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audimax I.T. 1-2022 - Karrieremagazin für ITler

Von neuen Helden, Büchern, Filmen und Songs, die dein Mindset auf links drehen *** Unser Master-Special für alle Unentschlossenen: Studiengänge, Erfahrungsberichte aus erster Hand, Finanzierung und was sonst noch wichtig ist *** Diversity in MINT: Wie ausgeprägt ist Vielfalt in Unternehmen wirklich? *** Roundhouse Blick – IT-Analysten dolmetschen zwischen IT- und BWL-Abteilung *** Make a wish: Was sich IT-Experten in einer idealen Welt von der IT wünschen *** Was Willi Weitzel mit Pippi Langstrumpf, Wollwurst und Popelsammlungen zu tun hat: Er verrät’s in Mut Zur Lücke

Von neuen Helden, Büchern, Filmen und Songs, die dein Mindset auf links drehen *** Unser Master-Special für alle Unentschlossenen: Studiengänge, Erfahrungsberichte aus erster Hand, Finanzierung und was sonst noch wichtig ist *** Diversity in MINT: Wie ausgeprägt ist Vielfalt in Unternehmen wirklich? *** Roundhouse Blick – IT-Analysten dolmetschen zwischen IT- und BWL-Abteilung *** Make a wish: Was sich IT-Experten in einer idealen Welt von der IT wünschen *** Was Willi Weitzel mit Pippi Langstrumpf, Wollwurst und Popelsammlungen zu tun hat: Er verrät’s in Mut Zur Lücke

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BRANCHENEINBLICK<br />

TRECKER FAHR’N<br />

HIGHTECH FÜR'N ACKER: WIE IT SÄEN, ERNTEN & BEWÄSSERN LEICHTER MACHT<br />

Text: Jule Ahles<br />

Sie beschäftigt sich mit Landmaschinen. Feld- häcksler, Mähdrescher<br />

oder Güllefässer sind ihre täglichen Begleiter. Und doch<br />

sagt sie von sich: »Wer länger als eine Stunde auf dem Trecker<br />

war, weiß mehr über die praktische Landwirtschaft als ich.« Also<br />

doch keine Landwirtin... Was dann? Michaela Meyer ist ursprünglich Mathematikerin,<br />

von dort aus in die Softwareentwicklung gewechselt und<br />

jetzt Smart Data Technologist bei John Deere. Dort arbeitet sie mit ihrem<br />

Team an Algorithmen <strong>für</strong> Sensoren, die zum Beispiel Infos<br />

über die Zusammensetzung von Dünger ausgeben oder den<br />

Nährstoff- gehalt des Ernteguts bestimmen. »Landmaschinen<br />

sind enorm fas- zinierend und technisch anspruchsvoll«, erklärt<br />

sie, »die fahren schon seit Jahren allein und funken<br />

Unmengen an Daten in die Cloud. Wenn ich mir überlege,<br />

dass Leute von Sportautos begeis- tert sind, finde ich Traktoren<br />

inzwischen beeindruckender.« Wer hätte gedacht, dass<br />

einer der ältesten Industriezweige der Welt am besten digitalisiert<br />

ist? Wehe dem Menschen, der bei Landwirtschaft nur an<br />

verrostete Traktoren und trockene Hände denkt, die an Kuheutern<br />

Milch melken. Mittlerweile – und das in den ersten Zügen<br />

schon seit 15 Jahren – fahren Traktoren weitgehend autonom über Felder,<br />

melken Roboter das Vieh und sammeln dabei noch Daten über den<br />

Gesundheitszustand der Tiere, ermitteln Bilderkennungssoftwares den<br />

Düngerbedarf der Äcker, und intelligente Maschinen tragen spezifisch<br />

und zentimetergenau Pflanzenschutzmittel aus. Alles auf Basis von<br />

Daten.<br />

Das biete die Chance, erklärt Ralf Kalmar, Leiter des Fraunhofer-Projekts<br />

›Cognitive Agriculture‹, die Komplexität in der Landwirtschaft<br />

nicht komplett auf den Menschen abzuladen, sondern dass es Systeme<br />

gibt, die eine Entscheidung unterstützen. Schließlich stehen Landwirte<br />

in der Zwickmühle, möglichst ökologisch, sozial und dabei auch noch<br />

gewinnbringend zu wirtschaften. Mit dem gezielten Einsatz von intelligenten<br />

Systemen lassen sich diese Anforderungen unter einem Dach vereinen.<br />

Sichtbar am Beispiel der spezifischen Düngung: Hier wird der gleiche<br />

Ertrag erzielt, jedoch mit zehn Prozent weniger Dünger und Nitrat.<br />

Wie das funktioniert? An den Landmaschinen befinden sich Kameras,<br />

die mithilfe künstlicher Intelligenz Nutzpflanzen von Unkräutern unterscheiden<br />

und dann punktgenau behandeln. Oder sie nehmen die Bodenbeschaffenheit<br />

näher unter die Lupe. Kombiniert mit Wetterdaten lassen<br />

sich auch auf diese Weise individuelle Ackerkarten erstellen. »Ein großer<br />

Teil der Technik und Sensorik zielt darauf ab, bei gleichem Preis nachhaltiger<br />

zu sein«, fasst es Jörg Dörr, Leiter des Lehrstuhls Digital Farming an<br />

der TU Kaiserslautern, zusammen.<br />

Ein Selbstläufer ist die Digitalisierung in der Landwirtschaft trotzdem<br />

nicht. Vieles, was theoretisch möglich ist, scheitert noch an Fragen der<br />

Haftung und Regulatorik – oder an der Akzeptanz vonseiten der Landwirte.<br />

Eines der Topthemen ist die Souveränität über die eigenen Daten.<br />

Einmal geht es darum, die benötigten Infos vonseiten der Hersteller zu<br />

bekommen, andererseits greift die Frage, ob man als Landwirt dadurch<br />

gläsern wird.<br />

Genauso wichtig wird die Interoperabilität der Systeme, derzeit ist das<br />

Ganze noch nicht allzu userfreundlich. Daran arbeitet aber zum Beispiel<br />

Katherine Meyer zu Borgen, UX Designerin bei CLAAS. Ein Team in ihrer<br />

Abteilung kümmert sich um die Terminals der Maschinen vor Ort, sie<br />

selbst arbeitet mit Kollegen vor allem in der digitalen Welt, gestaltet Websites,<br />

Portale und verschiedene Anwendungen. »Wir arbeiten auch daran,<br />

unser Portal übergreifend verfügbar zu machen«, erläutert sie. »Ein*e<br />

Landwirt*in hat selten nur von einem Hersteller Maschinen. Es geht<br />

darum, den kompletten Fuhrpark einzupflegen und über alle<br />

Maschi- nen eine Auswertung zu bekommen.« Momentan fehlt<br />

dazu noch der letzte Schritt: Zwar werden die Daten gesammelt<br />

und dargestellt, Ziel ist es aber, dass noch mehr Daten automatisch<br />

ausgewertet und in- terpretiert werden, damit die Nutzenden<br />

direkt Schlüsse daraus ziehen können. Und das ist gar<br />

nicht so einfach, denn: Die Landwirt- schaft ist ein langsamer<br />

Prozess. »Bis ich einen Datensatz zusam- menhabe, vergeht<br />

ein Jahr. Wenn ich rückblickend die letzten 30 Jahre<br />

analysieren<br />

will, sind das 30 Datenpunkte <strong>für</strong> ein Feld. Das ist<br />

eigentlich nichts«, so Kalmar. Dazu kommt, dass Daten wie<br />

Ackerschlagkarteien oder Stammbäume eines Rinds nicht standardisiert<br />

und bei einem Dienstleistungswechsel beinahe unmöglich zusammenbekommen<br />

zu sind. Eine Herausforderung <strong>für</strong> junge Absolventen –<br />

auch in der Forschung. Spannend wird es, weil die Berechnungen<br />

auch unkontrollierbare Faktoren wie Wetter und Bodenzusammensetzung<br />

oder Biosphäre einbeziehen müssen.<br />

Genau deswe- gen hat Dörr den Lehrstuhl Digital Farming an<br />

der TU Kaiserslau- tern gegründet: Damit sich <strong>ITler</strong> <strong>für</strong> solche<br />

anwendungsbezoge- nen Bereiche begeistern können.<br />

Dass das – wenn erst mal erlebt – ganz schnell funktioniert,<br />

beweisen Michaela Meyer und Kathe- rine Meyer zu Borgen.<br />

Beide hatten zwar keine landwirtschaft- liche Vorerfahrung,<br />

arbeiten jetzt aber mit Passion in ihrer Bran- che. »Man<br />

sollte da gar keine Hemmungen haben. Es gibt Schulungen und<br />

ganz viele Kolleg*innen, die das erklären und am Ende ist man<br />

richtiger Fan«, lacht Meyer zu Borgen. Für ihre Arbeit ist der interdisziplinäre<br />

Austausch besonders wichtig und so hat sie täglich mit Produktmanagern,<br />

Scrummern, Backend- und App-Entwicklern zu tun. Genauso<br />

lässt sich bei John Deere zum Beispiel als Software-Architekt, Entwickler<br />

oder Data Scientist ein Beitrag zur landwirtschaftlichen Digitalisierung<br />

leisten.<br />

Bedenkt man, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion in 30 Jahren<br />

doppelt so hoch sein muss wie noch im Jahr 2000, dabei aber kaum<br />

mehr Fläche zur Verfügung steht, wird deutlich, dass Smart Farming<br />

nicht nur eine Liebhaberei ist. Dörr stellt klar: »Man darf eines bei all der<br />

Technik nicht vergessen: Es geht um die Ernährung, das ist eines der absoluten<br />

Grundbedürfnisse.« Wer also einen technischen Beruf mit echtem<br />

Mehrwert sucht, wird in der Landwirtschaft schnell fündig. Neben<br />

den genannten Einsatzmöglichkeiten entstehen laufend neue Berufsfelder<br />

und auch an Entwicklungspotenzial mangelt es nicht.<br />

So zum Beispiel im Bereich Big Data, Robotik, Sensorik, Satellitentechnik<br />

oder Data Security, um nur einige Schlagwörter zu nennen.<br />

Und egal an welchem Ende <strong>ITler</strong> letztlich anpacken, <strong>für</strong> sie gilt genauso<br />

wie <strong>für</strong> Michaela Meyer: »Am Ende sorge ich mit meiner Arbeit da<strong>für</strong>,<br />

dass Menschen ernährt und die Natur geschont wird. Das kann ich<br />

unterstützen.«<br />

Foto: Shaun Coward /usplash.com<br />

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