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FILM<br />
INTERVIEW<br />
NACHGEFRAGT BEI<br />
FOTOS: SALZGEBER<br />
JOÃO PEDRO RODRIGUES<br />
1966 in Lissabon geboren, gehört<br />
er schon lange zu den spannendsten<br />
und ungewöhnlichsten Regisseuren<br />
des queeren europäischen Kinos. Nach<br />
Meisterwerken wie „To Die Like a Man“<br />
oder „Der Ornithologe“ (beide zu sehen bei<br />
MUBI) erzählt er nun in „Irrlicht“ (ab 8.12. im<br />
Kino) von einem Prinzen, der davon träumt,<br />
Feuerwehrmann zu werden – und in der<br />
Ausbildung eine leidenschaftliche Beziehung<br />
mit seinem Ausbilder beginnt. Wir<br />
trafen Rodrigues zu nach der Weltpremiere<br />
des Films in Cannes zum Interview.<br />
Herr Rodrigues, Ihr neuer Film<br />
„Irrlicht“, dessen ungewöhnlicher<br />
Stil und Tonfall gar nicht so leicht<br />
zu vermitteln. Wie würden Sie ihn<br />
beschreiben?<br />
Hm… Er fängt auf jeden Fall als Science-<br />
Fiction an, wird dann zur Komödie und<br />
schließlich zu einem Musical. Außerdem hat<br />
„Irrlicht“ auch etwas Theatralisches, sogar<br />
mit Türen, die sich öffnen und schließen wie<br />
ein Bühnenvorhang. Und inhaltlich steht<br />
vielleicht im Zentrum die Frage, wie man sich<br />
nach außen präsentiert und vor allem herausfindet,<br />
wer man eigentlich selbst wirklich<br />
ist. Aber der erste Impuls war auf jeden Fall,<br />
mal eine Komödie zu drehen. Das hatte ich<br />
mir schon lange einmal gewünscht.<br />
So humorvoll der Film ist, so sehr<br />
verhandelt er auch ernste Themen,<br />
von Rassismus und Faschismus bis hin<br />
zur globalen Erwärmung. War das ein<br />
Balanceakt?<br />
Eigentlich empfinde ich jeden meiner Filme<br />
als Balanceakt. Was mir aber keine Angst<br />
macht, denn ich liebe es, Risiken einzugehen.<br />
Und finde, dass das moderne Kino<br />
dieser Tage viel zu wenige Risiken eingeht.<br />
Abgesehen davon bin ich gerade der Meinung,<br />
dass schwere Themen sich am besten<br />
mit Leichtfüßigkeit und Witz erzählen lassen.<br />
Ich glaube nicht, dass ich all das, was in „Irrlicht“<br />
steckt, in einem bedeutungsschweren<br />
Drama hätte unterbringen können.<br />
Wonach haben Sie die Songs für den<br />
Film ausgesucht?<br />
Ich wollte möglichst viele unterschiedliche<br />
Songs verwenden, von einem Kinderlied,<br />
wie es nun am Anfang vorkommt, bis hin<br />
zu zeitgenössischer portugiesischer Musik.<br />
Viele der Lieder haben natürlich auch eine<br />
Bedeutung. „Fado do Embuçado” von João<br />
Ferreira Rosa zum Beispiel ist ein royalistischer<br />
Song, der voller Nostalgie für die<br />
Monarchie und der Zeit, bevor Portugal eine<br />
Republik wurde. Und das Lied von Amália<br />
Rodrigues, das zu hören ist als die beiden<br />
Protagonisten Sex im Wald haben, ist eines,<br />
das heute am liebsten ignoriert wird, weil der<br />
Text so rassistisch ist. Sie war eine unserer<br />
größten Fado-Sängerinnen, quasi unsere<br />
Edith Piaf, und selbst sehr progressiv. Aber<br />
sie war eben in einem musikalischen Genre<br />
aktiv, das konservativ ist.<br />
Haben Sie sich für die Choreografien<br />
an klassischen Musicals orientiert?<br />
Meine Choreografin Madalena Xavier haben<br />
zur Inspiration tatsächlich viele Klassiker<br />
angeguckt, von Vincente Minnelli und Jaques<br />
Demy natürlich, auch alles von Gene Kelly<br />
und Stanley Donan, Ginger Rogers und<br />
Fred Astaire. Aber gleichzeitig ist „Irrlicht“<br />
natürlich kein traditionelles Musical. Musical-<br />
Komödie trifft es besser finde. Und dafür<br />
haben wir auch viele moderne Musikvideos<br />
als Beispiel herangezogen, etwa „Anima“<br />
von Thom Yorke, das ja von Paul Thomas<br />
Anderson inszeniert wurde. Oder die Videos<br />
von Perfume Genius.<br />
Was finden Sie denn schwieriger zu<br />
drehen, Tanz- oder Sexszenen?<br />
Die Choreografien der Tanzszenen waren<br />
auf jeden Fall die größte Herausforderung<br />
für mich und uns alle. Zum Glück hatten<br />
wir recht viel Zeit in der Vorbereitung und<br />
konnten das lange genug proben. Sexszenen<br />
dagegen sind für mich eigentlich Szenen<br />
wie alle anderen auch. Klar, es sind dann<br />
immer deutlich weniger Menschen am<br />
Set, und ein wenig Feingefühl im Umgang<br />
mit den Schauspielern sollte man schon<br />
haben. Aber als Regisseur versuche ich, so<br />
selbstverständlich und entspannt damit<br />
umzugehen als würde ich eine Unterhaltung<br />
am Küchentisch filmen.<br />
*Interview: Patrick Heidmann<br />
Das ganze Interview gibt es auf<br />
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