277.TIROL - Juli 2022
Ausgabe 7, Juli 2022
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Das Wandbild des Heiligen Florians ist eine Schenkung an<br />
die Gemeinde und die Freiwillige Feuerwehr Schlaiten.<br />
(© Sigfried Schusteritsch / Gemeinde Schlaiten)<br />
SchOn<br />
mal vOn<br />
TrOMpel‘Oeil<br />
gehÖrt?<br />
Nein? Vielleicht kennt nicht jede*r den<br />
Begriff, aber wohl nahezu jede*r hat ein<br />
Trompe-l‘oeil schon einmal irgendwo<br />
gesehen – ob im Schwimmbad, im Foyer<br />
eines Hotels oder an einer Hauswand.<br />
Die Rede ist von Illusionsmalerei, eine<br />
Form der Wandmalerei. Trompe-l‘oeil<br />
(gesprochen: Tromp‘löh) ist Französisch<br />
und heißt so viel wie „Täusche<br />
das Auge“, weil diese Bilder eine Dreidimensionalität<br />
vermitteln, die nicht<br />
vorhanden ist.<br />
VON<br />
JAN SCHÄFER<br />
In Tirol gibt es nur wenige Maler*innen,<br />
die diese Kunst in Perfektion beherrschen.<br />
Einer von ihnen ist der Osttiroler Malermeister<br />
Sigfried Schusteritsch, genannt<br />
Sigi. Wenn man ihn das erste Mal in seinem<br />
Malerberufsgewand trifft und er sich<br />
bescheiden mit „Sigi Schusteritsch, Malermeister<br />
aus Schlaiten“ vorstellt, wird man<br />
eher an klassische Malerarbeiten denken<br />
als an Kunstwerke. Im Prinzip ist das<br />
durch aus der richtige Gedankengang. Denn<br />
der Osttiroler hat einen eigenen Fachbetrieb<br />
für Malerarbeiten jeglicher Art. Dazu<br />
zählen eben diese Wandmalereien, die<br />
Sigfried<br />
Schusteritsch<br />
von Lüftl- über Ornament- bis Illusionsmalerei<br />
reichen. Der Schlaitener macht<br />
darum kein großes Aufheben. Für ihn sind<br />
diese Bilder und Ornamente nichts weiter<br />
als Malerfacharbeiten. Aber genau diese<br />
zeichnen den Malermeister aus und haben<br />
ihn über die Jahre zu einer Institution in<br />
Osttirol werden lassen.<br />
Vom geistigen Auge über Fixpunkte<br />
entstehen großflächige Wandmalereien<br />
Eine besondere Ausbildung für Trompe-l‘oeil-Malereien<br />
hat er nicht. „Ich habe<br />
ganz normal den Beruf des Malers erlernt.<br />
Illusionsmalerei, wie auch plastische<br />
Malerei und Architekturmalerei bildeten<br />
Schwerpunkte in dieser Ausbildung. Das<br />
war’s eigentlich“, erinnert sich Sigi. Dass<br />
eines Tages gegen Ende der Lehrzeit sein<br />
Interesse für diese Facharbeiten geweckt<br />
wurde, ist einem TV-Beitrag zu verdanken.<br />
Gezeigt wurde das Portrait eines Illusionsmalers,<br />
der sich durch enorme Nachfrage<br />
die Aufträge aussuchen und damit das<br />
tun konnte, wozu er Lust hatte. Da Sigi ein<br />
kreativer Mensch ist, der Freude an der<br />
Arbeit mit Farben und den sich dadurch<br />
ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten<br />
hat, wollte er ebenfalls in diese Richtung<br />
gehen. Allerdings gab es anfangs keine<br />
Nachfrage. Wollte Sigi plastische Motive<br />
im Rahmen von Malerarbeiten einbringen,<br />
musste er die Kundinnen und Kunden<br />
direkt darauf ansprechen. Die Zeit war<br />
dafür noch nicht reif. Schließlich war es<br />
der Zufall, der dem Malermeister den<br />
ersten Auftrag für illusionistische Raumgestaltung<br />
brachte. Der Besitzer einer Pension<br />
im Ort hatte im Spa eines Hotels in<br />
Nordtirol perspektivische Landschaftsbilder<br />
gesehen. Das wollte der Pensionsbetreiber<br />
unbedingt auch für seinen eigenen<br />
Wellnessbereich haben und sprach Sigi<br />
darauf an. Für den Osttiroler war das nicht<br />
nur die erste große Wandmalerei, es war<br />
der ersehnte wichtige Referenzauftrag.<br />
„Natürlich ging es danach nicht Schlag auf<br />
Schlag. Aber mit der Zeit sprachen sich<br />
die Arbeiten sowie die Qualität herum“,<br />
erzählt Schusteritsch.<br />
Gefragt, wie seine Wandbilder entstehen,<br />
antwortet Sigi: „Nun, das kommt immer<br />
auf die Situation an. Manchmal kommt<br />
spontan eine Idee durch das Zusammenspiel<br />
von Raum, Licht, Architektur und<br />
dem, was zur Persönlichkeit des Kunden<br />
passt. Ich lasse mich dabei durch das Bild<br />
leiten, das ich vor meinem geistigen Auge<br />
habe, bis sich alles real zusammengefügt<br />
hat. Zur Orientierung dienen mir lediglich<br />
ein paar Fixpunkte, die ich zu Beginn der<br />
Arbeiten auf die zu gestaltende Wand<br />
auftrage. Aber genauso mache ich mir<br />
Gedanken vorab und zeichne Skizzen,<br />
wie ein Bild aussehen könnte, wie es in<br />
den Raum passt, wie die perspektivischen<br />
Dimensionen aussehen müssen, welche<br />
Farben in welcher Intensität die Illusion<br />
perfekt machen.“<br />
Beim Entstehen der dreidimensionalen<br />
Motive kombiniert der Malermeister verschiedene<br />
Pinsel- und Airbrushtechniken.<br />
Farben spielen dabei eine zentrale<br />
Rolle. Deswegen setzt der Osttiroler auf<br />
Farben aus Naturpigmenten, die aus verschiedensten<br />
Gesteinen und Erden gewonnen<br />
werden. Diese Farben überzeugen<br />
durch ihre Langlebigkeit, Farbechtheit und<br />
Farbintensität.<br />
Ein frisches Floriansbild für die Feuerwehr<br />
der Gemeinde Schlaiten<br />
In 25 Jahren hat Malermeister Schusteritsch<br />
für Pensionen, Hotels und zahlreiche<br />
Privatiers die verschiedensten<br />
dreidimensionalen Motive an Wände<br />
gezaubert. Die Aufträge brachten ihn auch<br />
ins Ausland; nach Italien, in die Schweiz,<br />
nach Deutschland und Frankreich. Und<br />
Gemeinden? Eine einzige! Dazu hat Sigi<br />
eine amüsante Geschichte zu erzählen:<br />
„Vor einigen Jahren siedelten meine Frau<br />
und ich von Lienz nach Schlaiten, wo wir<br />
ein Haus gebaut hatten. Jedes Mal, wenn<br />
ich zu unserem Haus fuhr, kam ich an der<br />
Feuerwehr vorbei. An deren Hausfassade<br />
befand sich ein Floriansbild, an dem der<br />
Zahn der Zeit nagte. Das Motiv wirkte<br />
so ‚blass‘, dass der Künstler in mir wachgerüttelt<br />
wurde.“ Nach Rücksprache mit<br />
dem Feuerwehrkommandanten und dem<br />
Bürgermeister, ob er einen neuen Heiligen<br />
Florian malen dürfe, machte sich Sigi<br />
ans Werk und schenkte es schließlich der<br />
Gemeinde.<br />
Bürgermeister Ludwig Pedarnig erinnert<br />
sich heute noch gern an diese doch<br />
eher ungewöhnliche Anfrage: „Es stimmt,<br />
das Bild des Heiligen Florian am Feuerwehrgebäude<br />
war über die Jahre durch<br />
Witterungseinflüsse in Mitleidenschaft<br />
gezogen worden. Es wurde im Jahre 1990<br />
im Zuge der Errichtung eines Zubaus zum<br />
Feuerwehrgerätehaus angebracht. Das<br />
Angebot von Sigi Schusteritsch, das Bild<br />
als Geschenk für die Kameradschaft der<br />
Freiwilligen Feuerwehr Schlaiten erneuern<br />
zu wollen, wurde daher auch von der<br />
Gemeinde Schlaiten gerne angenommen.<br />
Als Bürgermeister freut es mich natürlich,<br />
wenn sich Bürger*innen so engagieren<br />
und damit auch ihre Verbundenheit<br />
gegenüber der Gemeinde zum Ausdruck<br />
bringen. Es ist schon bemerkenswert,<br />
was Sigi da geleistet hat.“ Für den Malermeister<br />
aus Schlaiten war es nach seinen<br />
Worten keine große Sache. Er hat einfach<br />
Freude am Malen von Bildern auf großer<br />
Fläche, die das Auge täuschen und plastisch<br />
erscheinen. Und wenn man sich Zeit<br />
nimmt und die Arbeiten in Ruhe anschaut,<br />
dann sieht man die Hingabe, mit der diese<br />
Illusionen entstehen.