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rik Dezember 2022 / Januar 2023

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Musik<br />

NACHGEFRAGT<br />

BLUE:<br />

FOTO: ALICE BACKHAM<br />

Aller Ehren wert<br />

Zum 20-jährigen Jubiläum zeigt<br />

die englische Boyband, dass<br />

unvermindert mit ihr zu rechnen<br />

ist und veröffentlicht das starke<br />

neue Album „Heart & Soul“.<br />

Insbesondere in zwei Situationen, so erzählt<br />

Antony Costa via Zoom, merke er doch<br />

recht nachdrücklich, dass er eben keine 21<br />

mehr ist – sondern 41. „Wenn ich mit meinen<br />

Kindern um die Wette renne, sehe ich regelmäßig<br />

ihre Hacken“, plaudert der – wie alle<br />

Blue-Boys – in London lebende Costa aus<br />

dem Familienleben. Der Nachwuchs sei acht<br />

und fünf Jahre alt, unermüdlich und „eine<br />

erstklassige Alternative zum Fitnessstudio.“<br />

Wirklich angesetzt hat der Sänger, soweit<br />

man das am Bildschirm begutachten kann,<br />

natürlich nicht, Costa wirkt fit und bestätigt<br />

auf Nachfrage, dass, soweit er das beurteilen<br />

könne „alle Knochen und Körperfunktionen<br />

in Schuss seien“. Seines Alters werde er<br />

zudem gewahr, wann immer er Musik höre.<br />

Während der Nachwuchs längst flüssig in<br />

der Streaming-Welt unterwegs sei (und<br />

bevorzugt Ariane Grande konsumiere), suche<br />

Costa immer noch gerne eine Einrichtung<br />

namens „Plattenlade“ auf, um dort CDs zu<br />

kaufen. „Ich liebe es einfach, meine Musik<br />

in der Hand zu halten“, so Antony. „Ich<br />

komme noch aus einer Ära, in der wir Kassetten<br />

vor – und zurückspulten, um unsere<br />

Lieblingslieder zu hören. Wenn ich ehrlich<br />

bin, vermisse ich das ein bisschen. Doch<br />

es ist klar, dass auch uns nichts anderes<br />

übrigbleibt, als uns um Streaming- und<br />

Social-Media-Plattformen zu kümmern.<br />

Es ist nervig, aber wir müssen mit der Zeit<br />

gehen.“ Anpassungsfähiger ist der Sänger,<br />

was die Blue-Mitgliedschaft als solche<br />

angeht. „Champagner und wilde Partys<br />

waren anfangs geil, aber sind uns heute total<br />

unwichtig. Letzen Endes ist Blue für uns der<br />

Job, den wir machen, um unsere Familien zu<br />

ernähren und unsere Häuser abzubezahlen.“<br />

Die Zeit als solche ist halt nicht stehengeblieben.<br />

Antony Costa, Simon Webbe, Duncan<br />

James und Lee Ryan sind inzwischen<br />

alle um die 40 und Väter.<br />

Duncan outete sich 2009<br />

als bisexuell und 2012<br />

als schwul und lebt mit<br />

einem Mann zusammen.<br />

Im Nachhinein, so sagte<br />

er, bereue er es, nicht<br />

schon viel früher mit<br />

offenen Karten gespielt<br />

und seine Homosexualität<br />

so lange geheim<br />

gehalten zu haben. Grund<br />

sei die Angst gewesen,<br />

ein queerer Boygroup-Sänger könne die<br />

Karriere der ganzen Band torpedieren. „Vieles<br />

hat sich in den vergangenen zehn bis zwanzig<br />

Jahren geändert und aus heutiger Sicht<br />

können wir sagen, dass die Befürchtungen<br />

unbegründet waren“, sagt Costa. „Wir haben<br />

Duncan immer unterstützt und könnten<br />

nicht stolzer auf ihn sein.“<br />

Der durchaus knifflige Spagat zwischen<br />

Nostalgie und Spagat gelingt der Band auf<br />

dem neuen Studioalbum „Heart & Soul“<br />

ausgezeichnet. Natürlich sind die vier längst<br />

nicht mehr jene Jünglinge wie zu Anfang<br />

der Karriere im Jahr 2001, als sie gewissermaßen<br />

als britischer Gegenentwurf zu den<br />

US-Weltstars Backstreet Boys und NSYNC<br />

sowie zur irischen Konkurrenz von Westlife<br />

ins Leben gerufen wurden. Auch die<br />

Teilnahme am ESC, als Blue in Düsseldorf<br />

Platz Elf belegte, liegt schon wieder elf<br />

Jahre zurück. Aber qualitativ steht die neue<br />

Musik den frühen Superhits „All Rise“ oder<br />

„Too Close“ sicher nicht nach. Was sie auf<br />

ihrem coronabedingt<br />

um ein Jahr verspäteten<br />

Jubiläumswerk zum<br />

20-jährigen Dienstjubiläum<br />

veranstalten,<br />

ist aller Ehren wert.<br />

„Haven’t Found You<br />

Yet“ steht mit seiner<br />

melodischen Gefälligkeit<br />

den großen Erfolgen<br />

ebenso wenig nach<br />

wie das extrem Danceorientierte<br />

Titelstück<br />

oder das schwungvolle „Dance With Me“,<br />

eine Neuaufnahme des R&B-Hits der<br />

Band 112. Besonders auffällig sind die die<br />

akustische Ballade „Stop“ sowie das mehr<br />

als nur leicht unanständige Sexy-Nummer<br />

„Man Do“, die sich unverkennbar vor Prince<br />

verbeugt. „Wir sind erwachsene Männer, die<br />

Geschlechtsverkehr haben“, kommentiert<br />

Costa mit einem Lächeln.<br />

*Interview: Steffen Rüth

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