vsao Journal Nr. 3 - Juni 2022
Underground - Ratten, Tunnel, Dunkelmänner Politik - Arbeitsbedingungen: Etappenziele erreicht Gynäkologie - Infektionen in der Schwangerschaft Urologie - Metabolische Abklärung von Nierensteinen
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Gynäkologie - Infektionen in der Schwangerschaft
Urologie - Metabolische Abklärung von Nierensteinen
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Perspektiven<br />
Aus der «Therapeutischen Umschau»* – Übersichtsarbeit<br />
Metabolische<br />
Abklärung von<br />
Nierensteinen<br />
Leave no stone unturned<br />
Olivier Bonny 1,2 und Piet Bosshard 3<br />
Jeder Nierenstein sollte<br />
abgeklärt werden<br />
Jeder Abgang eines Nierensteines ist für<br />
die Patienten mit grossem Stress und<br />
Trauma verbunden. Oft ist ein invasiver<br />
Eingriff notwendig, was zusätzliche Einschränkungen<br />
und Kosten verursacht.<br />
Wenn zu spät erkannt oder durch eine Infektion<br />
kompliziert, kann der Abgang eines<br />
Nierensteins gar lebensbedrohlich<br />
sein. 2010 starben weltweit etwa 19 000<br />
Menschen an Urolithiasis (10 500 Männer<br />
und 8500 Frauen) [1]. Ein Nierensteinabgang<br />
wird allzu oft als eine vernachlässigbare<br />
Episode angesehen, da oft nur<br />
einmal durchlebt. Eine Urolithiasis sollte<br />
jedoch nicht nur als ein Schmerzproblem<br />
und als behandlungsbedürftige Harnleiterobstruktion<br />
gesehen werden, sondern<br />
als eine wichtige Warnung, dass zugrundeliegende<br />
Prozesse im Zusammenhang<br />
mit dem Lebensstil, der Nahrungsaufnahme,<br />
dem Metabolismus oder der Nierenfunktion<br />
gestört sein können. Es sollten<br />
daher alle sinnvollen und angemessenen<br />
Massnahmen ergriffen werden, um den<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />
«Therapeutischen Umschau» (2021), 78(5),<br />
235–240. mediservice <strong>vsao</strong>-Mitglieder können<br />
die «Therapeutische Umschau» zu äusserst<br />
günstigen Konditionen abonnieren. Details s.<br />
unter www.hogrefe.ch/downloads/<strong>vsao</strong>.<br />
1<br />
Abteilung Nephrologie und Hypertonie, CHUV,<br />
Lausanne<br />
2<br />
Département des Sciences Biomédicales,<br />
Université de Lausanne<br />
3<br />
Abteilung Urologie, CHUV, Lausanne<br />
Mechanismus der Steinbildung abzuklären.<br />
Darüber hinaus müssen bei allen Nierensteinbildern,<br />
die aufgrund einer ersten<br />
Steinepisode in medizinischer Kontrolle<br />
sind, die damit verbundenen Risiken<br />
identifiziert werden. Insbesondere sollten<br />
kardiovaskuläre Risikofaktoren, Osteoporose,<br />
Übergewicht und metabolisches<br />
Syndrom gesucht, abgeklärt und behandelt<br />
werden. Darüber hinaus müssen<br />
Darmerkrankungen, einschliesslich aller<br />
Formen der Malabsorption und einiger<br />
seltener metabolischer oder hormoneller<br />
Störungen sowie renale Tubulopathien<br />
identifiziert werden. Urolithiasis ist keine<br />
Diagnose an sich und ihre Ursachen müssen<br />
in allen Fällen intensiv gesucht und<br />
behandelt werden.<br />
Die Nierensteinbildung ist ein komplexer<br />
Prozess, der von der Sättigung der<br />
im Urin vorhandenen Salze bestimmt<br />
wird. Sobald das Löslichkeitsprodukt<br />
eines Salzes überschritten wird, entsteht<br />
eine Übersättigung, welche zur Bildung<br />
von Mikrokristallen im Urin führt. Der<br />
Niederschlag solcher Kristalle in den Nierentubuli<br />
oder in der Papille (so genannte<br />
Randall’sche Plaques) führt im Laufe der<br />
Zeit zu relevanter Steinbildung und Steinwachstum.<br />
Der gesamte Prozess kann bei<br />
ungünstigem Milieu des Urins schnell<br />
vonstattengehen (wie z. B. bei unbehandelter<br />
schwerer Cystinurie, chronischer<br />
Niereninfektion mit Struvitbildung), verläuft<br />
aber bei den meisten Kalzium oxalat-<br />
Steinen in der Regel langsam, mit einem<br />
symptomfreien Intervall von etwa 3 bis 5<br />
Jahren. Es ist daher von entscheidender<br />
Bedeutung, ein gutes Verständnis des gesamten<br />
Prozesses bei jedem Steinbildner<br />
zu erlangen. So kann eine angemessene<br />
und personalisierte Prävention erfolgen,<br />
welche letztlich die Anzahl der wiederkehrenden<br />
Koliken und Steinabgängen verringern<br />
sollte.<br />
Die metabolische Abklärung wird von<br />
den beiden grossen urologischen Fachgesellschaften,<br />
der European Association of<br />
Urology (EAU) [2] und der American Urological<br />
Association (AUA) [3], empfohlen,<br />
wird aber regelmässig durch pragmatischere<br />
Ansätze in Frage gestellt [4, 5].<br />
Hier werden wir einige Schlüsselfragen<br />
zur metabolischen Abklärung von Nierensteinbildnern<br />
behandeln: Wer sollte von<br />
einer solchen Abklärung profitieren?<br />
Wann sollte die metabolische Abklärung<br />
statt finden? Welche Art von Abklärung<br />
sollte durchgeführt werden? Wie sind<br />
die Ergebnisse zu interpretieren? Ist eine<br />
Abklärung sinnvoll? Und wie häufig sollte<br />
die Abklärung durchgeführt werden?<br />
Bevor eine metabolische Abklärung<br />
durchgeführt wird, ist es wichtig, die Patienten<br />
daran zu erinnern, dass die verbleibende<br />
Steinlast das Ergebnis der<br />
Prophylaxe über mehrere Monate / Jahre<br />
hinweg beeinflusst. Wenn die Patienten<br />
Restkonkremente aufweisen, werden die<br />
Untersuchungen und die Behandlung nur<br />
eine mässige Wirkung auf diese bereits<br />
vorhandenen Steine haben. Weiter können<br />
die verbleibenden Steine Nierenkoliken<br />
verursachen, selbst wenn vorbeugen<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/22 43