Alnatura Magazin August 2022
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INTERVIEW<br />
Ein Hotel in Berlin-Mitte. Wir<br />
treffen Volker Schlöndorff zum<br />
Gespräch anlässlich des Starts<br />
seines Films »Der Waldmacher«.<br />
Er ist einer der wichtigsten<br />
Regisseure des Landes: Seine<br />
»Blechtrommel«, die Verfilmung<br />
des gleichnamigen Romans<br />
von Günter Grass, wurde 1980<br />
mit dem ersten Oscar für einen<br />
deutschen Spielfilm ausgezeichnet.<br />
Schlöndorff hat zahlreiche<br />
weitere Romane verfilmt, wie<br />
»Homo Faber« von Max Frisch.<br />
Mit »Der Wald macher« hat er<br />
etwas ganz anderes gemacht.<br />
Herr Schlöndorff, »Der Waldmacher«<br />
setzt sich mit dem Thema Aufforstung<br />
in Afrika auseinander. War es<br />
Ihre erste Begegnung mit Afrika und<br />
war Landwirtschaft vor dem Filmprojekt<br />
ein Thema für Sie?<br />
»Für Afrika interessiere ich mich aufgrund<br />
einer Reise, zu der mich der damalige Bundespräsident<br />
Horst Köhler eingeladen hat.<br />
Da wird ja oft ein Paradiesvogel aus der<br />
Kultur mit eingeladen – und das war ich.<br />
Die Reise war für mich der Augenöffner bezüglich<br />
Afrika. Und zum Zweiten: Ich bin<br />
vom Land, aus dem hessischen Taunus, und<br />
1968, als andere mit Steinen geworfen<br />
haben, habe ich mir einen Haufen Steine gekauft.<br />
Nämlich in der Toskana, ein zerfallenes<br />
Bauernhaus mit 20 Hektar Land. Dort<br />
habe ich über 30 Jahre lang mit örtlicher<br />
Hilfe Weinbau und vor allem Oliven anbau<br />
betrieben. Ich habe gemerkt, es ist für mich<br />
eine ganz große Freude, wenn ich irgendwo<br />
mit Stiefeln auf dem Acker stehen und<br />
was machen kann.«<br />
»Der Waldmacher« ist ein 90-minütiger<br />
Film über Tony Rinaudo, ein australischer<br />
Agrarwissenschaftler, der 2018 den<br />
»Alternativen Nobelpreis« für seine Arbeit<br />
erhalten hat: Vor rund 40 Jahren hat er<br />
eine Methode der Aufforstung in Niger<br />
entwickelt. Wie genau funktioniert diese<br />
Methode?<br />
»Tony hat die Methode nicht entwickelt,<br />
sondern wiederentdeckt. Bauern in Afrika<br />
und Europa wissen seit jeher, dass bald<br />
wieder Triebe aus dem Stumpf herauswachsen,<br />
wenn man einen Baum abschneidet.<br />
Das ist eine nachhaltige Art und Weise,<br />
Forstwirtschaft zu betreiben.«<br />
Muss man die Wurzeln freilegen?<br />
»Nicht die Wurzeln, sondern die Triebe.<br />
Die kommen manchmal auch aus einem<br />
Wurzelableger aus dem Boden.<br />
Der große Vorteil: Es sind einheimische<br />
Bäume, die an das Klima<br />
und den Boden gewöhnt sind und<br />
außerdem schon eine Wurzel haben.<br />
Bei Neupflanzungen gelingt es<br />
fast nie, dass die Pflanze solche<br />
Wurzeln bildet.<br />
Regisseur Volker Schlöndorff<br />
(links) und »Der Waldmacher«<br />
Tony Rinaudo bei den Dreharbeiten<br />
in Afrika.<br />
Worauf führen Sie es zurück, dass in<br />
Afrika so viele Bäume gefällt wurden?<br />
»In den letzten Jahren der Kolonialisierung<br />
wollte man intensive, großflächige Landwirtschaft<br />
betreiben, bei der man mit<br />
Traktoren usw. überall hinkommt. Die<br />
Rodungen hatten die verheerende Folge,<br />
dass die Böden ausgetrocknet sind. Sandstürme<br />
trugen die erste Humusschicht ab,<br />
der gelegentliche sturzflutartige Regen<br />
wusch den Rest weg, und die Erosion hatte<br />
zur Folge, dass nichts mehr wuchs. Dann hat<br />
man gedacht, man müsse neu pflanzen, doch<br />
das geht nicht. Aber unter der Erde – das war<br />
sozusagen die Entdeckung von Tony – lagen<br />
die alten Wurzeln. Er nennt es auch einen<br />
unterirdischen Wald, und den kann man<br />
wieder an die Oberfläche bringen.«<br />
Die Bevölkerung in Afrika nimmt zu,<br />
nicht aber das Land. Wo liegt der<br />
Ausweg? Kann Afrika von seiner<br />
eigenen Bevölkerung gerettet werden?<br />
»Das ist die Frage, die Tony Rinaudo sich<br />
auch stellt. Gerade durch seine Methode<br />
konnten die Landwirte wieder mehr erwirtschaften,<br />
aber mit dem Ergebnis, dass<br />
sie ihre Familien vergrößert haben und<br />
der Fortschritt, den er der Landwirtschaft<br />
gebracht hat, wird durch die Bevölkerungsexplosion<br />
aufgefressen. Das Thema Familienplanung<br />
ist in fast allen afrikanischen<br />
Ländern tabu. Immer noch herrscht dieser<br />
Irrglaube, wenn ich viele Kinder habe,<br />
dann wird es mir mal besser gehen.«<br />
Gegen Ende des Filmes sagen Sie, dass<br />
die Methode von Tony Rinaudo heute<br />
in 23 Ländern in Afrika erfolgreich umgesetzt<br />
wird. Wie gelangt die Methode<br />
in andere afrikanische Länder?<br />
»Das habe ich selbst miterleben dürfen auf<br />
einer Konferenz in Bamako, wo die Bauern<br />
aus verschiedenen Ländern zusammenkamen:<br />
Ein Dorf lernt vom Nachbardorf,<br />
das es wiederum ans nächste weitergibt.<br />
In Tansania und Kenia zum Beispiel ist diese<br />
Technik inzwischen in jedem Dorf bekannt,<br />
und daher hofft man, dass ohne große<br />
Geldmittel ein Umdenken einsetzt. Bei dieser<br />
nachhaltigen Art von Landwirtschaft ist<br />
auch wichtig, dass einheimisches Getreide<br />
wie zum Beispiel Hirse angebaut wird; Mais<br />
hingegen wächst nicht ohne Düngemittel.<br />
Und mit denen kommt man wieder in einen<br />
Kreislauf von Kosten und auch gesundheitlichen<br />
Risiken. Also auch hier ein Umdenken<br />
im Sinne von: zurück zu den Wurzeln.«<br />
Das Interview führte Matthias Fuchs.<br />
Der Film »Der Waldmacher«<br />
ist ab 26. <strong>August</strong> <strong>2022</strong> auf<br />
DVD erhältlich.<br />
Stöbern Sie außerdem mal durch unseren<br />
<strong>Alnatura</strong> Kiosk: Im Juni-<strong>Magazin</strong> aus dem<br />
Jahr 2020 stellten wir Tony Rinaudo auf<br />
Seite 42 bereits vor. kiosk.alnatura.de<br />
<strong>Alnatura</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>August</strong> <strong>2022</strong><br />
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