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277.TIROL - Juli 2022

Ausgabe 7, Juli 2022

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28 tirol.modern und innovativ<br />

tirol.modern und innovativ<br />

29<br />

Der Unternehmens-<br />

Künstler<br />

Georg Mühlegger aus Hopfgarten ist ein vielseitiger Mensch. Er lernte die<br />

Bildhauerei, gründete ein Unternehmen, versteht sich als Künstler, tanzt<br />

auf vielen Hochzeiten. Wie er all das unter einen Hut bringt, und von der<br />

Kunst, Menschen zu begeistern, lesen Sie hier.<br />

VON REINHOLD OBLAK<br />

Unter mangelndem Selbstbewusstsein leidet<br />

der Mann nicht. Wirft man einen Blick<br />

auf die Homepage seines Unternehmens<br />

(arti.at), so ist da etwa gleich von „meinem<br />

internationalen Ruf als Bildhauer“ die Rede.<br />

In weiterer Folge wird – unter anderem –<br />

auf seine Ausstellungen beim Stanglwirt<br />

in Going oder im Take Five in Kitzbühel<br />

verwiesen. Das Tiroler Unterland als Nabel<br />

Eine Mühlegger´sche Installation<br />

in Ellmau, an der Südseite<br />

des Wilden Kaisers.<br />

(© Bergbahnen Wilder Kaiser)<br />

der Welt. Georg Mühlegger ist kein Mann<br />

der leisen Worte; er weiß, wie man zuspitzt,<br />

sich bestmöglich in Szene setzt, sich professionell<br />

vermarket. Als Künstler, als Bildhauer.<br />

Mittlerweile auch als Unternehmer.<br />

Und ja, darin ist er offensichtlich auch recht<br />

erfolgreich.<br />

Geboren ist der mittlerweile 50-Jährige in<br />

Wörgl, der Vater führte ein Transport- und<br />

Taxiunternehmen, die Mutter war Hausfrau<br />

und betrieb eine kleine Gästepension.<br />

„Ich hab mich eigentlich schon immer für<br />

Kunst interessiert. Auch durch meinen holzbegeisterten<br />

Opa. Er hat mir faszinierende<br />

Einblicke in die Welt des Holzes ermöglicht.<br />

Ich war am liebsten bei ihm, in seiner Werkstatt<br />

in der Wildschönau.“<br />

Die Ausbildung zum Bildhauer absolviert<br />

Mühlegger in der Bildhauerschule in<br />

Elbigenalp, dafür musste er quer durch Tirol<br />

reisen, lebte und büffelte vier Jahre lang im<br />

Internat. „200 Kilometer weit mit Bahn und<br />

Bus ins hinterste Lechtal zu fahren, war<br />

schon eine Herausforderung. Oft bin ich<br />

auch mittels Autostopps übers Hahntennjoch<br />

gedüst, da kommen viele Erinnerungen auf.“<br />

Bereits ein Jahr nach seinem<br />

Abschluss gewinnt er 1991<br />

mit nicht einmal 20 Jahren<br />

den österreichischen Bildhauerwettbewerb.<br />

GeOrg<br />

Mühlegger<br />

RamOna<br />

Mühlegger<br />

„Damit hab ich erstmals ins Künstlersein<br />

hineingeschnuppert. Ich wurde auf Ö3<br />

interviewt, der damalige Wiener Bürgermeister<br />

Zilk war da, es gab großes Medieninteresse.<br />

Das war schon eine ganz neue<br />

Welt für mich.“ Was für den jungen Tiroler<br />

freilich auch ganz klar war: Er wollte von seiner<br />

Kunst auch gut leben können, nicht nur<br />

irgendwie überleben. Große Ansprüche, die<br />

so leicht und flott nicht in die Realität umzusetzen<br />

sind.<br />

Traum und Wirklichkeit<br />

Doch Mühlegger ist fleißig, kreativ, hat natürlich<br />

auch Glück. 1995 gewinnt er bei einem<br />

internationalen Skulptur-Symposium in Lausanne<br />

am Genfer See den ersten Preis. Sein<br />

Kunstwerk nennt sich „Geborgenheit“, stellt<br />

eine Mutter mit Kind dar, stilisiert, in weichen<br />

Formen. Unmittelbar danach wird seine<br />

Skulptur verkauft. Um welchen Betrag vermag<br />

er heute nicht mehr im Detail zu sagen, für<br />

damalige Verhältnisse war es aber zweifellos<br />

sehr viel. „Der Käufer war ein weltbekannter<br />

Pianist, er hat mein Kunstwerk direkt in seiner<br />

Villa am Genfer See aufgestellt. Ein absolutes<br />

Highlight für mich.“<br />

Beispiel einer Installation in<br />

Ellmau, an der Südseite des<br />

Wilden Kaisers. Kunst, so heißt<br />

es ja, kommt von Können.<br />

(© Bergbahnen Wilder Kaiser)<br />

Ein finanzielles Auslangen rein als Künstler<br />

zu finden, ist natürlich so einfach nicht. Nur<br />

die Allerwenigsten, nicht immer die Besten,<br />

schaffen das. Neben Glück und Zufall,<br />

neben dem richtigen Netzwerk und Können,<br />

neben Kreativität, dem richtigen Zeitfenster<br />

gehören da auch noch andere Bausteine<br />

dazu. Auch Mühlegger muss diese Lektion<br />

rasch und gründlich lernen. Um sein Leben<br />

bestreiten zu können, kooperiert er gegen<br />

Ende des vorigen Jahrhunderts mit der österreichischen<br />

EU-Außenhandelsstelle in Brüssel,<br />

arbeitet im Bereich Produktentwicklung<br />

für Swarovski. Letzteres führt auch zu einer<br />

Zusammenarbeit mit André Heller, gemeinsam<br />

realisieren sie das China Projekt „Zu<br />

Gast beim Riesen.“ Dennoch, irgendetwas<br />

fehlt…<br />

2001 entschließt er sich zum Schritt in die<br />

Selbständigkeit, gründet in der Wildschönau<br />

eine eigene Bildhauerwerkstatt. Zuerst als<br />

Ein-Mann-Unternehmen, dann stellt er seinen<br />

ersten Mitarbeiter ein. Die Aufträge<br />

trö p feln, mal sind es viele, dann wieder<br />

recht wenige. Sukzessive erweitert er sein<br />

Angebot: Skulpturen, Kunstobjekte, Inszenierungen,<br />

etwas profaner der Spielplatzbau. „Ich<br />

hab einfach versucht, mich immer breiter<br />

aufzustellen, mein Portfolio zu erweitern.“<br />

2004 schafft er dann den Durchbruch, mit<br />

einer Inszenierung in den Bergen rund um<br />

Söll, an den Nordhängen der Hohen Salve.<br />

Das in Kooperation realisierte Projekt nennt<br />

sich „Hexenwasser“, eine Art Erlebnispark<br />

für Kinder. „Was, das kennst du nicht? Dieses<br />

Projekt erhielt immerhin den Österreichischen<br />

Tourismuspreis.“<br />

“Wenn ein Bereich<br />

einbricht, dann muss<br />

der andere dafür<br />

umsO stärker sein.<br />

Das ist die Kunst des<br />

Wirtschaftens.“<br />

Arti steht für Artist, Künstler<br />

Im Deutschen ist ein Artist gemeinhin<br />

jemand, der im Zirkus auftritt. Im Engli schen<br />

steht Artist für Künstler bzw. Künstlerin. Und<br />

Arti? Nun gut, das ist der Name von Mühleggers<br />

Unternehmen. Natürlich gibt es dazu<br />

eine nette Geschichte und die geht so: „Ich<br />

hab in der Wildschönau immer wieder Tennis<br />

gespielt. Mein damaliger Trainer, der mittlerweile<br />

das japanische Skiteam trainiert,<br />

hat mich Arti gerufen, also Künstler. Mir hat<br />

das gefallen, irgendwie ist das dann auch bei<br />

mir hängengeblieben. Deshalb hab ich meine<br />

Firma Arti genannt, versehen mit einem<br />

schwungvollen Logo. Viele Leute glauben<br />

noch heute, dass Arti mein Vorname ist.“<br />

2007 lässt er sich und sein Unternehmen<br />

in Hopfgarten nieder, südwestlich der Hohen<br />

Salve. Arti ist mittlerweile noch breiter aufgestellt,<br />

es werden auch Wellness-Liegen<br />

hergestellt, Sandstrahl-Arbeiten ange boten,<br />

Kinderspielplätze geplant und errichtet. Der<br />

Künstler als Unternehmer, sozusagen. Und<br />

Mühlegger steht zu seinem künstlerischen<br />

Ansatz. „Wirtschaftlich läuft´s gut, vor allem<br />

gewinne ich damit jene Freiheit im Kopf,<br />

die ich für mein künstlerisches Schaffen<br />

brauche. Das eine bedingt das andere, und<br />

umgekehrt. Eigentlich bin ich ein sehr glücklicher,<br />

ein sehr zufriedener Mensch.“<br />

Corona, Ukraine, Bermudas<br />

Heute beschäftigt er zwischen zehn und fünfzehn<br />

Personen, im Verlauf der Corona-Krise<br />

rückte das Team noch enger zusammen.<br />

„Wir haben da viel miteinander gesprochen,<br />

überlegt, wie es weitergehen soll. Letztendlich<br />

war die Firma nicht einen Tag geschlossen,<br />

es wurde niemand entlassen, wir hatten<br />

keinen einzigen Tag Kurzarbeit.“ Eine<br />

starke Aussage, Respekt. Dann kam der von<br />

Russland ausgelöste Krieg in der Ukraine.<br />

„Wir haben rechtzeitig vorgesorgt, aktuell<br />

ein riesengroßes Warenlager. Wir können<br />

alle Aufträge bedienen, haben keine Angst,<br />

dass ein bestimmtes Material fehlt.“ Von<br />

anderen Unternehmen hört man da ganz<br />

andere Töne.<br />

Privat versteht es der Künstler und Unternehmer<br />

sein Leben zu genießen. Neben dem<br />

Biken frönt er dem Golfsport, jährlich ist er<br />

mit seiner Segelrunde in Kroatien, Griechenland<br />

oder in Sardinien unterwegs. Mit seiner<br />

Frau, die im Büro mitarbeitet, hat er zwei<br />

Kinder, der 15-jährige Sohn wird heuer das<br />

erste Mal in den Betrieb hineinschnuppern,<br />

diesen vielleicht auch übernehmen.<br />

Eigentlich ein schöner, weicher, gut klingender<br />

Schluss für diesen Artikel, doch Mühlegger<br />

will noch etwas anfügen. Bermuda sagt er.<br />

Bermuda, wiederhole ich fragend? „Ja, Bermuda,<br />

die Bermuda Inseln, das Bermuda<br />

Dreieck. Das kennst du doch. Dort habe ich<br />

für den America´s Cup die Kids Area Zone<br />

geplant und errichtet.“ Kurze Pause. „Das ist<br />

eine große Spielanlage, eine tolle Inszenierung,<br />

die nun von allen benutzt werden kann. Und<br />

wir haben alles von Hopfgarten aus gemacht.“<br />

Der Mann scheint wohl über die Kunst, Menschen<br />

zu begeistern, zu verfügen.

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