277.TIROL - Juli 2022
Ausgabe 7, Juli 2022
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72 tirol.sportlich und gesund<br />
tirol.sportlich und gesund<br />
73<br />
Reinhold Messner und Peter Habeler bei<br />
einem Zwischenstopp in Delhi, nach der Everest-Besteigung<br />
ohne Flaschensauerstoff 1978<br />
(© Archiv Habeler)<br />
© Privat<br />
Den Peter kenne ich seit vielen<br />
Jahren. Er ist nicht nur ein großer<br />
Bergsteiger, sondern auch eine<br />
warmherzige Persönlichkeit. Er<br />
mag die Menschen, behandelt sie<br />
immer respektvoll und herzlich.<br />
Egal ob in Nepal, im Iran oder bei<br />
uns in Österreich. Leider war ich<br />
mit ihm nie auf einer Expedition,<br />
doch auf einer gemeinsamen<br />
Reise zum Damavand hatten wir<br />
eine schöne, intensive und vor<br />
allem lustige Zeit. Sein Humor<br />
ist nämlich eine seiner weiteren<br />
Stärken. Peter zeigt uns außerdem,<br />
dass man auch in höherem<br />
Alter noch fit bleiben und vieles<br />
bewirken kann.<br />
Gerlinde Kaltenbrunner<br />
© Schöffel<br />
Dein Leben beeinflusst haben natürlich<br />
auch Menschen. Reinhold Messner, den du<br />
Mitte der sechziger Jahre in den Dolomiten<br />
kennengelernt hast, war einer von ihnen.<br />
Der Blasl Sepp (Anm.: der Osttiroler Sepp<br />
Mayerl), unser großer Lehrmeister, hat<br />
uns zusammengebracht. Er hat damals<br />
in Finkenberg den Kirchturm eingedeckt<br />
und mich in die Dolomiten mitgenommen.<br />
Reinhold und ich waren einfach<br />
blutsverwandt, da hat es von Anfang an<br />
gepasst. Eigentlich unglaublich, wie sich<br />
all das ergeben und weiterentwickelt hat.<br />
Reinhold hat freilich immer groß gedacht,<br />
gleichzeitig auf so viele Details geachtet.<br />
Vor unserer Besteigung des Hidden Peak<br />
im Alpinstil hat er etwa alles auf ein Blatt<br />
skizziert, einfach so, aus dem Gedächtnis<br />
heraus. Und es hat gestimmt.<br />
1970 solltest du ja mit Reinhold<br />
gemeinsam zum Nanga Parbat fahren.<br />
Du hast dich dann aber für die USA,<br />
für deine damalige Frau Susan entschieden.<br />
Deinen Platz nahm Günther<br />
Messner ein …<br />
… der dann, wie du weißt, tragischerweise<br />
beim Abstieg ums Leben kam. Ich hätte<br />
für diese von Karl Herrligkoffer organisierte<br />
Expedition fünftausend Mark zahlen<br />
müssen, aber ich hatte ja kein Geld, keine<br />
Sponsoren. Darum bin ich damals in die<br />
Skischule vom Pepi Stiegler nach Jackson<br />
Hall in Wyoming geflogen, hab dort als<br />
Skilehrer gearbeitet, Geld verdient.<br />
In dieser Zeit wurde ja auch dein erster<br />
Sohn geboren, den du – Messner zu<br />
Ehren – Reinhold nanntest.<br />
Genau. Es war mir einfach wichtig, so ein<br />
Zeichen zu setzen. Ich bin heute mit meinem<br />
Sohn in recht losem Kontakt. Reinhold<br />
lebt jetzt in Australien, ist dort beim Fernsehen<br />
beschäftigt. Und es geht ihm gut.<br />
Reinhold Messner und du seid eine<br />
unglaublich starke, eine höchst<br />
erfolgreiche Seilschaft gewesen.<br />
Vom Charakter freilich recht unterschiedlich.<br />
Du eher leise und …<br />
Reinhold und ich waren und sind vor<br />
allem echte Partner, Freunde. Ich konnte<br />
mich immer zu hundert Prozent auf ihn<br />
verlassen – und umgekehrt. Gemeinsam<br />
haben wir in all dieser Zeit die prächtigsten<br />
und nachhaltigsten Momente in<br />
Wer so wie ich das Glück hatte,<br />
an Peters Seite jahrzehntelang<br />
alle Facetten des Bergsteigens<br />
kennen zu lernen, mit dem hat<br />
es das Schicksal gut gemeint.<br />
Die Selbstverständlichkeit, mit<br />
welcher er auch das schwierigste<br />
bergsteigerische Problem<br />
löste, die Leichtigkeit, mit der er<br />
die schwierigsten Kletterstellen<br />
meisterte, ist nur den Besten<br />
vorbehalten, zu welchen Peter<br />
zweifelsohne zählt.<br />
Horst Fankhauser<br />
den Bergen erleben dürfen. Nach dem<br />
Everest hat er im Höhenbergsteigen<br />
neue Maßstäbe gesetzt. Ich bin wieder<br />
zurück ins Zillertal und hab als Bergführer<br />
gearbeitet. Sein Lebensweg war<br />
somit ein anderer – ein ungemein beeindruckender.<br />
Als Bergsteiger, als Autor,<br />
als Vortragender, als Politiker, mit seinen<br />
Museen, jetzt als Filmemacher. Er hat<br />
mit allem Erfolg gehabt und – noch wichtiger<br />
– er ist so wie ich noch am Leben.<br />
Weil die meisten meiner Expeditionspartner<br />
sind ja schon lange tot.<br />
Wer heute deinen Namen hört, denkt<br />
sofort an die Besteigung des Everest<br />
ohne Flaschensauerstoff – im Mai<br />
1978. Ärgert es dich eigentlich, vor<br />
allem darauf reduziert zu werden?<br />
Nein, das stört mich überhaupt nicht. Es<br />
gehört ja zu meinem Leben dazu. Außerdem<br />
hat mir der Everest wirtschaftlich weitergeholfen.<br />
Wir haben damals in Mayrhofen in<br />
einer winzigen Wohnung gewohnt, auf 30<br />
m2, meine Frau, mein Sohn Christian und ich.<br />
Das war schon ziemlich beengt. Und plötzlich<br />
kamen da Anfragen für Vorträge, das war in<br />
dieser Form neu für mich. Hoppla, hab ich mir<br />
da gedacht, daraus kann ich etwas machen …<br />
… und hast dafür die Besteigung<br />
weiterer Achttausender aufgegeben.<br />
Klar, das hab ich ja müssen. Vor allem aus<br />
finanziellen Gründen. Als Jugendlicher, frag<br />
mich nicht warum, hatte ich immer Angst<br />
vor der Altersarmut. Und plötzlich diese<br />
Möglichkeit, gut bezahlte Vorträge über<br />
meine Everest-Besteigung zu machen.<br />
Das hat mir natürlich eine wirtschaftliche<br />
Sicherheit gegeben, dafür hab ich gerne<br />
auf andere Achttausender verzichtet.<br />
Außerdem hatte ich einen kleinen Sohn,<br />
eine kleine Familie zu versorgen. Bei Reinhold<br />
war die Situation eine völlig andere,<br />
darum konnte er weitere Expeditionen<br />
unternehmen.<br />
Wer hoch steigt, kann tief in sich blicken.<br />
Was hast du dabei in dir gesehen?<br />
Nach wie vor die unbändige Freude an der<br />
Natur, am Bergsteigen, Skitouren, Klettern.<br />
Diese Lust an der Bewegung wird<br />
mich hoffentlich noch lange antreiben. Vor<br />
allem hab ich wunderschöne Erinnerungen<br />
an meine Bergfreunde, von denen<br />
allerdings die meisten nicht mehr Leben.<br />
Ich weiss nicht<br />
mehr wer genau<br />
das gesagt hat,<br />
aber dieser Satz<br />
stimmt einfach:<br />
Die grÖsste Kunst<br />
beim Bergsteigen<br />
ist, dass man<br />
gesund bleibt<br />
und alt wird.<br />
Eines deiner Markenzeichen war ja die<br />
leichte Ausrüstung, die Schnelligkeit<br />
am Berg. Wenn du heute die Bilder von<br />
den Menschenmassen – etwa am Everest<br />
– siehst, was denkst du dir dabei?<br />
Ich schimpf jetzt nicht mehr laut darüber,<br />
ich nehm´s bedauernd und leise zur Kenntnis.<br />
Wir durften damals am Everest noch<br />
ein goldenes Zeitalter erleben, auch mitgestalten.<br />
Wir waren alleine am Berg unterwegs,<br />
nur auf uns gestellt, hatten keine<br />
Menschenmassen vor und hinter uns. Kein<br />
Handy, keine verlässliche Wettervorhersage,<br />
kein riesengroßes Sicherheitsnetz, keinen<br />
Flaschensauerstoff.<br />
Dafür die wirkliche Herausforderung mit der<br />
Natur, mit dem Berg. Aber das waren eben<br />
andere, völlig andere Zeiten.<br />
Den Peter kenn ich schon ewig.<br />
Ich hab ja bei ihm damals auch<br />
den Bergführerkurs gemacht.<br />
Auch danach haben wir uns<br />
immer wieder getroffen. Er ist<br />
ein ganz großer Bergsteiger, ein<br />
Vorbild für viele. Nicht nur wegen<br />
dem Everest ohne Sauerstoff.<br />
Dass er auch heute noch so aktiv<br />
in den Bergen unterwegs ist,<br />
freut mich sehr.<br />
Kurt Diemberger<br />
© Privat