EPP 05-06.2022
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Interview « NEWS & HIGHLIGHTS<br />
<strong>EPP</strong>: Wie groß ist allgemein das Vertrauen<br />
in KI in den Unternehmen?<br />
Christian Reinwald: Hier gibt es zwei<br />
große Zweifel, die ausgeräumt werden<br />
müssen. Der erste ist das Vertrauen in die<br />
künstliche Intelligenz selbst und deren<br />
Ergebnisse. Gerade im Bereich Deep Learning<br />
mithilfe von neuronalen Netzwerken<br />
ist es für uns Menschen nicht immer<br />
nachvollziehbar, durch welche Berechnungen<br />
die KI zu ihren Ergebnissen gelangt.<br />
Diese Zweifel konnten durch mehr<br />
Erfahrungen mit KI sowie diversen Initiativen<br />
für mehr Transparenz und Verantwortung<br />
verringert werden. Zudem ist das<br />
Bewusstsein in welcher Form Daten für<br />
ein Training aufbereitet werden, gestiegen.<br />
Wenn diese bereits eine Verzerrung<br />
oder Vorbelastung enthalten, wird dies<br />
auch in der KI weiterbestehen. Ein gutes<br />
Beispiel dafür sind Spracherkennungsfunktionen,<br />
die oft die Stimmen von<br />
Männern besser erkennen als die von<br />
Frauen – einzig aus dem Grund, dass die<br />
Datenbank, mit der sie trainiert wurden,<br />
mehr männliche Stimmen enthält.<br />
<strong>EPP</strong>: Und die andere Hürde, die genommen<br />
werden muss?<br />
Christian Reinwald: Diese Hürde betrifft<br />
eher die Art und Weise, wie wir in<br />
den Unternehmen aber auch in unserer<br />
Kultur als Ganzes über KI diskutieren. Haben<br />
wir Angst, dass KI unsere Arbeitsplätze<br />
wegnehmen wird, oder sehen wir in KI<br />
Chancen, um uns einen Wettbewerbsvorteil<br />
zu erarbeiten und sogar neue Arbeitsplätze<br />
zu schaffen? Unbestreitbar werden<br />
durch KI bestimmte Job-Profile nicht<br />
mehr oder nicht mehr im gleichen Maße<br />
nachgefragt – so, wie wir das bisher bei<br />
jeder technischen Revolution von der<br />
Dampfmaschine bis zur ersten digitalen<br />
Christian Reinwald<br />
» Produzierende<br />
Unternehmen<br />
verstehen KI vor<br />
allem als Tool für<br />
die Optimierung der<br />
Produktion «<br />
Bild: reichelt elektronik<br />
Revolution gesehen haben. Auf der anderen<br />
Seite haben sich mit jeder dieser tiefgreifenden<br />
Veränderungen neue Arbeitsmöglichkeiten<br />
ergeben, deren Anforderungen<br />
wir uns zuvor gar nicht vorstellen<br />
konnten. Auch durch KI wird sich unsere<br />
Arbeitswelt ändern.<br />
<strong>EPP</strong>: Sind Unternehmen Ihrer Meinung<br />
nach optimistisch genug, um die Chance<br />
KI wahrnehmen zu können?<br />
Christian Reinwald: Ja, eindeutig.<br />
Unsere Umfrage hat gezeigt, dass bereits<br />
58 Prozent KI implementiert haben. 87<br />
Prozent sehen es als es realistisch an,<br />
dass immer mehr Roboter Aufgaben von<br />
Menschen übernehmen werden. Für ein<br />
Drittel der Befragten steht fest, dass KI<br />
bereits in vier bis sechs Jahren Standard<br />
in der Industrie sein wird. Die deutsche<br />
Industrie hat die Chancen von KI erkannt<br />
und arbeitet daran, diese auch zu nutzen.<br />
Wollen wir nicht von Konkurrenz aus den<br />
USA und Ostasien abgehängt werden, ist<br />
KI eine der Schlüsseltechnologien, die uns<br />
wettbewerbsfähig hält.<br />
<strong>EPP</strong>: Was sind derzeit die häufigsten<br />
Gründe für Unternehmen, in KI zu investieren?<br />
Christian Reinwald: Produzierende<br />
Unternehmen verstehen KI vor allem als<br />
Tool für die Optimierung der Produktion.<br />
Es geht um Produktivitätssteigerung<br />
(38 %), Qualitätskontrolle (36 %) sowie<br />
Prozessoptimierung (35 %). Auch für Cyber<br />
Security wird die Technologie immer<br />
häufiger eingesetzt (34 %). Hier sehen<br />
wir, dass KI sich bereits als sehr nützlich<br />
erwiesen hat, bestimmte Aufgaben oder<br />
Schritte im Produktionsprozess – z. B.<br />
Qualitätskontrolle – effizienter zu machen<br />
und zur Wertschöpfung der Unternehmen<br />
beiträgt. In Zukunft werden wir<br />
sehen, wie Unternehmen durch KI neue<br />
Geschäftsfelder erschließen oder ganz<br />
neue Geschäftskonzepte entstehen, die<br />
von Grund auf KI-gestützt sind. Wir stehen<br />
an einem Wendepunkt, an dem die<br />
sich Technologie exponentiell entwickeln<br />
wird. Schnellere Rechenleistung, Robotik,<br />
KI und eine Vernetzung aller Dinge werden<br />
in kürzester Zeit eine Arbeitswelt und<br />
neue Möglichkeiten erschaffen, die uns<br />
vor ein paar Jahren noch utopisch erschien.<br />
www.reichelt.de<br />
* Alle erwähnten Zahlen entstammen<br />
einer aktuellen Umfrage unter mehr als<br />
500 Tech-Entscheidern in Deutschland,<br />
durchgeführt von OnePoll im Auftrag von<br />
reichelt elektronik<br />
<strong>EPP</strong> » <strong>05</strong>-06 | 2022 9