277.TIROL - Juli 2022
Ausgabe 7, Juli 2022
Ausgabe 7, Juli 2022
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
24 tirol.modern und innovativ<br />
tirol.modern und innovativ<br />
25<br />
ZUKUNFT GEMEINDE - Agenda 2030<br />
Starke Vernetzung als Alternative zu Fusionen<br />
Mit dem Strategieprozess „ZUKUNFT GEMEINDE – Agenda 2030“ wurde erstmals versucht, einen<br />
schlüssigen Weg für die kommunale Zukunft zu definieren, der ohne Fusionen auskommt. Der Sukkus:<br />
Insbesondere für die Kleingemeinden braucht es eine zweite Ebene, auf der das unverzichtbare<br />
Spezialwissen mit effizienten Arbeitsprozessen verbunden wird.<br />
ZUM AUTOR<br />
GEORG KEUSCHNIGG<br />
Georg Keuschnigg war Abgeordneter<br />
im Nationalrat und Bundesrat. Nach seinem<br />
Ausscheiden aus dem Bundesrat<br />
wechselte er zum Institut für Föderalismus,<br />
wo er für Politik und Kommunikation<br />
zuständig war. In der GemNova<br />
Dienstleistungs GmbH ist er für die<br />
Durchführung des Strategieprozesses<br />
“ZUKUNFT GEMEINDE - Agenda 2030”<br />
verantwortlich.<br />
Kontakt: g.keuschnigg@gemnova.at<br />
In allen Bundesländern wird die Weiterentwicklung<br />
der Gemeindestrukturen<br />
intensiv diskutiert. Der Druck auf die Kommunen<br />
ist in den vergangenen Jahrzehnten<br />
enorm gestiegen. Die zunehmende<br />
Komplexität vieler Materien sowie die<br />
Verrechtlichung sämtlicher Bereiche<br />
stellt vor allem die Kleingemeinden vor<br />
enorme Herausforderungen. Während<br />
die Leistungen der Daseinsvorsorge über<br />
Gemeindeverbände sowie eine enge<br />
organisatorische und finanzielle Verzahnung<br />
mit der Landesverwaltung flächendeckend<br />
angeboten werden können, sind<br />
die Gemeinden bei der Verwaltung sowie<br />
in der Vor-Ort-Organisation weitgehend<br />
auf sich gestellt. Interkommunale Modelle<br />
sind hier dünn gesät.<br />
Beauftragt wurde der Strategieprozess<br />
vom Land Tirol, dem Tiroler Gemeindeverband,<br />
der GemNova Dienstleistungs<br />
GmbH, der Standortagentur und dem<br />
Management Center Innsbruck. Aufgrund<br />
der umfassenden Bandbreite kommunaler<br />
Aufgaben wurde eine Eingrenzung auf<br />
sechs Bereiche vorgenommen:<br />
1. Politische Gemeinde / Moderne<br />
Bürger*innengemeinde<br />
2. Gemeindeverwaltung<br />
3. Gesundheit und Pflege<br />
4. Kinderbildung und -betreuung<br />
5. Raumordnung und (Wirtschafts-)<br />
Standort<br />
6. Regionale Mobilität<br />
Coronabedingt mussten alle größeren<br />
Diskussionsveranstaltungen abgesagt<br />
werden. An ihre Stelle rückte eine große<br />
Zahl von Einzelgesprächen, in denen<br />
Hintergründe, Alltagssituationen, Pushund<br />
Hemmfaktoren der interkommunalen<br />
Zusammenarbeit, aber auch psychologische<br />
Argumente analysiert wurden. Herzstück<br />
des Prozesses waren die jeweils<br />
drei Workshops der thematischen Arbeitskreise,<br />
an denen Bürgermeister*innen und<br />
Amtsleiter*innen sowie Fachleute aus der<br />
Landesverwaltung, der Wissenschaft und<br />
aus Interessenvertretungen teilnahmen.<br />
Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines<br />
Expert*innenbeirats unter dem Vorsitz<br />
von Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger überprüft.<br />
Moderne Bürger*innengemeinde und<br />
Gemeindeverwaltung<br />
In einer von der GemNova durchgeführten<br />
Umfrage mit einem Rücklauf von rund<br />
11.000 Fragebögen wurde vorab die<br />
Zufriedenheit der Bürger*innen erhoben.<br />
Die Ergebnisse attestierten den Gemeinden<br />
in den Sachbereichen eine gute Performance.<br />
Aufholbedarf besteht aber bei<br />
den weichen Faktoren wie Information,<br />
Beteiligung und Transparenz. Damit ist<br />
auch schon der wunde Punkt erreicht:<br />
Die Gemeinden versinken in der ständig<br />
steigenden Verwaltungsflut. Es wird<br />
immer schwieriger, Kapazitäten für an<br />
den Bürger*innen orientierte Prozesse<br />
freizu spielen. Dazu kommt, dass sich in<br />
Klein gemeinden alles auf ganz wenige<br />
Personen, vielfach in Teilzeit, konzen triert.<br />
Sie sollten neben der Verwaltung die<br />
Einbindung der Bürger*innen garantieren,<br />
komplexe Kommunikationstätigkeiten, aktuell<br />
anstehende Projekte und auch noch<br />
das Ad-Hoc-Management zur Bekämpfung<br />
der Coronapandemie oder zur Unterbringung<br />
von Flüchtlingen übernehmen.<br />
Das Herzstück einer an Bürger*innen<br />
orientierten Gemeindearbeit ist eine<br />
schnelle und serviceorientierte Kommunikation.<br />
Das für die digitalen Kanäle<br />
erforderliche Know-how könnte, wie sich<br />
in den Beratungen im Arbeitskreis herauskristallisierte,<br />
über eine interkommunale<br />
Bündelung der Kräfte aufgebracht<br />
werden. Generell braucht es Unterstützungsstrukturen<br />
– bevorzugt auf regionaler<br />
Ebene – die wie ausgelagerte Gemeindeämter<br />
funktionieren und in denen das<br />
unverzichtbare Spezialwissen mit ef <br />
fizienten Abwicklungsprozessen kombiniert<br />
wird.