegründer der Arbeitsgruppe<br />
Regionalgeschichte/Gruppo di ricerca per la storia regionale und ihrer<br />
Zeitschrift „Geschichte und Region/Storia e regione“.<br />
Seit 1994 Leiter des Stadtarchivs Brixen, daneben Mitarbeit an verschiedenen Forschungsprojekten,<br />
Mitautor von Publikationen zur regionalen Zeitgeschichte und<br />
zur Geschichte von Brixen.<br />
KulturFenster<br />
47 05/<strong>Oktober</strong> <strong>2021</strong>