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nKUNST UND KULTUR

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Unbändige Lust aufs Erzählen

28. Oktober 2021

Der Schriftsteller und Journalist Jan Brandt stellt den Abschluss seiner Gangland-Chroniken vor. Vorab wollte er dem Kollegen

Klaus Modick auf die Schliche kommen.

Von Britta Lübbers | Schwarzer

Anzug, rote Turnschuhe,

schwarzrotes Basecap: Lässig

sieht Jan Brandt aus, wie er da

auf der Bühne im Oldenburger

Kulturzentrum PFL sitzt. Lässig

ist auch der Beginn der Lesung.

„Ich muss noch den letzten

Satz schreiben“, lächelt er und

tippt eine Zeile in den Laptop.

Aber so cool, wie es wirkt, ist

es nicht. Er tue sich schwer mit

dem Anfangen, wird der Journalist

und Schriftsteller, der

mit seinem Romandebüt „Gegen

die Welt“ Furore machte,

später erzählen. Dadurch gerate

er fast immer in Zeitnot.

Den Text, den er in Oldenburg

liest, hat er erst in der Nacht

fertiggestellt. „Ich kenne ihn

auch noch nicht“, sagt Literaturhaus-Leiterin

Monika Eden,

die die Lesung moderiert. Das

sei neu und spektakulär.

Harter Knochen

und Eigenbrötler

Im Herbst 2020 bereiste Jan

Brandt als Landgang-Stipendiat

des Literaturhauses Oldenburg

die Region, um aus

dem Erlebten Literatur zu machen.

Wegen Corona musste

er seinen Plan aufgeben, sich

während seiner Reise spontan

mit Menschen zu treffen.

Also suchte er sich gezielt für

jeden Ort Paten und verfasste

die Gangland-Chroniken, die

er jetzt vorstellte. Für die Kontaktaufnahme

in Oldenburg

wollte er sich ursprünglich „wie

alle anderen in der Wallstraße

abschießen“. Aber es ging auch

nüchtern.

Die Gegend ist Brandt nicht

fremd. Er wuchs in Ihrhove bei

Leer auf (ein Ort, den er als

18-Jähriger am liebsten abgefackelt

hätte), bevor er nach

Köln, Berlin und London zum

Studieren und nach München

Lässig, aber oft in Zeitnot: Jan Brandt | Foto: Lübbers

auf die Deutsche Journalistenschule

ging. In Oldenburg

traf er sich mit Klaus Modick.

Obwohl ihn Branchenkenner

vorgewarnt hatten. Modick sei

ein harter Knochen, ein totaler

Eigenbrötler, mit ihm sei nicht

zu spaßen. Und überhaupt,

was wolle er von ihm? „Modick

schreibt ein Buch nach dem

anderen. Ich wollte wissen, wie

er das macht“, so die Antwort.

Hass auf Autostädte –

Liebe zur Literatur

Brandt versuchte vorab, dem

Erfolg des anderen auf die

Schliche zu kommen. Er kaufte

sich dessen Romane, las die

Anfänge und blieb ratlos. Erst

durch die Lektüre eines Büchleins

über Leonard Cohen fand

er den Schlüssel: „Indem Modick

über andere schreibt, schreibt

er über sich selbst.“ Das ließe

sich auch über Brandt sagen.

Die zwei Autoren verabreden

sich zum Gang durch die Innenstadt.

Modick kommt in einem

etwas verknautschten Mantel

und blinzelt freundlich. „Wären

seine Haare voller und dunkler

und hielte er eine Zigarre

zwischen den Fingern, man

könnte ihn für Columbo halten“,

sinniert Brandt. Sie schlendern

durch die Fußgängerzone, vorbei

an Menschen, die vor Tauben

fliehen, an Tauben, die vor

Menschen fliehen und an Tauben,

die vor Tauben fliehen. Sie

gehen mit Bedacht, um keine

der Tauben zu zertreten. Modick

zeigt Brandt die Schlosshöfe

– „das größte Verbrechen

der Stadt“. Oldenburg habe sich

selbst kastriert, sagt Modick.

„Hier hat der Wohlstand mehr

kaputt gemacht als der Krieg.“

Jan Brandt findet Klaus Modick

offen und zugewandt. Und sie

haben einiges gemeinsam. Beide

waren Stipendiaten der Villa

Aurora in Los Angeles. Beide

hassen Autostädte und lieben

die Literatur. Beide mögen die

Band „A-ha“. Beide haben ein

durchaus gespaltenes Verhältnis

zur Provinz. Beide schreiben

mit feiner Ironie. „Bei Modick

steht alles am richtigen Platz“,

lobt Brandt den Schriftstellerkollegen.

Das trifft aber auch

auf seinen Gangland-Text zu.

Im Restaurant „Mamma Mia“

bietet Modick dem Jüngeren

das Du an. Als er in der BarCelona

um die Rechnung bittet,

sagt die Kellnerin: „Na klar, der

Papa zahlt.“ Er hätte ihn gerne

als väterlichen Freund, bekennt

Brandt. „Ich hoffe, dass ich mich

bei ihm angesteckt habe. Nicht

mit Corona, aber mit der unbändigen

Lust aufs Erzählen.“ Und

dann liest er den letzten, vor

einer Stunde schnell getippten

Satz. Es ist eine Songzeile

von Leonard Cohen: „Tonight

will be fine, will be fine for a

while.“

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