RR_Internet_1121
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
nKUNST UND KULTUR
54
Unbändige Lust aufs Erzählen
28. Oktober 2021
Der Schriftsteller und Journalist Jan Brandt stellt den Abschluss seiner Gangland-Chroniken vor. Vorab wollte er dem Kollegen
Klaus Modick auf die Schliche kommen.
Von Britta Lübbers | Schwarzer
Anzug, rote Turnschuhe,
schwarzrotes Basecap: Lässig
sieht Jan Brandt aus, wie er da
auf der Bühne im Oldenburger
Kulturzentrum PFL sitzt. Lässig
ist auch der Beginn der Lesung.
„Ich muss noch den letzten
Satz schreiben“, lächelt er und
tippt eine Zeile in den Laptop.
Aber so cool, wie es wirkt, ist
es nicht. Er tue sich schwer mit
dem Anfangen, wird der Journalist
und Schriftsteller, der
mit seinem Romandebüt „Gegen
die Welt“ Furore machte,
später erzählen. Dadurch gerate
er fast immer in Zeitnot.
Den Text, den er in Oldenburg
liest, hat er erst in der Nacht
fertiggestellt. „Ich kenne ihn
auch noch nicht“, sagt Literaturhaus-Leiterin
Monika Eden,
die die Lesung moderiert. Das
sei neu und spektakulär.
Harter Knochen
und Eigenbrötler
Im Herbst 2020 bereiste Jan
Brandt als Landgang-Stipendiat
des Literaturhauses Oldenburg
die Region, um aus
dem Erlebten Literatur zu machen.
Wegen Corona musste
er seinen Plan aufgeben, sich
während seiner Reise spontan
mit Menschen zu treffen.
Also suchte er sich gezielt für
jeden Ort Paten und verfasste
die Gangland-Chroniken, die
er jetzt vorstellte. Für die Kontaktaufnahme
in Oldenburg
wollte er sich ursprünglich „wie
alle anderen in der Wallstraße
abschießen“. Aber es ging auch
nüchtern.
Die Gegend ist Brandt nicht
fremd. Er wuchs in Ihrhove bei
Leer auf (ein Ort, den er als
18-Jähriger am liebsten abgefackelt
hätte), bevor er nach
Köln, Berlin und London zum
Studieren und nach München
Lässig, aber oft in Zeitnot: Jan Brandt | Foto: Lübbers
auf die Deutsche Journalistenschule
ging. In Oldenburg
traf er sich mit Klaus Modick.
Obwohl ihn Branchenkenner
vorgewarnt hatten. Modick sei
ein harter Knochen, ein totaler
Eigenbrötler, mit ihm sei nicht
zu spaßen. Und überhaupt,
was wolle er von ihm? „Modick
schreibt ein Buch nach dem
anderen. Ich wollte wissen, wie
er das macht“, so die Antwort.
Hass auf Autostädte –
Liebe zur Literatur
Brandt versuchte vorab, dem
Erfolg des anderen auf die
Schliche zu kommen. Er kaufte
sich dessen Romane, las die
Anfänge und blieb ratlos. Erst
durch die Lektüre eines Büchleins
über Leonard Cohen fand
er den Schlüssel: „Indem Modick
über andere schreibt, schreibt
er über sich selbst.“ Das ließe
sich auch über Brandt sagen.
Die zwei Autoren verabreden
sich zum Gang durch die Innenstadt.
Modick kommt in einem
etwas verknautschten Mantel
und blinzelt freundlich. „Wären
seine Haare voller und dunkler
und hielte er eine Zigarre
zwischen den Fingern, man
könnte ihn für Columbo halten“,
sinniert Brandt. Sie schlendern
durch die Fußgängerzone, vorbei
an Menschen, die vor Tauben
fliehen, an Tauben, die vor
Menschen fliehen und an Tauben,
die vor Tauben fliehen. Sie
gehen mit Bedacht, um keine
der Tauben zu zertreten. Modick
zeigt Brandt die Schlosshöfe
– „das größte Verbrechen
der Stadt“. Oldenburg habe sich
selbst kastriert, sagt Modick.
„Hier hat der Wohlstand mehr
kaputt gemacht als der Krieg.“
Jan Brandt findet Klaus Modick
offen und zugewandt. Und sie
haben einiges gemeinsam. Beide
waren Stipendiaten der Villa
Aurora in Los Angeles. Beide
hassen Autostädte und lieben
die Literatur. Beide mögen die
Band „A-ha“. Beide haben ein
durchaus gespaltenes Verhältnis
zur Provinz. Beide schreiben
mit feiner Ironie. „Bei Modick
steht alles am richtigen Platz“,
lobt Brandt den Schriftstellerkollegen.
Das trifft aber auch
auf seinen Gangland-Text zu.
Im Restaurant „Mamma Mia“
bietet Modick dem Jüngeren
das Du an. Als er in der BarCelona
um die Rechnung bittet,
sagt die Kellnerin: „Na klar, der
Papa zahlt.“ Er hätte ihn gerne
als väterlichen Freund, bekennt
Brandt. „Ich hoffe, dass ich mich
bei ihm angesteckt habe. Nicht
mit Corona, aber mit der unbändigen
Lust aufs Erzählen.“ Und
dann liest er den letzten, vor
einer Stunde schnell getippten
Satz. Es ist eine Songzeile
von Leonard Cohen: „Tonight
will be fine, will be fine for a
while.“
n
Malerfachbetrieb
Stelle frei?
Inserieren Sie online in der
JOBWELT der rasteder rundschau
Alter Postweg 35
26215 Wiefelstede-Heidkamp
Telefon 04402 - 4524 · Mobil 0173 8010061
04402 - 9110-11 / - 13
anzeigen.rundschau@ewetel.net